Cowview statt Cowboy – Bauern als Vorreiter der Digitalisierung

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Nahezu unbemerkt sind viele Bauern zu Vorreitern der Digitalisierung geworden. Experten beschreiben die Entwicklung als rasant. Schlangestehen vor dem Melkroboter gehört für moderne Kühe mittlerweile zur täglichen Routine. Der Mensch stört da eigentlich.

Ein Bauer braucht den „Kuhblick“ und schnelles Internet. Christian Vedder hat beides. Der ständig prüfende Blick des Bauern auf seine Tiere beruht auf Erfahrung und Gespür. Vedder sieht sofort, ob eine seiner 168 Milchkühe krank ist oder lahmt. Eine Maschine kann das nach Meinung des 57-Jährigen nicht ersetzen. Seit 500 Jahren betreibt die Familie Landwirtschaft im Sauerland.

Schnelles Internet braucht Vedder für seinen neuen Hightech-Stall, den er Ende vergangenen Jahres zusammen mit seinem Sohn Hendrik in Betrieb genommen hat. Die hochmoderne Anlage überwacht die Daten zu Milchleistung und Gesundheitszustand jedes Tieres rund um die Uhr – auch wenn niemand im Stall ist. Per SMS schickt der Computer umgehend einen Alarm, sobald etwas nicht in Ordnung ist.
 
Rund eine Million Euro hat die neue Anlage gekostet. Vedder hat sich trotz ständig unsicherer Milchpreise für die riesige Investition und damit für die Fortführung der Familientradition durch den 27-jährigen Hendrik entschieden. Eine Alternative dazu hat er nicht gesehen. „500 Jahre wirft man nicht einfach weg“, sagt er.
 
Ein Melkroboter nimmt nun einen großen Teil der Arbeit im Stall ab, bald soll auch eine Maschine den Mist automatisch beiseite schieben. Die Arbeitsersparnis ist ein entscheidender Vorteil für den Milchbauern in Zeiten zunehmend knapper werdender Arbeitskräfte auf dem Land. Geduldig stehen die Tiere vor der Maschine an, die ihnen während des Melkvorgangs auch gleich eine individuell abgestimmte Portion Kraftfutter serviert. Der Computer entscheidet jeweils, wer als nächstes dran ist. Besonders entspannt seien die Tiere, wenn sie mit der Maschine allein seien, berichtet Vedder.
 
Der Landwirt könnte seine Arbeit vom Sofa oder Schreibtisch aus erledigen. Stattdessen hat er seine Kühe lieber weiter selbst im Auge. „Der Blick des Menschen ist unersetzbar“, meint Jutta Weiß vom Bundesverband der deutschen Milchviehhalter. Doch der Trend zur Digitalisierung ist längst nicht mehr zu stoppen.
 
Nach einer vom Branchenverband Bitkom zum Jahresbeginn vorgelegten repräsentativen Befragung im Auftrag des Deutschen Bauernverbands sind mehr als zwei von drei Landwirten (67 Prozent) der Meinung, dass Digitalkompetenz in Zukunft genauso wichtig sein wird wie ein fachliches oder soziales Wissen. Vorreiter in Sachen Digitalisierung sind nach den Ergebnissen der Studie meist junge Landwirte im Alter bis zu 35 Jahren. Vor allem sie drängten auf den Einsatz moderner Technik, etwa jeder zweite sehe Defizite beim eigenen Hof.
 
„Cowview“ heißt etwa ein System des Düsseldorfer Unternehmens Gea, das mit Hilfe eines Senders die Position der Tiere zentimetergenau aufzeichnet. Entwickelt wurde das System ursprünglich für die Logistik. „Wir sind schon sehr nah dran am Geschehen“, sagt die zuständige Managerin Susanne Klimpel. Wird ein einzelnes Tier aus der Herde gesucht, reicht es, die Identifikationsnummer ins Handy einzutippen.
 
„Die Landwirtschaft ist in Sachen Digitalisierung eher fortschrittlich“, lobt Miriam Tänzer vom Bitkom, doch das sei bei vielen Verbrauchern nicht richtig angekommen. Nach den Ergebnissen einer bereits Ende 2016 vorgelegten repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands nutzt schon mehr als jeder zweite in der Branche (53 Prozent) digitale Technologien.
 
So arbeiteten auf dem Acker GPS gestützte Landmaschinen zentimetergenau, während die Düngung von Pflanzen genau gesteuert werden könne. Die Landwirte investierten nachhaltig, um die digitale Entwicklung voranzutreiben, stellt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder fest.
 
„Komplett analog ist kein Landwirt mehr“, sagt Tänzer. Auch im internationalen Vergleich sei die deutsche Landwirtschaft in dieser Hinsicht auf einem guten Weg, doch vielfach scheitere die Digitalisierung auch an den hohen Kosten und am fehlenden Kapital der durch niedrige Erzeugerpreise gebeutelten Landwirte.
 
Experten sagen eine weitere Digitalisierung der Landwirtschaft voraus. Doch einen Bauernhof ganz ohne Menschen kann sich bislang noch kaum jemand vorstellen. Wenn die Technik plötzlich ausfällt, kann das Problem schnell riesengroß werden. Notfalls müsse er dann auch vom Urlaubsort aus seinem Vater per Laptop im Stall helfen, berichtet Jungbauer Hendrik Vedder. Dennoch: Der Einsatz von Melkrobotern, Felddrohnen oder Nährstoffsensoren scheint kaum noch zu stoppen.

[Uta Knapp]

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