ZDFneo: „Im Keim schon crossmedial“

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Bild: Destina - Fotolia.com
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ZDFneo gilt als Labor, in dem junge Formate ausprobiert werden können. Eigenproduktionen gehören zur Senderstrategie. Neo wird in diesen Tagen fünf Jahre alt, aber offensichtlich nicht müde. Im Interview verrät Senderchefin Simone Emmilius, was ZDFneo ausmacht und warum man kein HBO ist.

Der Spartenkanal ZDFneo gilt als Versuchslabor der Öffentlich-Rechtlichen. In seinen ersten fünf Jahren seit der Gründung hat der Sender mehr als 70 Formate auf den Bildschirm gebracht, wie Senderchefin Simone Emmelius in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa sagt. „Natürlich ist da nicht alles Grimme-Preis-verdächtig oder -gekrönt. Aber nur so kommt man weiter.“

Frau Emmelius, der öffentlich-rechtliche Jugendkanal soll nun doch nur ein reines Online-Angebot werden. Ist das für Sie eine glückliche Fügung? Entsteht eine Nische für ZDFneo als Jugendsender?
 
Simone Emmelius: Der Auftrag für ZDFneo bleibt durch diese Entscheidung unverändert. Wir fokussieren eine Zielgruppe zwischen 25 bis 49. Der Jugendkanal ist darauf ausgerichtet, die Lücke zwischen KiKA und ZDFneo als Angebot des ZDF zu schließen. Und ich denke, diese Aufgabenstellung bleibt für das neue Jugendangebot unverändert bestehen. Die Herausforderung für ARD und ZDF ist nun, wie man dieses Angebot gestaltet.
 
Was wird da im Mittelpunkt stehen?
 
Emmelius: Eines ist ganz sicher: Online und Social Media sind wichtig, um jüngere Zuschauer zu erreichen. Das merken wir bei ZDFneo. Das gilt auch für unsere Zielgruppe. Beim „Neo Magazin“ mit Jan Böhmermann erfolgt die Nutzung zu 20 Prozent über die Mediathek. „Normal“ im Fernsehen sind 2 Prozent Online-Nutzung. Das „Neo Magazin“ ist im Keim schon crossmedial. Jan Böhmermann ist in den Social-Media-Bereich unglaublich aktiv und verankert. Oft bauen seine Fernseh-Inhalte auf Content aus dem Internet. Wenn man sich beispielsweise eine Rubrik anschaut wie „Prism is a Dancer“…
 
Da geht es um Datenschutz im Netz.
 
Emmelius: Es werden einzelne Zuschauer aus dem Publikum im Vorfeld ausgewählt, ihre Spuren im Internet recherchiert und das Ergebnis kommt in die Show. Das ist ein schönes Beispiel, das den Anspruch von ZDFneo illustriert, eben auch gesellschafts- und sozialpolitisch am Puls der Zeit zu sein. Also nicht einfach zu sagen: „Das ist alles super!“, sondern auch auf Gefahren oder Probleme aufmerksam zu machen. Auf eine spielerische und an dieser Stelle entlarvende Art und Weise.
 
Sie haben eine große Spanne: Auf der einen Seite Böhmermann. Den mögen Teenager. Auf der anderen Seite haben Sie mit „Inspector Barnaby“ ein sehr erfolgreiches Produkt, das eher Ältere anzieht. Ist der Plan, mal mehr auf die 25 als auf die 49 zu gehen? Oder wollen Sie auf Dauer bei dem Spektrum bleiben? Haben Sie eine Art Roadmap?
 
Emmelius: „Barnaby“ erreicht bei ZDFneo regelmäßig ungefähr 250 000 bis 300 000 Zuschauer im Alter von 14 bis 49 Jahren. Bei Sendern wie Sixx oder Nitro liegen die erfolgreichsten Sendungen für 14 bis 49 in der gleichen Größenordnung. Der Unterschied ist nur, dass „Barnaby“ darüber hinaus noch weitere Zuschauer erreicht, die älter sind. Aber bezogen auf die Roadmap von ZDFneo ist natürlich die Frage: Was ist das, was Neo selber und anders machen kann als beispielsweise auch das große ZDF.
 
Und das wäre?
 
Emmelius: Mit eigenen Angeboten die Befindlichkeiten und Lebenswirklichkeiten unserer Zielgruppe einzufangen, sie authentisch und auch sehr konsequent in den Fokus zu nehmen. Es geht um die ganz großen Themen unserer Zeit, die wie ein Elefant im Zimmer stehen. Asyl, Rassismus, wie gelingt es uns, einen Berg in Brocken zu zerlegen, die jeder anheben kann? Ich glaube, dass uns da an einigen Stellen was gelungen ist.
 
Wo?
 
Emmelius: Wir haben angefangen mit Manuel Möglich und „Wild Germany“, mit „Herr Eppert sucht“. Wir haben Factual Entertainment als Genre für das ZDF entwickelt, das gab es zuvor nur bei den Privaten. Nun spitzen wir das Genre weiter zu, in Richtung Social Factual. Mit Formaten wie „Auf der Flucht“, „Ausgekokst – mein Drogentrip“, „Der Rassist in uns“ und den Themen Asyl, Diskriminierung und Sucht. Der Ansatz dabei ist, Leute aus unserer Altersgruppe zu treffen, sie zu Protagonisten zu machen und anderen ihre Erlebnisse nachvollziehbar zu machen. Ihnen zu zeigen, was tatsächlich im Keim drinsteckt.
 
Sie werden Mitte November eine neue Serie an den Start bringen – „Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!“. Es gab vor etwa 15 Jahren in den USA einen recht kleinen Sender, der auch eine Serie über eine Bestatterfamilie entwickelte. Der hieß HBO – und heute gilt das als die beste Serien-Fabrik Amerikas. Wollen Sie das deutsche HBO werden und den Rest der Fernsehlandschaft vor sich hertreiben?
 
Emmelius: Die Vorstellung gefällt mir. Auf der anderen Seite muss man mit solchen Vergleichen ganz vorsichtig sein. Abgesehen davon: HBO gibt’s ja. Aber der Anspruch ist schon: Kontinuierlich und konsequent Neues zu entwickeln. Und das auch in unterschiedlichen Genres. Beziehungsweise innerhalb der Genres neue Akzente zu setzen. Im Bereich der großen, breiten Shows müssen wir auch in realistischer Bemessung unserer Kräfte sagen: Da konzentrieren wir uns auf das Segment Late-Night und Talk. Aber da dann engagiert und ambitioniert mit Projekten wie „Kessler ist…“, „Kuttner plus Zwei“ und natürlich dem „Neo Magazin“.
 
Gibt es neue Projekte beim Thema Fiction?
 
Emmelius: Wir entwickeln gerade eine Gefängnis-Sitcom mit dem Titel „Der Knast“. Da wird es darum gehen, in der sehr konzentrierten Umgebung eines Gefängnisses die Realität draußen aus dem Blickwinkel der Knast-Insassen zu spiegeln und zu brechen. Da ist uns eine wirklich tolle Besetzung mit Denis Moschitto, aber auch Martin Semmelrogge gelungen. Wir fangen jetzt im November an in Berlin zu drehen. Weitere fiktionale Projekte sind der TVLab-Gewinner 2014 „Blockbustaz“ mit Eko Fresh und die Polit-Satire „Hajo Eichwald“. Bis hin zu dem ambitioniertesten Projekt, einer eigenen Dramaserie, die wir für nächsten Herbst in Angriff nehmen. An dieser Stelle kann ich allerdings noch nicht mehr dazu verraten.
 
Wo kommen Ihre Vorbilder her? Aus den USA?
 
Emmelius: Natürlich gibt es da noch andere. Die Kür ist, Impulse aus der Umwelt aufzunehmen und etwas Eigenes zu entwickeln. Ich kann mich an kein vergleichbares Projekt wie den „Knast“ erinnern. Impulsgeber sind immer wieder die Amerikaner, immer wieder die Briten, die Skandinavier, in den letzten Jahren zunehmend die Israelis. Den israelischen Markt beobachte ich schon sehr lange. „Kessler ist…“ liegt beispielsweise ein israelisches Format zugrunde.
 
Sie haben eine Reihe von eindrucksvollen Projekten vorzuweisen. Sind Sie das Labor des deutschen Fernsehens?
 
Emmelius: Das müssen andere beurteilen. Was ich sagen kann, ist, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten extrem viel ausprobieren. Wir haben in den fünf Jahren unserer Geschichte über 70 Formate entwickelt und auf den Bildschirm gebracht. Das ist eine riesige Anzahl für so einen kleinen Sender. Natürlich ist da nicht alles Grimme-Preis-verdächtig oder -gekrönt. Aber nur so kommt man weiter.
 
Sie werden am 1. November fünf Jahre alt. Was wünschen Sie sich zum 20. Geburtstag? Wie viele Zuschauer wollen Sie im Jahr 2029 haben?
 
Emmelius: Das ist ganz schwer vorherzusagen, weil sich dieser Markt immer weiter fragmentiert. Aber wenn es uns gelingt, diese Rolle des Impulsgebers aufrechtzuerhalten, unsere eigene Handschrift zu setzen und mit eigenen starken Marken im Bewusstsein unserer Zielgruppe präsent zu sein, dann ist uns ganz, ganz viel gelungen. Und wenn es uns dazu noch gelingt, unsere Zielgruppe wieder zu erneuern und nicht mit unserer Zielgruppe alt zu werden, wäre ich mehr als glücklich. Das wäre so ein Wunsch für den 20. Geburtstag.
 
Wo sehen Sie denn die Risiken für die nächsten Jahre? Wodurch fühlen Sie sich bedroht?
 
Emmelius: „Bedroht“ gehört nicht zu meinem Vokabular. Aber es gibt natürlich ernstzunehmende Konkurrenz: die wie aus dem Boden schießenden weiteren Sender und vielfältigen Angebote, die diesen Markt immer unübersichtlicher machen.
 
Sie sprechen von Streamingdiensten?
 
Emmelius: In dieses Portfolio gehören alle mit herein, natürlich auch die Streamingdienste. Deswegen ist mir auch so wichtig, ZDFneo zum zuverlässigen Anlaufpunkt für diese Zielgruppe zu machen. Je mehr sich dieser Markt aufsplittet und je unzuverlässiger er für den Einzelnen wird, je weniger sortiert, umso problematischer und schwieriger wird es, bei den Leuten zu landen. Das ist die ganz große Herausforderung, die ich sehe. Jetzt müssen wir das verankern, damit es in fünf, in zehn, in zwanzig Jahren noch wirkt.
 
Sind Sie denn von dem Sparkurs beim ZDF auch getroffen?
 
Emmelius: Davon sind wir alle betroffen. Das ist eine Diskussion um Priorisierung, die wir alle in unserem Unternehmen führen müssen, auch in dem Bewusstsein, dass die Rolle von ZDFneo gesehen und gewürdigt wird.
 
Vielen Dank für das Gespräch.[Interview: Christof Bock/chp]

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