Es ist vermutlich der kleinste Superhelden-Film dieses Jahres und dennoch wird um ihn ein Riesenwirbel gemacht: „Ant-Man“. Ob sich die Aufregung lohnt, das erfahren Sie in unserer Kinokritik.
1989: der Wissenschaftler Hank Pym (Michael Douglas) verweigert den Zugriff auf eine von ihm entwickelte Schrumpftechnologie. Er will damit verhindern, dass sie missbraucht wird. Daher leugnet er lange Zeit, dass eine seiner Erfindungen in Form eines Anzugs derartige Fähigkeiten verleihen kann. Sein Assistent Darren Cross (Corey Stoll) ist bald besessen von dem Gedanken, einen vergleichbaren Beitrag zu leisten.
Jahre später ist Pym längst nicht mehr in der Forschung aktiv. Jedoch werden seine schlimmsten Befürchtungen wahr: Bei einer Präsentation zeigt Cross, dass er mit Yellowjacket kurz davor steht, die Schrumpftechnologie für Polizei und Militär nutzbar zu machen.
Währenddessen wird Scott Lang (Paul Rudd) aus dem Gefängnis entlassen. Er hat sich fest vorgenommen, nur durch ehrliche Arbeit wieder auf die Beine zu kommen. Diese zu finden, fällt dem verurteilten Dieb allerdings ziemlich schwer. Kein Wunder also, dass Exfrau Maggie (Judy Greer) vorerst nicht über ein Treffen mit Tochter Cassie (Abby Ryder Fortson) verhandelt. Um bei seinem Kind sein zu können, verfällt Scott daher wieder in alte Muster und begibt sich erneut auf Diebestour.
Statt Geld und Schmuck befindet sich in dem Safe, den er ausrauben soll, ein seltsamer Anzug. Natürlich ist Scott in das Haus des Biochemikers Pym eingedrungen, der ihn dabei erwischt und dennoch gewillt ist, Scott dabei zu helfen, seine Tochter regelmäßig sehen zu dürfen. Die einzige Bedingung ist, dass er versucht, für Pym mithilfe des Anzugs Cross‘ Yellowjacket-Technologie zu stehlen.
Wie in allen Marvel-Filmen wird auch hier gekonnt die Balance zwischen Action und Humor gehalten. Anders als kürzlich in „Avengers: Age Of Ultron“, bleibt bei nur einem Superhelden glücklicherweise wesentlich mehr Zeit für die Charaktereinführung und Handlung.
Dass der Film aber dieselbe Linie fährt wie so einige vorherige Marvel-Verfilmungen könnte so manchen Fans missfallen. Auch der bedauernswerte Ausstieg des Kultregisseurs Edgar Wright erzeugt einen bitteren Beigeschmack, der so manchen Fan vergraulen dürfte. Angeblich seien es „kreative Differenzen“ gewesen, die dazu geführt hätten. Wer sich mit dem Oevre des britischen Regisseurs auskennt, weiß aber, dass dessen Kreativität eher zu unendlichen Vorteilen für den entsprechenden Film führt. Trotz einvernehmlicher Trennung kamen in den letzten Monaten verschiedene Gerüchte auf: Hat sich das Studio zu extrem in den Produktionsprozess eingemischt oder wurde Drehbuchautor und Regisseur Wright wegen Unzuverlässigkeit rausgeworfen? Unabhängig davon übernahm Peyton Reed die Regie bei dem Projekt, das Wright vor über sieben Jahren angestoßen hatte. Reed ist eher für seichte Beziehungs-Komödien bekannt (z.B. „Trennung mit Hindernissen“ und „Der Ja-Sager“) und hatte bislang auch noch keine Erfahrungen im Bereich der Comic- und Action-Filme sammeln können.
Trotz allem lässt sich sagen, dass Marvel mit der Einführung des neuen Helden in das Marvel Cinematic Universe (MCU) durchaus ein Erfolg gelungen ist. Wie so viele Marvel Charaktere sind Scott und auch Pym nicht unfehlbar, was sie als Identifikationsfiguren auszeichnet. Diesen Vorteil nutzt der Film ganz klar für sich. Scott sieht sich selbst nicht sofort als Held, der die Welt retten wird. Im Gegenteil: Er bittet darum, erst einmal die Avengers anzurufen, als er von seiner Aufgabe hört. Um diese zu erfüllen, kann er nicht einfach den Anzug anziehen und loslegen wie Iron Man. Stattdessen muss er erst noch zu einem Helden „heranwachsen“ – und das ist ein äußerst beschwerlicher Weg für solch einen (nicht nur im physischen Sinne) kleinen Mann.
Seine Mühe und Aufopferung für seine Tochter Cassie und viele andere machen ihn zum Sympathieträger schlechthin. Die junge Abby Ryder Fortson zeigt dabei in der Rolle von Scotts Kind felsenfeste Vater-Tochter-Solidarität und kombiniert dies mit schlagfertigen Kommentaren. So werden auch Szenen, die nur zeigen, was Scott vor seiner Inhaftierung zurücklassen musste, amüsant.
Allgemein wird im Film immer wieder ein schmaler Grat gemeistert. Eine todernste Unterhaltung über die fatalen Folgen, falls Scott den Anzug falsch nutzt oder technisch verändert, driftet dann schon mal schnell in eine humoristische Szene ab. Scott kann sich auch im Kampftraining kaum gegen Pyms Tochter Hope (Evangeline Lilly) behaupten. Immer wieder rettet er sich durch seinen Humor aus pikanten Situationen. Damit wird er vielleicht doch etwas zu sehr zu jener Witzfigur, die man bei solch einem Titel wie der „Ameisen-Mann“ erwartet. Die actionreichen Miniaturszenen räumen dann glücklicherweise wieder mit diesem Vorurteil auf. Der Anzug befähigt nämlich nicht nur zum Schrumpfen, sondern erhöht auch die Kräfte des Trägers. Dadurch wird die Frage, wie er die Welt retten soll, schnell beantwortet. In der Yellowjacket-Präsentation wird außerdem die damit einhergehende Bedrohung deutlich gemacht.
Was die eingesetzte 3D-Technologie angeht, so fällt es schon ins Gewicht, dass der Film erst im Nachhinein konvertiert wurde. Eigentlich hätte das als „Miniaturizing“ bekannte Problem der Stereoskopie hier zum Vorteil genutzt werden können. Jedoch wurde mehr Wert auf den Sehkomfort als auf die Aha-Momente gelegt, weshalb dieser Aspekt kaum Wirkung entfaltet. Dennoch gibt es Ausnahmen. Besonders, als Scott den Anzug das erste Mal verwendet, wird aktiver Gebrauch vom 3D-Effekt gemacht. In der plötzlich riesigen Umgebung der ekelhaft verschmutzen Duschwanne stechen alle Details ins Auge. Bis zum finalen Endkampf auf „Thomas der Lokomotive“ flachen die Effekte dann wieder ab.
Insgesamt lässt sich nicht sagen, was „Ant-Man“ für ein Film geworden wäre, wenn Edgar Wright seine Ideen verwirklicht hätte. Eine Enttäuschung ist die neue Superhelden-Action aber keinesfalls. Immer wieder kommen Charaktere rund um den Avengers-Handlungsstrang auf die Bildfläche, was besonders echte Marvel-Film-Fans begeistern dürfte. Dabei wird aber nicht zu viel vorausgesetzt und man kann den Streifen auch, ohne alle Zusammenhänge zu kennen, genießen. Paul Rudd überrascht dabei zwar nicht mit einer gänzlich neuen Seite, fügt sich aber gut in die Rolle des Diebes, Scott Lang, ein. Der 3D-Effekt sorgt besonders in den animierten Mini-Szenen für die angemessene Fokussierung. Letzten Endes dürfte für alle, die gespannt auf Phase drei des Marvel Cinematic Universe warten, auch nach dem Abspann noch etwas zu sehen sein.
„Ant-Man“ ist ab dem 23. Juli im Kino zu sehen.Kinokritiken im Überblick
[Anika Bahn]
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