Der Spartenkanal ZDFkultur sieht sich als Spiegelbild eines veränderten Lebensgefühls und Kulturverständnisses. DIGITAL FERNSEHEN stellt das im Mai neu aufgestellte Konzept im Rahmen der Rubrik „Spartensender der Woche“ näher vor.
„In zehn Jahren wird es keinen Unterschied mehr zwischen dem Bewegtbild im Internet und im Fernsehen geben“, erklärt ZDFkultur-Koordinator Daniel Fiedler gegenüber DIGITAL FERNSEHEN. Im Gegenteil: Die beiden Medien würden immer mehr miteinander verschmelzen. Das sei einer der Gründe, warum der Spartenkanal ZDFkultur einen Schwerpunkt auf Crossmedia lege.
Einen jungen Kanal ohne Crossmedia aufzubauen, funktioniere gar nicht, erklärt Fiedler im Gespräch mit unserem Portal. Das Konzept Internet für das Fernsehen nutzbar zu machen – und umgekehrt – scheint dabei wie auf die Marke ZDFkultur zugeschnitten. Es gehe um die Kommunikation und Interaktion mit dem Zuschauer. Die Vernetzung von Internet und TV wird so zu einer wichtigen Säule des Spartenkanals ZDFkultur, der am 7. Mai aus dem ZDFtheaterkanal hervorging.
Mit dieser medienübergreifenden Ausrichtung spricht der Digitalkanal auch genau die gewünschte Zielgruppe an. Jene Jungen (oder Junggebliebenen), die sich im Medium Internet sicher bewegen, die Twitter von IM unterscheiden können und für die „Popkultur“ nicht bei den Mainstream-Charts der Woche aufhört, finden bei ZDFkultur eine neue Heimat. Denn auf diesem Kanal, so der Programmchef, werden die Grenzen zwischen Hoch- und Popkultur gesprengt. Der Fokus liegt dabei nicht etwa auf abgedroschenen Musikvideos, sondern darauf, eine Szene zurück ins Fernsehen zu holen, die dort schon lange nicht mehr stattgefunden hat: Popkultur.Ernstes Musik-Fernsehen und kein Viva-Abklatsch
Und damit ist man auch schon beim Hauptbestandteil des Programms von ZDFkultur angekommen. Mit zehn Musiksendungen sowie zahlreichen Live-Übertragungen von Festivals wie Hurricane, Glastonbury, Roskilde oder Wacken ist der neue Kultursender eher musiklastig. Einerseits soll damit ein Raum für „ernstes Musik-TV“ geschaffen werden, andererseits ist es ein Mittel, um auch junge Zuschauer anzulocken. „Es war eine unserer Hauptaufgaben, ein Programm zu schaffen, das junge Menschen für Kultur interessiert“, erklärt Fiedler.
Wer nun an einen billigen MTV- oder Viva-Abklatsch denkt, liegt jedoch vollkommen falsch. ZDFkultur will Künstlern aller Art eine Bühne bieten – ganz unabhängig von der Gattung. Von Indie-Rock über Heavy Metal, Hip Hop, Jazz bis hinzu Oper soll jeder seinen Platz im Programm des Digitalkanals finden. „In Großbritannien steht so etwas auf der Tagesordnung“, verdeutlicht der Programmchef den Anstoßgedanken dahinter. „Hierzulande findet so etwas so gut wie gar nicht mehr statt“.
Die Vielfalt der Darstellungen reicht auf dem neuen Kultursender dabei von Live-Mitschnitten wie bei „zdf@bauhaus“ und „Live From Abbey Road“ über Musik-Talkshows wie „TV Noir“ und „… With Hope!“ bis hin zu Studioaufnahmen wie in den britischen Formaten „Jukebox London Live“ und „From The Basement“. Ist ZDFkultur dann Musik-Fernsehen?
Nein. ZDFkultur tanzt nicht nur nach der Nase der Musik, sondern wagt sich auch auf das Parkett der Literatur, wildert in politischen, sozialen und gesellschaftlichen Gefilden und rast auf der Datenautobahn in die Untiefen der Netzkultur, findet Fiedler. So setzt der Digitalkanal Akzente mit Experimenten wie dem „Poetry-Slam“, bei dem die besten deutschsprachigen Slampoeten im Dichten messen, mit Klassikern in der ZDFkult-Strecke, wo Archiv-Highlights wie „Dalli Dalli“, „Disco“ oder „Der Bastian“ wieder ausgekramt werden, oder mit literarischen und philosophischen Quartetten.
Wichtig sind dabei immer der Zuschauer und die Interaktion mit dem Zuschauer. Der Digitalkanal experimentiert auch in dieser Richtung und bot zum Beispiel einen Live-Chat während der Live-Übertragung des Hurricane-Festivals an, der rege genutzt wurde. Vollkommen überwältigt war Daniel Fiedler von der Resonanz auf das Musikmagazin „On Tape“. In diesem können sich die Zuschauer via Live-Chat direkt an der Sendung beteiligen. „In der ersten Sendung haben die Anfragen im vierstelligen Bereich gelegen. Die Server standen kurz vorm Zusammenbruch“, erzählt der Programmchef mit ein wenig Stolz in der Stimme. Damit habe keiner gerechnet.Polarisierend und verspielt – die Marke ZDFkultur
Prägend für die Marke ZDFkultur ist das neue Format „Der Marker“, der nicht nur ein mehrmediales Kulturformat darstellt, sondern auf gewisse Weise alles vereint, wofür ZDFkultur steht: „Der Marker“ ist „subjektiv, polarisierend und inszeniert Kultur auf spielerische Weise“. Das 15-minütige tägliche TV-Magazin, das sich mit gesellschaftlich relevanten Themen aus der Alltags- und Popkultur auseinandersetzt und dabei die Grenzen von TV- und Internet überschreitet, ist nur ein Teil des Konzepts.
Im „Marker“ wird das Netz neben Quelle gleichzeitig zum Verbreitungsweg und Kommunikationszentrum. Ob Themen, die verstärkt auch im Netz gefunden werden, im Magazin verarbeitet werden oder nur auf der Webseite, in Social-Media-Angeboten oder auf anderen Online-Plattform auftaucht, wird individuell festgelegt. Gleichzeitig wird der Zuschauer in das Format mit eingebunden über Chats und den „Marker“-Blog. „Hier werden sowohl Beiträge fürs Netz aufgearbeitet als auch Dialoge mit den Zuschauern geführt“, beschreibt der Programmchef das Konzept des bimedialen Formats. „Aber das steckt alles noch in den Anfangsschuhen“.
DIGITAL FERNSEHEN stellt Ihnen an dieser Stelle regelmäßig Spartensender aus der TV-Landschaft vor. Den zweiten Teil zum Digitalkanal ZDFkultur lesen Sie hier. Ein Portrait des ZDFkultur-Programmchefs Daniel Fiedler folgt am Dienstag (28. Juni). Sein Resümee zum ersten Monat des Senders können Sie hier nachlesen.Die Spartensender der Woche im Überblick
[Jana Skoupy]
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