Richard Dreyfuss nahm es einst mit dem „Weißen Hai“ auf und bezeugte eine „Unheimliche Begegnung der dritten Art“. In „Astronaut“ träumt der alternde Schauspielstar ab heute in den Kinos von einem letzten Abenteuer.
Noch ein letztes Mal durchstarten. Noch einmal raus in die Welt, bevor man sich endgültig zur Ruhe setzt. Dem Alter trotzen und dem körperlichen Verfall den Kampf ansagen. Das Kino liebt solche hoffnungsfrohen, aber leider meist wenig gehaltvollen Erzählungen. Es liebt Geschichten von Seniorinnen und Senioren, die noch einmal etwas wagen im Leben. Egal ob ein letzter Tanzkurs, Kochkurs, ein Sportwettkampf oder ein Raubzug, um der Welt zu beweisen, dass man „es immer noch drauf hat“. Selbst Clint Eastwood, der große frühere Western- und Revolverheld, begab sich zuletzt in „The Mule“ in solche Gefilde, in denen er als pensionierter Senior einen listigen Drogenkurier mimte, der sich auf der Zielgeraden des Lebens noch einmal beweisen will.
Freifahrschein gen All
Richard Dreyfuss reiht sich nun in dieses ebenso weit verbreitete wie ominöse Genre ein. Er, der Ende der ’70er Jahre Oscar und Golden Globe erhielt, mit Stephen Spielberg einige seiner größten Erfolge feierte und nun im Alter von 73 Jahren auch ein Stück weit seine eigene Vergänglichkeit vor der Kamera reflektiert. In „Astronaut“, dem Regiedebüt der Schauspielerin Shelagh McLeod, spielt er Angus, einen pensionierten Straßenbauingenieur. Mit einem Teleskop blickt er nachts in die Sterne. Suchend nach einem Neuanfang, nach Antworten.
Nun bietet der Milliardär Marcus Brown im Fernsehen einen ganz besonderen Wettbewerb an. Der Gewinner darf per Freiflugticket am ersten kommerziellen Weltraumflug des Unternehmers teilnehmen. Angus schummelt sich kurzerhand unter die Kandidaten und versucht, sich über Vorurteile, Gesundheit und Familie hinwegzusetzen, um sprichwörtlich noch einmal nach den Sternen zu greifen.
Ein Film vom Abschied
Shelagh McLeod weiß offenbar um die Probleme, die solche Stoffe im Kino mit sich bringen. Ihr „Astronaut“ ist kein Belehrungsfilm geworden. Die alternde Hauptfigur muss hier nicht erst zur großen Predigt über die moderne Gesellschaft ansetzen und das Unmögliche tun, um sich dem Publikum anzubiedern. Vielmehrt portraitiert McLeod schlicht und einfach einen Menschen mit allen Zweifeln und Gebrechlichkeiten. Einen Durchschnittstypen, dessen hollywoodreif herbeigeschriebenen zweiten Frühling man dem Publikum glücklicherweise erspart.
Ebenso wenig verfällt der Film dem klischeehaften Narrativ eines bloßen Arrangierens mit dem eigenen Scheitern, der in ähnlichen Genrevertretern seine älteren Protagonisten dann doch in den Ruhestand oder gar ins Gefängnis verfrachtet. Robert Redford hat es beispielsweise als „Ein Gauner & Gentleman“ enttäuschend vorgemacht. Wenn man bis zum Ende nicht ohnehin bereits weggeschlummert ist.
Eine letzte Versöhnung?
„Astronaut“ sticht da in seiner Erzählung doch ein wenig positiv aus der Masse ähnlicher Filme hervor, weil er trotz seiner utopischen Fantasie einer Weltraumreise so klein, intim und, Ja, authentisch bleibt. Im Kern erzählt „Astronaut“ vom Abschied eines Sterbenden von seiner Familie, von einem letzten letzten Suchen nach Würde und Respekt. Schade, dass McLeod dabei nicht mehr auf ihre Figuren vertraut! Ihre Vorstellung einer Aussöhnung zwischen den Generationen gibt in der Theorie auch genug Stoff für ein großes Politikum her, doch das muss es gar nicht immer sein. Weit gedacht ist das in diesem Film leider ohnehin nicht.
Dieser Abgesang auf das Altern und den drohenden Tod kann schließlich nur ins Private und zu den Figuren führen. Doch die bleiben in „Astronaut“ leider allzu blass und fremd. Warum sie also nicht in all der Tristesse-Ästhetik mit viel mehr Leben und Seele füllen? Zu durchdringen gibt es in den 90 Minuten ernüchternd wenig, was sich da in der Familie abspielt. Vielleicht auch deshalb, weil McLeod dann doch immer wieder in stereotype, handlungstreibende Muster verfällt, anstatt sich einmal vollends ihrem tragischen Protagonisten und dessen Introspektion hinzugeben. Man merkt, dass „Astronaut“ innerhalb seiner geringen Möglichkeiten versucht, aus einem genretypischen Wohlfühlkino-Korsett auszubrechen. So ganz will das eigentliche Ziel dabei aber doch nicht durchblitzen.
Hinter den Möglichkeiten
Am Ende scheitert er an seiner Orientierungslosigkeit, der Unentschlossenheit, wenn es darum geht, seine Heldenreise und gesellschaftspolitische Dimension in der Öffentlichkeit mit den kleinen Dramen im Privaten unter einen Hut zu bringen. Am Ende geht „Astronaut“ weder den einen noch den anderen Weg zu Ende. Es fehlt einfach der letzte Schritt, diese Geschichte mit interessantem Stoff anzureichern. Wie Angus schaut man schließlich auch in diesem Film durch ein Teleskop und meint, dort irgendwo in der Ferne etwas zu entdecken, was hier möglich gewesen wäre, aber doch unerreichbar scheint.
Ergibt ein etwas harmloses, wahrscheinlich schnell vergessenes Drama. Aber, Halt, zumindest einen Stern kann man finden! Richard Dreyfuss in der Hauptrolle reißt diesen Film an sich und lässt so manche erzählerische Marginalität in den Hintergrund geraten. Auch wenn das Drehbuch seine Figur in manchen Passagen noch so sehr unterfordert, „Astronaut“ ist gerade in den wenigen starken, andächtigen und reflektierenden Charaktermomenten ein kleines, spätes Denkmal für einen Hollywoodstar.
„Astronaut“ läuft ab dem 15. Oktober bundesweit in den deutschen Kinos.