Mit „Super Stardust HD“ und „Resogun“ lieferten Housemarque für PS3 und PS4 exzellent spielbare und zugleich motivierende Shooter ab, die einen binnen Sekunden in einen echten Rausch versetzten. Nachdem ich etliche Stunden in Returnal verbracht habe, muss ich leider zugeben: Das neue Gameplay-Experiment ist nur anfangs spaßig und nervt auf Dauer.
Returnal macht anfangs alles richtig: Die Alienwelt will erforscht und enträtselt werden, die einzelnen Areale warten mit einigen Überraschungen auf und die fetzigen Feuergefechte zeigen, dass die Macher ihr Handwerk bestens verstehen. Bild, Ton und das haptische Feedback des PS5-Controllers samt Soundeffekten sorgen für einen beeindruckenden Mittendrin-Faktor. Spätestens, wenn man nach kurzer Zeit die Energieklinge freischaltet, gibt es in den Kämpfen kein Halten mehr: Ruckzuck wird der Shooter um extrem effektive Nahkampfangriffe aufgewertet und bereits bekannte Spielareale fühlen sich wieder frisch und neu an. Gleichgültig, ob man mehrmals hintereinander stirbt oder sich Stück für Stück vorantastet, ist ein spürbarer Fortschritt vorhanden. Das gilt allerdings nur für ein paar Stunden.
Verschwendete Lebenszeit
Returnal lässt sich weder vernünftig pausieren noch temporär beenden und an der gleichen Stelle fortsetzen. Die PS5 in den Ruhemodus zu schalten, ist die einzige Möglichkeit, wenn man eine lange Spielsession unterbrechen und später fortfahren möchte. Hierbei stolpert Entwickler Housemarque über die eigenen technischen Ambitionen, denn „absturzfrei“ ist dieses Spiel keineswegs: Spieldurchgänge wurden während einer Teleporternutzung unfreiwillig beendet und wir mussten wieder ganz von vorn starten. Einzelne Bereiche lassen sich nur rückwirkend komfortabel durch Teleporter bereisen und dabei ist man darauf angewiesen, dass die zufälligen Reisepunkte fair gesetzt werden. Ob ein Teleporter in Raumschiffnähe erscheint, wo der Übergang ins nächste Biom ist oder wo sich der Raum für den Bosskampf versteckt, darüber entscheidet der Zufall. Auf der Karte liefern die Türsymbole immerhin vage Hinweise, wo das gewünschte Ziel liegen könnte und damit ist die Karte noch eines der gelungensten Gameplay-Elemente dieses Spiels. Dass der „Zufallsgenerator“ vor allem dazu dient, bekannte Gebiete in unterschiedlicher Reihenfolge miteinander zu verknüpfen, ist dem Spielspaß nicht sonderlich dienlich, denn die Welt von Returnal ist trotz dieses Kniffs vorhersehbar: Die einzelnen Bausteine ändern sich nicht, weshalb die Shooter-, Erkundungs- und Sprungpassagen stets nach einem bekannten Muster ablaufen.
Ein verunglücktes Metroidvania
Auch wenn Returnal keineswegs als Metroid-artiges Spiel angesehen werden sollte, hätte das Spiel das Zeug dazu gehabt, diesen Vergleich nicht scheuen zu müssen. Die Alienwelt, die einzelnen Areale verbunden durch Tore, die wenigen freispielbaren Fähigkeiten, die unterschiedlichen Waffen und Gegner: All das lädt förmlich dazu ein, jeden Winkel der Welt abzusuchen und jedes Detail aufzusaugen. Doch Returnal zeigt Metroid-Spielern ganz schnell die rote Karte, denn je länger man sich in dieser Welt aufhält, desto größer ist die Gefahr, dass man Lebenszeit verschwendet: Stirbt man auf dem Weg zum Boss, fängt man wieder ganz von vorn an, ohne im schlimmsten Fall einen einzigen Fortschritt erzielt zu haben. Dass sich ein Zweitleben an einem Automaten kaufen oder die einmalige Wiedergeburt an einem Aliengerät vollziehen lässt, ist nur ein schwacher Trost. Das wäre alles nur halb so schlimm, wenn es in Returnal einen funktionierenden und motivierenden Gameplay-Loop geben würde, doch Returnal pulverisiert förmlich jedes Gameplayelement, das einen erneuten Anlauf abwechslungsreich gestalten würde. Wer sich nach einem modernen Shooter mit Metroidvania-Gameplay sehnt, ist bei „Control“ deutlich besser aufgehoben.
Ein verunglücktes Rougue-like
Es gibt unzählige Spiele, die ihren Reiz daraus ziehen, dass ein Neustart zugleich frustriert und motiviert. Ob „Dead Cells“, „Enter the Gungeon“, „Risk of Rain“, „FTL“, „Rogue Legacy“ und nicht zuletzt „Hades“: Ein funktionierendes Belohnungssystem einzubauen, das den Frust nach einem Neustart mindert und motiviert, den zweiten Anlauf gleich im Anschluss anzugehen, ist das notwendige Salz in der Rouge-like-Suppe. Doch Returnal lässt die notwendige Motivationsspritze vermissen. Wer sich nach einem Neustart nicht stundenlang an den immer gleichen Kämpfen und Arealen erfreuen kann, der wird trotz Story-Häppchen schnell gelangweilt sein. Dabei ist der Schwierigkeitsgrad von Returnal abseits des Neustarts gar nicht so gnadenlos, wie vermutet: Die Energieklinge beseitigt die meisten Gegner mit wenigen Treffen, durch die meisten Projektile darf man gefahrlos hindurch dashen und die Endbosse greifen meist auf bekannte Shooter-Muster zurück, sodass im Kreis zu laufen und bei Bedarf zu dashen alles ist, was es neben dem Zielen und Feuern zu beachten gilt – kein Vergleich zu einem wilden Tanz auf der Rasierklinge, der einen in Spielen wie „Sekiro“, „Cuphead“ oder „Hollow Knight“ wirklich alles abfordert. Stattdessen ist es das absurde Verhältnis von Schaden austeilen und Schaden nehmen, das den Schwierigkeitsgrad der Bosskämpfe definiert: Während man selbst mit leistungsstarken Waffen eine halbe Ewigkeit benötigt, die Dämonen in die Knie zu zwingen, reichen meist 1 bis 2 Treffer des Gegners, um den eigenen Neustart heraufzubeschwören – vorab Medikits und eine zweite Chance einzukaufen, verbessert zumindest die Überlebenschancen. Die größte Herausforderung im ersten Biom sind hingegen nicht die Gegner, sondern die Abgründe und die fehlende Übersicht:
Gegner im Nahkampf anzugehen ist besonders effektiv, aber wenn hinterrücks fliegende Gegner das Dauerfeuer eröffnen und ein Rückzug nicht selten im schlecht einsehbaren Abgrund landet, dann kommt weder Stimmung noch Spielspaß auf. Gegner kleben nicht selten an Toren, wenn man im Kampf in bereits gesäuberte Gebiete wechselt, um kurz einmal durchzuschnaufen. Öffnet man das Tor erneut, erwarten einen meist zusammengedrängte Gegnermassen und im schlimmsten Fall eine Feuersalve, die das Lebenslicht in Sekundenschnelle auslöscht. Das zweite Biom des Spiels ist zu Beginn hingegen so weitläufig gestaltet, das es spielerisch geradezu befreiend ist, Gegner ohne Absturzgefahr und aus extremer Entfernung aufs Korn nehmen zu können. Doch ein Ableben im zweiten Biom erfordert den umständlichen Weg durch das erste Biom und wo sich der entsprechende Teleporterpunkt befindet, wird zufällig ausgewürfelt. Mit Biom Nummer 3 wiederholt sich dieses Spiel: Dank eines Greifhakens lässt sich der Übergang vom ersten zum dritten Biom freischalten (auf das Kreissymbol über den Toren auf der Karte achten). Erst mit Biom Nummer 4 weht ein frischer Wind durch das Anfangsareal und Returnal kann ein wenig mehr motivieren, die weitere Reise doch noch fortzusetzen.
Umständliche Design-Entscheidungen
Lebensenergie wird in Returnal nicht automatisch regeneriert, sondern es lassen sich Medikits kaufen oder spärlich verteilte grüne Items aufsammeln, die teilweise auch zufällig von Gegnern hinterlassen werden. Das Problem: Ist die Energieleiste gefüllt, erhöhen die grünen Heilitems das maximale Energieniveau und steigern damit die Chance, dauerhaft zu überleben. Werden die Items hingegen bei Energieverlust genutzt, wird nur ein kleiner Teil der Energie aufgetankt. Die beste Möglichkeit, die Energieleiste zu verlängern, sieht so aus: Möglichst viele Areale von Gegnern säubern, bei Energieverlust keine grünen Heilmittel aufsammeln, den ganzen Weg zum Raumschiff zurückrennen (oder auf faire Teleporterpunkte hoffen), die nervigen First-Person-Sequenzen im Schiff überspringen, ins Bett legen, um die Energieleiste gratis aufzutanken, eine nervige Videosequenz anschauen, aus dem Raumschiff aussteigen, bei nicht vollständig aufgetankter Energieleiste diesen Prozess wiederholen und erst dann die Heilmittel in den Arealen aufsammeln, um die Energieleiste zu verlängern. Ähnlich umständlich sind die Waffenupgrades gelöst: Mit fortschreitender Spieldauer steigen zwar die Waffenlevel, doch man startet nach dem Tod mit Level 0 und öffnet man Waffentruhen vorschnell, erhält man dementsprechend nur schwache Knarren. Somit sollte man mit einer Anfangswaffe die meisten Areale eines Bioms von Gegnern säubern, um das „Finderlevel“ zu steigern und erst dann die Kisten öffnen, um von den höheren Waffenleveln zu profitieren. Immerhin beschleunigen die Übergänge in andere Biome den Fortschritt im jeweiligen Spieldurchlauf, doch warum muss man dazu umständlich durch Anfangsbiome rennen? Und warum werden Komfortfunktionen, wie das zuletzt erreichte Waffenlevel, nicht einfach in den nächsten Spieldurchlauf übernommen? Die Antwort könnte lauten: Returnal wäre zu kurz und zu einfach, wenn es wie ein „normales“ Spiel ablaufen würde.
Schon wieder abgestürzt
Obwohl ich fordernde Spiele wie „Sekiro“ oder „Cuphead“ ebenso liebe wie „Metroid“ oder „Hollow Knight“, ein Fan von „Super Probotector“ und „Gunstar Heroes“ bin und auch die Housemarque Shooter „Super Stardust HD“ und „Resogun“ ins Herz geschlossen habe, kann ich mit Returnal im derzeitigen Zustand kaum etwas anfangen. Für ein gutes Metroidvania ist der Spielumfang zu gering, für einen Rogue-like-Shooter sind die Neustarts nicht motivierend genug und die Story-Sequenzen erscheinen wie ein Anhängsel. Ließe sich Returnal als klassische Metroidvania-Kost genießen, dann könnte man zumindest der Erzählung von Anfang bis Ende ohne nervige Unterbrechung folgen. Umgekehrt kann Returnal gern ein bockschwerer Shooter sein, doch dann möchte ich die Möglichkeit haben, einzelne Gegner und Passagen gezielt zu meistern, anstatt durch die immer gleichen Neustarts ausgebremst zu werden. Statt Metroid-like mehrere Biome nacheinander durchwandern zu müssen, wäre es in meinen Augen besser gewesen, das Anfangsbiom in der ersten Spielhälfte zu transformieren, um die Laufwege (Biom 2 und 3) massiv einzuschränken und den Fokus noch besser auf die Kämpfe zu legen. Wenn man alles positiv sieht, was Entwickler Housemarque hier zusammengerührt hat, dann mag man vielleicht von einem neuen Genre sprechen, doch für mich ist Returnal im jetzigen Zustand den Aufwand nicht wert. In meinen Augen kommen Spieler, die den kaum vorhandenen Gameplay-Loop durchschauen, viel zu schnell ans Ende der Reise und finden danach kaum noch Überraschungen, während die meisten anderen Spieler einfach nur entnervt aufgeben dürften, um nicht noch mehr Lebenszeit zu opfern.
So oder so lautet mein Rat an andere Entwickler: Bitte nicht auf diese Weise nachmachen! Und jetzt entschuldigt mich: Ich habe noch eine unterhaltsame Coop-Runde in „Risk of Rain 2“ vor mir.
Bildquelle:
- df-returnal: Sony Interactive Entertainment