Acht Jahre nach dem Original bekamen Fans erstmals eine moderne Version ihres Helden Cloud zu sehen. Nur eine Tech-Demo, wie sich herausstellte. 15 Jahre voller Hoffnungen und Enttäuschungen später soll der Traum nun endlich wahr werden. Wir haben das neue „Final Fantasy VII – Remake“ durchgespielt.
Mal ganz ehrlich, „Final Fantasy VII“ war schon bei seiner Veröffentlichung 1997 kein besonders schönes Spiel. Die Blockmännchen aus gefühlt drei Polygonen ließen die malerischen Kunstwerke der 16bit Ära sehnlichst vermissen. Hauptcharakter Cloud hatte so viele Körperdetails wie Steve aus „Minecraft“ und auf den ersten Blick die gleiche Charaktertiefe. Dass das Spiel dennoch zum absoluten Klassiker wurde, verdankte es seinen Charakteren und der erinnerungswürdigen Geschichte. Denn natürlich entwickelt sich Cloud nach den ersten Spielstunden weiter. Seine Beziehungen, seine Vergangenheit und Konflikte treten mehr in den Vordergrund. Man muss das Original nicht gespielt haben, um von seinen tragischen Höhepunkten gehört zu haben. Man kennt sie so wie das Ende von „Romeo und Julia“. Leicht vergisst man heutzutage, dass JRPGs in den 90ern die wirklich hochwertigen Geschichten erzählten. Ihre Kollegen aus dem Westen, von Adventures mal abgesehen, ließen sich meist noch in drei Sätzen zusammenfassen. Cloud, Aeris, Sephiroth, sie alle wurden Teil der Popkultur und ein Maßstab für virtuelles Erzählen.
Mission mit Mako und Makel
Dabei ist es eine Geschichte, wie man sie nur im letzten Jahrtausend erzählen konnte. Angeheuert von Ökoterroristen verhilft der Spieler innerhalb der ersten Stunde zum gelungenen Anschlag auf einen Reaktor. Durch den Fantasyfilter, genau gesagt den „Final Fantasy“-Filter, klingt das Ganze etwas weniger schlimm. Der böse Konzern „Shinra“ entzieht dem Planeten wichtige Lebensenergie in Form von „Mako“. Die Rebellengruppe „Avalanche“ will das Monopol von Shinra beenden und den Planeten zu seinem natürlichen Zustand zurückführen. Die Geschichte funktioniert heutzutage doch besser als erwartet. Was sie brauchen, ist ein Held mit einem Schwert so groß wie sein Körper.
Mit Cloud Strife streift man für die nächsten Spielstunden durch die Stadt Midgar. Im Original waren das sieben bis acht Stunden, im Remake für die Playstation 4 ist es das gesamte Spiel. Um dennoch ein vollwertiges RPG-Erlebnis zum Vollpreis liefern zu können, wurde Midgar ordentlich aufgewertet. Fanden die Ereignisse zuvor mehr in den ärmlichen Slums statt, sind nun auch viele der oberen Bereiche begehbar. Auf beeindruckende Weise wurden die einst statischen Hintergründe in eine realistische, bewohnte Umgebung verwandelt. Ereignisse wurden stark ausgebaut. Widersacher Sephiroth bekommt einen früheren Auftritt. Die karikaturhaften Mitglieder von „Avalanche“ fühlen sich an wie ausgearbeitete Charaktere. Das Spiel, also eigentlich die erste Episode, endet mit der Flucht der Gruppe aus Midgar. Ein winziger Anteil des großen Abenteuers, das Cloud, Tifa und Co. noch erleben werden. Die Geschichte soll in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Die Entscheidung, „Final Fantasy VII“ so häppchenweise anzubieten, ist zwar schade, in Hinsicht auf den technischen Aufwand aber verständlich. Egal ob Umgebungen, Charaktermodelle oder Animationen – das Remake ist eine technische Glanzleistung.
Technik oder Magie?
Am 25. Jubiläum des Franchises überzeugte Yoshinori Kitase seine Partner Shinji Hashimoto und Tetsuya Nomura von einem Plan, der nun acht Jahre später Früchte tragen soll. Nomura, der ursprüngliche Charakterdesigner, führte im Sequel „Final Fantasy VII: Advent Children“ die Regie. Der Animationsfilm von 2005 sollte die geliebten Figuren so realistisch wie möglich darstellen. Auf Fotorealismus wurde jedoch verzichtet, um den ursprünglichen Charme zu bewahren. Mit dem gleichen Ziel, aber fortgeschrittener Technik erinnern Cloud und Co. heute an ihre 15 Jahre alten Filmvorbilder. Noch detaillierter sind Haut, Haare und Gesichtsausdrücke. Das Remake sieht so fantastisch aus, dass man das eigentlich recht bunte Abenteuer von 1997 mit seinem teils drolligen Stil und den überzogenen Dialogen fast vergisst.
Ein altes Spiel zu modernisieren, ist kein leichtes Unterfangen und auch die Composer mussten sich neuen Herausforderungen stellen. Dem Trend interaktiver Soundtracks folgend laufen teils bis zu drei Variationen des gleichen Tracks ab, zwischen denen dann nahtlos gewechselt wird. So kann sich die Musik dynamisch dem Verlauf einer Szene anpassen, was bei vielen Actionsequenzen und vertonten Dialogen auch notwendig ist.
Midgar-Crisis
„Square“ ist erst 34 Jahre jung und zeigt bereits erste Anzeichen einer Midlife-Crisis. Der Versuch, hip zu sein und bei den Kids gut anzukommen, trifft auf das verzweifelte Festhalten an altmodischen Traditionen. „Final Fantasy VII Remake“ spielt sich auf den ersten Blick wie ein Actionspiel und geht damit einen Pfad, dem „Square Enix“ bereits in den letzten Jahren gefolgt ist. Gleichzeitig will man sich nicht vom altbekannten „Active Time Battle“ trennen. Auch wenn das jetzt komplett anders aussieht. Statt auf die nächste Runde zu warten, sind konstante Angriffe notwendig, um die „ATB“-Leiste zu füllen. Mit ihr können Spezialangriffe, Magie und Items verwendet werden. Steuert man nur Cloud, ist das schnell gelernt: Ausweichen, Blocken und im richtigen Moment attackieren. Der Wechsel in die Offensivhaltung sorgt für stärkere Angriffe, senkt aber die Verteidigung. Ist eine Leiste gefüllt, macht man den Gegnern gut Feuer unterm Hintern. So macht das Gameplay richtig Spaß.
Erst mit mehreren Kämpfern wird es allmählich verwirrend. Da es sowohl möglich als auch notwendig ist, zu einem anderen Charakter zu springen, müssen die jeweiligen ATB-Leisten ständig im Auge behalten werden. Vor allem anfangs wird man oft unnötig Menüs öffnen, nur um dann festzustellen, dass die gewünschte Aktion noch nicht ausgeführt werden kann. Da kommt schnell Hektik auf. Werden die Begleiter vom Spiel gesteuert, greifen sie nicht aggressiv genug an, um ihre ATB schnell zu füllen. Was fehlt, ist eine Art Gambit-System wie in „Final Fantasy XII“, mit dem das Verhalten der Figuren vorprogrammiert werden kann. Stattdessen bedient man sich einzelner Elemente aus früheren Spielen wie „FF XIII“ oder „Xenoblade Chronicles“. Gegner können in einen Schockzustand versetzt werden und sind nun anfälliger für bestimmte Angriffe oder magische Attacken. Das richtige Timing wird in Bosskämpfen unabdingbar.
Trotz einiger Schwächen bringt das neue Kampfsystem einen entscheidenden Vorteil mit sich. Es erlaubt den nahtlosen Übergang zwischen den einzelnen Elementen des Spiels. Separate Kampfbildschirme gehören längst der Vergangenheit an. So tragen auch die Kämpfe zum beeindruckenden Gesamterlebnis „Final Fantasy VII Remake“ bei. Und das ist ein Abenteuer, dessen Fortsetzung gewiss ähnlich sehnsuchtsvoll erwartet wird wie in der Vergangenheit neue „Star Wars“-Filme. Neben der Standard- gibt es auch eine „1st Class“- (siehe Bild) und eine Deluxe-Edition mit Sephiroth-Steelbook, Artbook, Soundtrack-CD und der Kaktor-Beschwörungsmateria – denn anders als im Original, lässt sich dieses Spiel auch durch DLCs wie dem Chocobo Chic sowie Carbuncle erweitern.
Tony Menzel
Bildquelle:
- Final-Fantasy-VII-Remake: © Square Enix