„Wendehammer“: „Tatort“ zwischen High-Tech und Spießbürgertum

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Bild: Destina - Fotolia.com
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In seinem vierten Fall geht das Frankfurter „Tatort“-Duo Janneke und Brix einem Mordverdacht in einer Einfamilienhaus-Siedlung nach. Der anspielungsreiche „Wendehammer“ bietet dabei zwischen IT und Spießertum jede Menge Humor.

Krimi-Schriftstellerin Betti Graf ist sich sicher: Ihr lebenslustiger Nachbar Abendroth wurde umgebracht – und zwar von einem anderen Nachbarn. Der Täter Nils Engels sei „ein wirklich böser Mensch“, versichert sie den Frankfurter „Tatort“-Kommissaren. Weil Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) gerade nicht wirklich viel zu tun haben, gehen sie dem Verdacht der Schriftstellerin in der Einfamilienhaus-Siedlung nach. Die liegt in einer Sackgasse. „Wendehammer“ heißt daher der „Tatort“ des Hessischen Rundfunks, den das Erste an diesem Sonntag um 20.15 Uhr zeigt. Broich wurde dafür bereits mit dem Hessischen Film- und Kinopreis in der Kategorie „Beste Schauspielerin“ ausgezeichnet.
 
IT-Super-Spezialist Nils Engels wirkt in der spießigen Vorstadtsiedlung wie ein futuristischer Fremdkörper. Das Haus seiner verstorbenen Oma hat er zu einer cleanen High-Tech-Festung ausgebaut. Er hält sich Besucher mit Strom vom Leib, hat mit „Cassie“ seine persönliche Computer-Assistentin entwickelt und trägt bionische Kontaktlinsen. Mit seinen Algorithmen kann er den Strom in ganz Frankfurt lahm legen. Als die Kommissare bei ihm klingeln, erscheinen sofort ihre Lebensläufe auf einem seiner vielen Bildschirme.

Engels‘ Nachbarn machen den jungen Mann für das Verschwinden mehrerer Katzen und Hunde verantwortlich. „Seit der Engels hier wohnt, geht es rund“, sagt der Vater eines Jungen, der um seine von Engels tot getretene Schildkröte trauert. Da scheint es nahe zu liegen, dass das Verschwinden von Abendroth (Joachim Bißmeier) auch auf Engels Konto geht.
 
Der Lebemann ist zunächst tatsächlich spurlos verschollen – wie sein Teppich. Darin habe ihn der Mörder eingerollt, ist die Krimi-Autorin (klasse gespielt von Cornelia Froboess) überzeugt. Als die Kommissare auf der Suche nach Abendroths Leiche den ungewöhnlichen Müll von Engels durchsuchen, stellt Kommissar Brix aber fest: „Hier ist nicht einmal ein Finger.“
 
Solche Situationskomik, skurrile Szenen, zahlreiche Zitate aus bekannten Filmen und eine Reihe von Tieren machen das Außergewöhnliche des unterhaltsamen und witzigen „Tatorts“ aus. Dazu kommen die seltsamen Typen aus dem Wendehammer. „Man traut denen auf einmal alles zu“, beschreibt sie Schauspielerin Broich. Die mitunter mit Anspielungen und Verschwörungstheorien etwas überladene Handlung gerät dagegen in den Hintergrund.
 
Zu den Wendehammer-Anwohnern gehört auch die kapriziöse Opern-Diva Olga (Susanne Schäfer), die mit ihrer Stimme – wie Oskar Matzerath in die „Blechtrommel“ – Gläser zerspringen lässt. Plötzlich aufflatternde Tauben im Polizeipräsidium erinnern an Hitchcock, eine weiße Eule hoch oben auf einer Laterne an „Harry Potter“. Und Jannekes Barfuß-Tanz auf der Geburtstagsparty von Brix‘ Freundin Fanny lässt die Zuschauer ein wenig an Uma Thurman in „Pulp Fiction“ denken.
 
Broich nennt noch andere Besonderheiten des gelungenen „Tatorts“: „Er ist komisch geschnitten, die Musik ist merkwürdig eingesetzt, es sind seltsame Perspektiven.“ Außer den Wendehammer-Anwohnern spielen noch Nils Schwester Diana – wie er hochbegabt – und sein lässiger Geschäftspartner Daniel (Constantin von Jascheroff) zentrale Rollen in der Geschichte, die schließlich doch nicht ohne eine Leiche auskommt.
 
„Wendehammer“ verknüpft auf ironische Art weltweite Cyber-Verschwörungstheorien mit dem Alltäglichen der analogen Welt. So fürchtet sich der außergewöhnlich begabte IT-Spezialist Engels nicht nur vor einer übermächtigen Firma aus dem Silicon Valley, sondern auch vor ganz normalen Tieren. Als wirklich gefährlich erweisen sich im Hickhack der Nachbarn zudem ganz gewöhnliche Laubbläser.
 
Gegenseitiges Misstrauen, das die Ermittler im zweiten und dritten Fall aufgrund ihrer schillernden Vergangenheit an den Rand von Zerreißproben brachte, sind überwunden. Die Kommissare sind in ihrem vierten Fall ein eingespieltes Team und wissen mit den Eigenheiten des anderen umzugehen. Das macht neugierig auf den fünften Fall, der bereits am 8. Januar („Land in dieser Zeit“) ausgestrahlt wird.

[Ira Schaible/buhl]

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2 Kommentare im Forum
  1. Fand den Tatort ganz ok. Nur diese stromgesicherte Wohnanlage wäre garantiert nicht zulässig in einer Stadt.
  2. Doch, äusserlich lag ja kein Strom an. Aber mit den 12V war absolut Käse. Normal hat man bei einem harmlosen Weidezaungerät schon weit über 1000V anliegen. 12V merkt man überhaupt nicht außer mit der Zunge. Bei der Szene mit dem Auge in der Pathologie musste ich lachen.
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