„Bad Luck Banging or Loony Porn“: Schon jetzt ein Film-Highlight 2021

Ein Rückblick auf die 71. Berlinale

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Berlinale-Gewinner "Bad Luck Banging or Loony Porn"
Foto: Silviu Ghetie / Micro Film 2021

Der Goldene Bär der 71. Berlinale ging an die rumänische Satire „Bad Luck Banging or Loony Porn“. Gewonnen hat damit ein herausragender Film in diesem ungewöhnlichen Festivaljahrgang.

Manchmal erkennt man Größe eben doch bereits im Kleinen. Die 71. Berlinale war dafür das beste Beispiel. Fünf Tage, reduziertes Programm, jeder schaut für sich im Homeoffice, keine große Leinwand, alle Filme müssen auf einem TV- oder Computerbildschirm funktionieren. Das hatte in dem fünftägigen Filmmarathon natürlich einen traurigen Gewöhnungseffekt und doch waren da immer wieder eindrucksvollen Erlebnisse. Filme, deren Größe auch in diesem Notlösungsformat sofort spüren konnte. Bei denen sofort ein wehmütiges Gefühl eintrat, sie jetzt nicht in einem Kinosaal erleben zu können. Vorfreude, dies vielleicht schon bald nachholen zu können.

Einer dieser Filme war zum Beispiel der ungarische Kriegsfilm „Natural Light“, dessen Bilder in ihrer natürlichen Lichtgebung und Rauheit mit all ihrem Schmutz auf einer großen Leinwand noch einmal eine ganz andere Kraft entfalten werden als auf einem Fernsehgerät. Oder der chinesische Thriller „Limbo“, der als Special Gala läuft. Ein Großstadtalbtraum über die Jagd nach einem Serienkiller, der eine mit beinahe unerträglich schönen und erschütternden Horrorbildern in Schwarz Weiß überflutet, die schlicht unvergesslich sind.

Der Kriegsfilm „Natural Light“ erhielt den Preis für die beste Regie.

Elitärer erster Teil

Das Publikum wurde derweil komplett ausgesperrt. Die Berlinale ist über die Bühne gegangen, die Preisträger sind verkündet und doch steht sie zugleich erst noch bevor. Filmfans dürfen momentan nur hören und lesen, wie Branche und Presse von bestimmten Filmen schwärmen und über andere diskutieren. Sie müssen sich bis zum Sommer gedulden, wenn die Live-Berlinale quasi als Teil 2 stattfinden soll.

Dass die Berlinale etwa im Wettbewerb und seinen starträchtigen Special Gala Filmen an einer Kinopremiere festhält, ist nur konsequent und lobenswert, jetzt, wo das Kino ein so bedrohter Ort ist. Den deutschen Film „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ wollte man ja nicht einmal Branche und Presse als Online-Stream zumuten. Warum man nicht aus den anderen Sektionen wenigstens einzelne Filme schon jetzt für das Publikum online freigegeben hat, will sich nach dieser Woche allerdings nicht erschließen. Zumal einige der Titel etwa in der Panorama-Sektion bereits auf anderen (Online-)Festivals zu sehen waren.

Die Filmfestspiele haben sich damit eine Exklusivität erschaffen, die ihrem Ansehen beim Publikum durchaus schaden könnte. Ob der Diskurs über die gezeigten Filme im Sommer nach diesem ersten Filtervorgang des Industry Events angemessen aufkocht, werden die nächsten Monate zeigen, sofern das Event überhaupt stattfinden darf. Auch eine Berichterstattung läuft ohne Filmpublikum in eine gewisse Leere. Generell war zu spüren, dass auch hierzulande ein geringeres Echo über Deutschlands größtes Filmfestival zu vernehmen war. Ein dauerhafter Ersatz kann diese Online-Version nicht werden, es raubt dem Festival einen erheblichen Teil seines Event-Charakters, den die Filme benötigen, um bestehen zu können.

Ein starker Wettbewerb

Zugleich muss man festhalten: Wahrscheinlich fiel das Echo lange nicht so positiv aus. Tatsächlich hat diese zweite Ausgabe unter der künstlerischen Leitung von Carlo Chatrian filmisch einen starken Eindruck hinterlassen. Die Berlinale hat nur leider weiterhin ein Problem mit ihren Sektionen. Forum und Panorama wirkten in diesem Jahr etwa völlig verloren.

Die neu eingerichtete Encounters-Reihe für besonders außergewöhnliche Filme hatte hier und da ein kleines Highlight zu bieten, konnte sich aber formal kaum von den anderen Sektionen abheben. Wo im vergangenen Jahr hier tatsächlich zum Teil wesentlich aufregendere, experimentellere Streifen als im Wettbewerb zu sehen waren, hat sich der Spieß 2021 umgedreht.

Der Wettbewerb der 71. Ausgabe ist sehr gut kuratiert. Ihm fehlte zwar das Spielerische, das Ausbrechende und das Kontroverse, die zahlreichen großen Namen haben jedoch bestens abgeliefert. Wo man zuletzt noch genau suchen musste, um einige wenige Highlights aufzuspüren, die länger im Gedächtnis bleiben, hat dieser Jahrgang gleich eine ganze Reihe an starken Filmen, die die Kinos in den nächsten Monaten gut gebrauchen können, um wieder von sich reden zu machen.

„Petite Maman“ von Céline Sciamma galt als heißer Bären-Kandidat.

Verdienter Bär für eine brillante Porno-Satire

Einer davon war natürlich Radu Judes neue Satire „Bad Luck Banging or Loony Porn“. Sie machte am Ende völlig berechtigt mit dem Goldenen Bären das Rennen. Jude erzählt darin von einer Lehrerin, deren Sextape im Netz landet und die sich nun einem aufgebrachten Mob gegenübersieht. Das ist großes Kino, voller kluger Beobachtungen, inszenatorischer Vielfalt und beißender Gesellschaftskritik. Der Verleih Neue Visionen wird den Film regulär in die Kinos bringen. Hoffentlich bald!

Teils hymnisch gefeiert wurde auch der neue 70-Minüter „Petite Maman“ von Céline Sciamma („Portrait einer jungen Frau in Flammen“). Die Französin liefert zeitloses Familienkino über ein Mädchen, das sich mit der jungen Version ihrer eigenen Mutter anfreundet. Etwas seicht im Vergleich zu Sciammas vorherigen Filmen. Etwas zu sehr auf die Rekonstruktion der Familienidylle pochend, aber dennoch meisterhaft inszeniert. Viele forderten einen Bären für dieses Märchen, auf das sich alle irgendwie einigen konnten. Am Ende ging er leer aus.

Auch dieser Film stand jedoch stellvertretend für diesen Festivaljahrgang. Vorstellungen von Zeit und Identität, öffentlichen und privaten Rollen, aber auch Kontraste von Großstadt und Natur, all das waren bestimmende Themen dieser Berlinale. Von der Corona-Pandemie war in den wenigsten Filmen etwas konkret zu sehen. Zu spüren ist aber (natürlich mit einigen Ausnahmen) eine Rückkehr zu reduzierteren Produktionen, zu pointierten Gedanken, flüchtigen Stoffen, die aber eine umso größere Kraft entwickeln. Und überhaupt: Endlich wieder interessante neue Filme, die in den kommenden Monaten auf ein Kinopublikum warten.

Einige der besten Filme des Festivals stellt DIGITAL FERNSEHEN morgen in einer Übersicht vor. Einen ersten englischsprachigen Trailer zum Berlinale-Gewinner „Bad Luck Banging or Loony Porn“ gibt es hier zu sehen:

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Bildquelle:

  • badluckbanging: Silviu Ghetie / Micro Film 2021
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