Wohl noch nie hat es so viele Serien und Filme für Teenager und Heranwachsende gegeben. Treiber sind Videoplattformen. Aber auch die klassischen TV-Sender setzen zunehmend auf den „Coming of Age“-Trend.
Das Leben als Teenager ist schon hart genug. Umso härter ist es, wenn es sich in einem Jugendgefängnis in Neapel abspielt. So wie in der italienischen Serie „Mare Fuori“, die auf der weltgrößten TV-Messe Mipcom in Cannes beim deutschen Vertrieb Beta viel Interesse fand. Das gilt auch für „Wild Republic“: Die Serie um junge Straftäter, die in den Alpen eine erlebnispädagogische Tour antreten müssen, die ganz anders als geplant verläuft, soll ein Highlight der Telekom-Mediathek, aber auch in anderen Ländern werden. Die Autoren verfassten schon das Drehbuch zu „Club der roten Bänder“.
Die Neuauflage von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist zwar noch in Produktion, wird aber sicher im nächsten Jahr in Cannes bei den internationalen Einkäufern ebenfalls Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die wahre Geschichte um eine heroinabhängige 14-Jährige in Berlin war bereits Anfang der 80er Jahre in Deutschland ein Kinoerfolg.
Drogensucht ist auch ein wichtiges Thema für die 17-jährige Rue Bennet, Heldin der hochgelobten US-Serie „Euphoria“, die seit dieser Woche auf dem Pay-TV Sender Sky-Atlantic läuft (DF-Artikel vom Vortag). Wegbereiter in diesem Genre war die skandinavische Reihe „Skam“ (schwedisch für „Schande“), die eine Gruppe Mädchen beim Partybesuch begleitet und in sämtliche wichtige Medienmärkte exportiert wurde. In Deutschland war sie unter dem Titel „Druck“ bei ZDFneo und der Mediathek der Mainzer zu sehen.
„Viele dieser Programme sind online gestartet und dann später auf den klassischen Sendern ebenfalls ausgestrahlt worden“, sagte Candice Alessandra vom französischen Marktforschungsunternehmen Eurodata der Deutschen Presse-Agentur. „Von der Atomsphäre her werden diese Inhalte dunkler, dramatischer, komplexer, also keine High-School-Musical-Geschichten mehr.“Mipcom Messe-Schwerpunkt Soziale Netzwerke
Die Messe zeigte ebenfalls deutlich, dass dieser Schwerpunkt auch für die Social-Media-Plattformen, die alle auch an der Cote d’Azur vertreten waren, interessant ist. Mehr als 140 Millionen Menschen nutzen täglich Facebook Watch. Der Kölner Produzent Wolfgang Link hatte bereits zuvor ein Format erworben, das er jetzt als Instagram-Serie produziert. Das nächste Projekt um die intimen Geheimnisse einer Schülergruppe ist bereits in Vorbereitung. „Sexuelle Orientierung, Positionierung in der Gesellschaft, Sinnfindung – solche Themen sind für die junge Generation lebensbestimmend“, erklärt Link.
Wie sich Themen über die sozialen Netzwerke verbreiten und verselbstständigen, habe zuletzt die „Fridays for Future“-Bewegung eindrucksvoll gezeigt. Der Medienwissenschaftler Hans Jürgen Wulff bewertet diese Bewegung zwar als „kollektive Hysterie“, aber auch als „identitären Prozess“, gespeist aus existenziellen Ängsten vor der Zukunft, die nicht nur die Umwelt, sondern die ganz eigene individuelle Situation betrifft: „In einer Welt des Neoliberalismus, die in allen Bereichen auf Ausbeutung setzt, ist es das Gefühl der Ohnmacht, gegen das sich der Protest letztlich richtet.“
Diese düstere Beklommenheit prägt auch die Inhalte für die jungen Erwachsenen. Die Geschäftsführerin der Film und Medienstiftung Petra Müller, die zahlreiche dieser Stoffe fördert, bestätigte in Südfrankreich diesen Trend: „In Zeiten von Greta Thunberg und „Stranger Things“ könnte man auf die Idee kommen, dass die Perspektive der jungen Generation nicht mehr nur für Gleichaltrige relevant ist, sondern den gesamtgesellschaftlichen Diskurs antreibt.“
Denn die Bindung der jungen Zielgruppe stehe nicht nur in den Medien, sondern auch in der Politik ganz oben auf der Agenda. Was die klassischen Fernsehsender angeht, so gab Produzent Oliver Berben an der Cote d’Azur zu bedenken, komme es darauf an, wie sie mit dem Inhalt des Programms umgehen und welches Publikum sie anpeilen:
„Einfach junge Protagonisten in vermeintlich jungen Geschichten zu besetzen – so einfach wird das nicht funktionieren.“
Der Münchner, der zurzeit für Amazon „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ verfilmt, ist sich sicher: Die Zielgruppen müssen in einer Zeit mit unzähligen Inhalte-Angeboten mehr als je zuvor stärker definiert werden und ganz gezielt über bestimmte Auswertungskanäle angesprochen werden:
„Das wird für alle eine der wichtigsten Hauptaufgaben in Zukunft werden.“[Wilfried Urbe]
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