„Adam und Evelyn“ – Ein Sommer der Entscheidungen

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Es ist Sommer. Die DDR geht ihrem Ende entgegen – aber das ahnen Adam und Evelyn noch nicht. Für sie geht es erst um die Frage: Bleiben sie ein Paar? Und dann: Wollen sie in der DDR oder in der BRD leben?

„Seit wann weißt du, dass du weg willst?“, fragt Adam. „Seit heute Morgen. Ich hab mich so an den Gedanken gewöhnt, weiter zu fahren“, antwortet Evelyn, melancholisch blickend. Das junge Paar aus der DDR sitzt im Lauf des Filmes an einem Abend im Sommer 1989 unter einer lauschigen Pergola in Ungarn und ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie leicht es kurze Zeit später sein wird, einfach nach Österreich weiter zu reisen – und damit in den Westen zu flüchten.

Der Roman „Adam und Evelyn“ von Ingo Schulze war Vorlage für einen gleichnamigen Film in der Regie von Andreas Goldstein, der nun im Kino startet. Mitten im Winter wird das Publikum in einen Sommer entführt, der nicht nur besonders warm war, sondern auch historisch bedeutsam. „Guten Abend, meine Damen und Herren. In der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ungarn haben etwa 30 DDR-Bürger Zuflucht gesucht. Sie hoffen, auf diese Weise ihre Ausreise in den Westen erzwingen zu können“, sagt eine Stimme im Radio.
 
Im romantischen Garten des Paares in der DDR zwitschern die Vögel, zirpen die Grillen und summen die Bienen. Langsam bewegt sich eine Schildkröte durchs Gebüsch. Idylle pur. Viele Szenen bleiben lange stehen. In fast jedes Bild können die Zuschauer länger eintauchen. Auch die Dialoge laufen fast in Zeitlupe. Oft sagen die Protagonisten auch nichts. Es ist, als ob die Zeit stillsteht im Sommer ’89.
 
„Nur Adam lebt im Paradies – ich hab Spätschicht“, sagt Evelyn (Anne Kanis), im Liegestuhl sitzend, während Adam (Florian Teichtmeister) auf der Gartenbank näht. Er ist freischaffender Damenschneider, sie Kellnerin. Dann kommt er einer ehemaligen Kollegin näher. Evelyn, die meist Eva genannt wird, erwischt sie – und reist dann anders als geplant nicht mit ihm, sondern mit einer Freundin nach Ungarn. In einem Wagen mit Kennzeichen HH. Am Steuer sitzt der West-Cousin ihrer Freundin.
 
Der Plattensee und andere Orte in Ungarn waren für DDR-Bürger nicht nur im besonderen Jahr 1989 ein beliebtes Reiseziel. Und das, obwohl ein Visum nötig war und die staatlich festgesetzte Höchstumtausch-Summe für Forint keine großen Sprünge erlaubte. Das milde Klima, die gastfreundlichen Menschen, die Westprodukte in den Supermarktregalen und das gute Obst-Angebot lockten in das Land. Und: Es war möglich, West-Bekannte oder -Verwandte zu treffen oder neue Kontakte zu Bundesbürgern zu knüpfen, für die das sozialistische Land ein extrem preiswertes Reiseziel war.
 
Der Balaton war nicht zum ersten Mal Drehort für eine deutsche Flucht-Geschichte. Nur ein Jahr vor dem Mauerfall etwa spielt der Kinofilm „Westwind“ von 2011 (Regie: Robert Thalheim). Er basiert auf einer wahren Begebenheit: Unter der Hutablage eines Autos gelangt die 17-jährige Ruderin Doreen Schimk im Sommer 1988 von Ungarn aus in den Westen. Schweren Herzens lässt sie ihr altes Leben und vor allem ihre geliebte Zwillingsschwester Susann zurück.
 
 
Adam, der Eva hinterhergereist ist, schafft es mit ihr nach dem Abend unter der ungarischen Pergola schließlich ganz leicht in den Westen. Der alte DDR-Wartburg passiert den weit geöffneten Schlagbaum an der ungarisch-österreichischen Grenze. Danach wird es schwerer. „Adam hat Eingewöhnungsprobleme“, berichtet Eva einer Freundin. „Von allem zu viel, sagt er: zu viele Worte, zu viele Kleider, zu viele Hosen, zu viele Autos, zu viel Schokolade.“ – Und: „Ich glaub, die brauchen hier keine Schneider.“

[Sophia-Caroline Kosel]

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