Um an längst vergangene ruhmreiche Zeiten anzuknüpfen, versucht sich Michael Keaton in „Birdman“ am Broadway. In der Rolle des abgewrackten Superhelden brilliert der ehemalige „Batman“-Darsteller, was seinem Filmcharakter jedoch auch nicht vorm kläglichen Scheitern retten kann.
Regisseur Alejandro González Iñárritu hätte für seinen abgewrackten Superhelden Riggan Thomson alias „Birdman“ wohl kaum einen Besseren wählen können als Michael Keaton. Jenen Mann, der schon 1989 als fliegender Held „Batman“ die Welt rettete und wenige Jahre später als solcher zurückkehrte. Nun spielt Keaton in „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ einen abgehalfterten Hollywoodstar – und dem Mexikaner González Iñárritu gelingt mit dieser Besetzung ein Kunstgriff. Denn „Birdman“ ist eine bitterböse Komödie über die Vergänglichkeit des Ruhms, die Eitelkeiten Hollywoods und die Abgründe des Menschen. Keaton und González Iñárritu gewannen bereits je einen Golden Globe, nun ist der Film für neun Oscars nominiert.
Iñárritu erzählt in seinem Künstlerdrama von der Angst vor der eigenenBedeutungslosigkeit, karikiert die Eitelkeiten Hollywoods, schafft einenFilm über das Theater, den Film im Theater und vermischt dabei immerwieder Realität mit Imagination, ebenso wie sein Held Bewunderung mitLiebe verwechselt, die eigenen Ambitionen mit realistischenMöglichkeiten. Er wählt dafür surreale Bilder, die mitunter kaumzuzuordnen sind. Und er schafft bei aller ironischen Komik immer wiedereine Atmosphäre von Schwermut und Tragik, die noch allzu gut aus seinemvorigen Film „Biutiful“ in Erinnerung sind.
In „Birdman“ schwebt die Rolle Keatons in der schäbigen Garderobe wie ein Fakir über dem Boden – lediglich mit einer übergroßen, weißen Unterhose bekleidet – blickt aus dem Fenster, sinniert oder meditiert, man weiß es nicht genau. Aus dem Off ertönt eine donnernde Stimme: „Birdman“, die Rolle, die Riggan früher berühmt machte und die zu so etwas wie einem Alter Ego geworden ist. Diese Stimme mahnt Riggan, bohrt, führt ihm seine eigene Lächerlichkeit vor und ist ihm doch so ähnlich. Denn ebenso wie der einstige Hollywoodstar an seinen Ruhm von einst anknüpfen will, so strebt auch sein Alter Ego zurück ins Rampenlicht. „Wir hatten alles“, erinnert Birdman einmal Riggan.
Jetzt allerdings hat der Superheld von einst vor allem eine MengeProbleme: der Ruhm verblasst, das Geld verbraucht, eine noch immer umsein Wohl besorgte Ex-Ehefrau Sylvia (Amy Ryan), eine junge Tochter Sam (Emma Stone),die gerade aus dem Drogenentzug zurück ist und nun als unerfahreneAssistentin agiert, eine Freundin Laura, die eine Schwangerschaftvorgibt – um nur einige zu nennen. Einzig sein Manager und ProduzentJake (Zach Galifianakis)bringt nervenstark etwas Ruhe in den Theaterwahnsinn. Auch als einemder stümperhaften Darsteller ein Scheinwerfer auf den Kopf knallt – einUnfall oder Ergebnis von Thomsons übernatürlichen Fähigkeiten, Dinge zubewegen, auch das weiß man nicht.
Als Ersatz und auf Drängen von Jake und der weiblichen Hauptdarstellerin Lesley (Naomi Watts) engagiert Riggan den ebenso erfolgreichen wie exzentrischen Mike Shiner (Edward Norton).Der garantiert zwar einen guten Ticketverkauf, will sich aber so garnicht unterordnen und verwechselt die Realität schon mal mit der Bühne,wenn er dort mit seiner Bett- und Bühnenpartnerin schlafen will und sichweigert, Wasser statt Alkohol zu trinken. Das alles wird beobachtet undkommentiert von Birdman. „Schau nur, wo du gelandet bist“, sagt erabfällig zu Riggan, als der gerade mit lächerlichem Schnurrbart undMinipliperücke zur Bühne eilt. Kinokritiken im Überblick
[Britta Schmeis/kh]
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