Nachdem er in „Ralph reicht’s“ in fremden Spielautomaten unterwegs war, erkundet Titelheld Ralph mit seiner Freundin Vanellope nun das Internet und sorgt für „Chaos im Netz“. Die gelungene Fortsetzung ist unterhaltsam und für kleine Zuschauer vielleicht sogar lehrreich.
Der Anblick ist überwältigend. Angesichts der bunten Reizüberflutung kommen der sanftmütige Hüne Ralph und die quirlige Vanellope von Schweetz aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Diese neuartige, gigantische und spannende Welt, die sie gerade betreten haben, ist also das Internet. Und wie findet man sich hier zurecht?
Sechs Jahre nach dem originellen Animationsfilm „Ralph reicht’s“, in dem das ungleiche Paar durch verschiedene Videospielautomaten irrte, schickt Disney seinen Titelhelden und dessen beste Freundin online – im wahrsten Sinne des Wortes. In „Chaos im Netz“ wird das Internet als futuristische Großstadt zum Leben erweckt. Der Filmtitel ist Programm. Und das bunte Abenteuer des Regie-Duos Phil Johnston und Rich Moore hat für jüngere Zuschauer ein paar gute Ratschläge.
Bei ihren allabendlichen Treffen klagt Rennfahrerin Vanellope über Langeweile. Schließlich kennt sie in „Sugar Rush“, dem Spiel, das ihr Zuhause ist, alle Strecken auswendig. Ralph, der seinen routinierten Tagesablauf liebt, will Abhilfe schaffen und baut seiner Freundin kurzerhand eine neue Strecke. Das führt allerdings zum Konflikt mit der Steuerung des Spielautomaten und schließlich dazu, dass eine Spielhallenbesucherin beim Gegensteuern das Lenkrad zerbricht. Ohne das nötige Ersatzteil muss „Sugar Rush“ abgestellt werden, und alle digitalen Charaktere verlieren ihre Heimat.
Doch es gibt Hoffnung. Beim Online-Auktionshaus Ebay wird nämlich ein solches Lenkrad versteigert. „Wir gehen ins Internet“, jubelt Ralph. Mit Vanellope macht er sich auf den Weg ins Datennetz, um es zu ersteigern. Leider haben beide keine Ahnung von Online-Auktionen. Ralph überbietet sich mit kindlicher Begeisterung selbst bis auf 27 000 Dollar. „Dollar wie Geld?“, fragt Vanellope, als es ums Bezahlen geht. Die Summe müssen die zwei erst auftreiben. Und im Web wartet auf das Duo zwischen Katzenvideos, Memes und aufdringlichen Werbebannern so manche Herausforderung, auch für ihre Freundschaft.
In der Originalfassung des Films leiht Schauspieler John C. Reilly („Stiefbrüder“) Ralph wieder seine Stimme. Pierre Peters-Arnolds löst in der deutschen Version Christian Ulmen ab, der in „Ralph reicht’s“ den Titelhelden gesprochen hatte. Schauspielerin Anna Fischer spricht Vanellope, die im Original von Komikerin Sarah Silverman vertont wird. In Nebenrollen sind Cartoonist Ralph Ruthe und diverse deutsche Youtube-Stars zu hören.
Die quietschbunte Veranschaulichung des Internets sieht toll aus, ist originell und vielleicht sogar ein bisschen lehrreich für das jüngere Publikum. Subtil warnt der Film vor allzu verlockenden Angeboten im Netz, erklärt virale Hypes und setzt ein Zeichen gegen Cybermobbing. Ralph begreift, dass „Likes“ nur im echten Leben wichtig sind, und lernt die erste Regel des Internets: „Lies niemals die Kommentare!“.
Die Gags und Anspielungen richten sich hingegen eher an ältere Teenager oder erwachsene Zuschauer. „Google, da sollten wir mal nachsehen, was das ist“, sagt Ralph verblüfft. Das witzige Suchmaschinen-Männchen Knowsmore entschuldigt sich: „Meine Autovervollständigung ist heute etwas aggressiv“.
Neben den bekannten Internetfirmen hat Disney vieles untergebracht, was der Konzern zu seinem eigenen Unterhaltungsgeschäft zählt. Die Produktplatzierung ist enorm, aber witzig. Auf der Disney-Website trifft Vanellope den Roboter C3PO aus Star Wars. Auch die kürzlich verstorbene Marvel-Ikone Stan Lee hat einen digitalen Gastauftritt.
Bei der Begegnung mit Schneewittchen, Pocahontas und zahlreichen weiteren Filmheldinnen beweist Disney Selbstironie: „Glauben die Leute, dass all deine Probleme gelöst werden, nur weil ein großer, starker Mann auftaucht?“, fragt Rapunzel. Die Macher zelebrieren die breite Palette des Disney-Universums und lancieren dabei gleichzeitig subtile, kritische Seitenhiebe. Das ist erfrischend.
In der zweiten Hälfte wirkt „Chaos im Netz“ leider etwas zu überdreht. Außerdem verbringen seine beiden Helden – gerade mit Blick auf jüngere Zuschauer – zu viel Zeit in der morbiden Welt von „Slaughter Race“. Das Online-Rennspiel passt mit der Endzeitstimmung, den verfallenen Kulissen, gefährlich aussehenden Autos und Horror-Clowns so gar nicht zur bunten Disney-Welt, übt aber auf Rennfahrerin Vanellope eine magische Anziehungskraft aus.
Das für Disney-Verhältnisse ungewöhnliche Ende mit einer Lektion über Freundschaft ist fast ein bisschen zu erwachsen geraten. Trotzdem ist „Chaos im Netz“ ein gelungener Familienfilm. An den Vorgänger „Ralph reicht’s“ kommt er zwar nicht ganz heran, doch er wird sicher von großen und kleinen Zuschauern seine „Likes“ bekommen.[Philip Dethlefs]
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