Keine Fußball-Übertragung ohne TV-Experten: Kahn und Kollegen geben sich bei der WM meist betont fachlich. Ein Neuling war die große Überraschung – und ist schon nicht mehr dabei.
Ohne externe Experten geht beim WM-Fernsehen offensichtlich gar nichts. Schon am ersten Tag der Fußball-Weltmeisterschaft gab es die geballte Expertise: Rund um das Eröffnungsspiel setzte die ARD auf drei externe Mitarbeiter gleichzeitig. Eingerahmt von den fröhlichen Moderatoren Matthias Opdenhövel und Alexander Bommes standen in einer Reihe: Hannes Wolf, Thomas Hitzlsperger und Stefan Kuntz.
Die meist ehemaligen Spieler und Trainer sind längst unverzichtbarer Bestandteil der Fußball-Übertragungen. Auffällig ausgeprägt ist das in diesem Jahr bei der ARD, die besonders stolz auf ihren Star-Experten Philipp Lahm zu sein scheint.
Der Weltmeister-Kapitän von 2014 musste nicht einmal ins Studio kommen, sondern durfte es sich in der Nähe seines Wohnortes am Tegernsee auf einem Sofa bequem machen – zumindest bei gutem Wetter. Zudem bekam Lahm mit Jessy Wellmer eine eigene Moderatorin zugeteilt.
Wozu der ganze Aufwand betrieben wird? Die Unterschiedlichkeit der Experten solle „dem Zuschauer einen Mehrgewinn bringen“, sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. „Und das geht nach vielen sehr positiven Rückmeldungen von Zuschauern und Medien auch auf.“
Mehr oder weniger elegant bewältigte Stefan Kuntz einen ungeplanten Interessenkonflikt. Der U21-Nationaltrainer sollte eigentlich „nicht für die deutsche Mannschaft eingesetzt“ werden, wie es bei der ARD vor der WM hieß. Am Tag nach dem überraschenden WM-Aus musste er dann doch über die wichtigste Mannschaft seines Arbeitgebers reden.
Kuntz sprach von „Wunden, in die man jetzt die Finger legen muss“ – tat es dann aber lieber doch nicht. Wirklich schmerzhaft war das ebenso wenig wie bei Lahm, dem EM-Botschafter des DFB. „Eine richtige Analyse dauert“, lautete einer von Lahms Kommentaren. Und: „Jeder Einzelne muss sich hinterfragen.“ Gilt das auch für TV-Experten?
Ein richtig frecher Ex-Spieler wie Mehmet Scholl ist bei dieser WM nicht mehr dabei. Der ehemalige Nationalspieler hatte bei zwei Confed-Cup-Übertragungen geschwänzt – der Vertrag wurde nach einem weiteren Wortgeplänkel nach neun Jahren aufgelöst.
Der ARD-Sportkoordinator vermisst Scholl „gar nicht“, wie er sagt. „Diese großartige gemeinsame Zeit ist vorbei.“ Einen kleinen Seitenhieb hat Balkausky aber doch noch parat. Das derzeitige ARD-Experten-Quartett, sagte er, sei „sehr meinungsstark, ohne zu verletzen – das macht mich besonders stolz“.
Tatsächlich sind die Externen von ARD und ZDF fast immer sachlich und fachlich. Und sie heben sich damit von einigen ehemaligen Spielern und Trainern ab, die für Medien ohne Bild-Rechte arbeiten und eher auf Krawall-Aussagen aus sind.
Als Entdeckung des Turniers gilt Christoph Kramer, der Neuzugang des ZDF. Der Weltmeister von 2014 zeigte an der Seite von Moderator Jochen Breyer ein gelungenes Debüt und wirkte im Laufe des Turniers immer mutiger. „Irgendwie passte es auf dem Platz mit der Chemie nicht richtig“, kommentierte der Mittelfeldspieler. Für Kramer ist die WM allerdings auch schon beendet – weil er sich mit Borussia Mönchengladbach auf die neue Saison vorbereiten muss.
Das ZDF setzt bis zum Ende der WM vor allem auf Oliver Kahn. Der frühere Welttorhüter verzichtet inzwischen darauf, ständig auf seine erfolgreiche Profi-Laufbahn hinzuweisen, und bildet mit Moderator Oliver Welke ein eingespieltes Duo, das zuweilen mit selbstironischen Ansätzen unterhält. „Gut, dass du dir die Fragen gleich selber beantwortest“, neckte Welke seinen Kollegen. Und Kahn monierte, dass Welke „über meine Antworten herzieht“.
ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann ist auf jeden Fall zufrieden. „Frühere oder aktive Sportler liefern vertiefende Analysen, die Fachjournalisten nicht leisten können“, sagte Fuhrmann: „Bestes Beispiel war das Zusammenspiel von Oliver Kahn und Christoph Kramer nach dem Deutschland-Aus.“
Umsonst arbeiten die Experten natürlich nicht. „Der hohe Wert für Publikum wie Programm spiegelt sich in den Vergütungen wider und richtet sich nach dem Marktwert“, heißt es bei der ARD. Die aktuellsten Zahlen stammen aus der Saison 2015/2016, als die Vergütungen für acht Sport-Experten insgesamt 1,2 Millionen Euro ausmachten. Beim Zweiten fehlt diese Transparenz. „Aus Wettbewerbsgründen nennen wir keine Zahlen“, heißt es beim ZDF.
[Michael Rossmann]
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