Waldemar Hartmann kann sicher als Kultfigur im deutschen Sportjournalismus gelten. Mit seinem eigensinnigen Interviewstil machte sich „Waldi“ nicht nur Freunde, traf jedoch oft ins Schwarze. Jetzt wird Hartmann 65 und veröffentlicht seine Biografie mit dem Titel „Dritte Halbzeit“. Im Interview spricht er über seine Arbeit als Fußballjournalist und über sein Aus bei der ARD.
Herr Hartmann, Sie bringen jetzt ihre Biografie auf den Markt – warum?
Waldemar Hartmann: Einige haben erwartet, dass jetzt die große Abrechnung kommt. Ich habe die Plakate zu dem Buch gesehen, auf denen steht: „Der Kultmoderator packt aus“. Da ist wohl dann eher der Koffer gemeint, wenn ich zu einer Lesereise fahren. Allerdings schildere ich schon die Umstände, wie es gelaufen ist mit dem Ende von „Waldis Club“ und der Nicht-Verlängerung des Box-Vertrages. Das bin ich mir schuldig gewesen – auch für meine eigene Hygiene. Ich würde nicht so weit gehen, ich musste mir das von der Seele schreiben – so sensibel bin ich nicht. Aber Hauptsache dieses Buches ist, zu unterhalten mit einem Blick hinter die Kulissen des Sportjournalismus.
Das Buch kommt jetzt zu Ihrem 65 Geburtstag raus. War das so geplant?
Hartmann: Nein, eigentlich nicht. Ich habe den Vertrag mit dem Heyne-Verlag schon seit drei Jahren. Eigentlich war das Buch für 2014 geplant. Bis dahin wollte ich ja noch im Fernsehen sein. Meine Vorstellung war: Ich mache das bis 2014 und werde dann mit einer Blaskapelle verabschiedet. Es kam dann anders und der Verlag hat mich gefragt, ob ich das auch schneller schaffe. Das Eisen ist heiß, nie stand der Bock so schön auf der Lichtung.
In Ihrem Buch entsteht der Eindruck, Sie könnten Kritik an sich und Ihrer Arbeit einfach abprallen lassen. Ist das wirklich so?
Hartmann: Man nimmt sich das vor, aber jeder Mensch ist in irgendeiner Art verletzlich und lässt nicht gerne alles über sich auskübeln. Natürlich lese ich lieber etwas Positives über mich als etwas Negatives. Aber ich war zu lange in dem Geschäft, als dass ich mir bei jeder Kritik ein Magengeschwür holen wollen würde. Die Zuschauer von „Waldis Club“ haben das gerne gesehen, wer es nicht sehen wollte, war ja nicht vorm Fernseher angekettet – und ich habe nie den Anspruch gehabt, Literarisches Quartett für die Südkurve zu machen. Allerdings sind wir, wenn es beim Länderspiel nicht so gut gelaufen ist, schon fachlich rein in die Weichteile. Da waren wir manchmal härter als die so hochgepriesenen Experten vorher.
Ihre journalistische Arbeit – im Sport oder auch vorher in der bayerischen Landespolitik – war stark geprägt von persönlichen Beziehungen. Sie hatten freundschaftliche Beziehungen zur Familie Strauß, als Fußball-Journalist wurde Ihnen immer wieder Kumpanei vorgeworfen. Große Nähe macht einen Journalisten angreifbar…
Hartmann: Das ist so eine graue Theorie, die in den Journalistenschulen gelehrt wird. Wenn Sie sich die Praxis anschauen, den Berliner Betrieb zum Beispiel, dann stellen Sie fest, dass die Leute da auch in Hinterzimmern sitzen mit schwerem Rotwein und sogenannte Hintergrundgespräche führen. Und in meinem Fall: Fußball ist nichts Staatsgefährdendes. Wir reden immer noch über Sport.
Glauben Sie, Ihre Art, Sportjournalismus zu betreiben, hatte Vorbildcharakter?
Hartmann: Es gab im Sport immer diese kleinen Nischen für Kabarettisten. Elke Heidenreich hat als Else Stratmann die Olympischen Spiele von 1988 kommentiert. Dieter Hildebrandt hat sich satirisch zum Sport geäußert – und Dieter Nuhr auch. Das waren dann aber immer nur einige Minuten in einer Sendung. Mit Harald Schmidt zusammen – und später in „Waldis Club“ habe ich das dann ausgebaut, meistens mit Matze Knop. Eine Promi-Nase, Fußballer und ein Moderator – das war das Organigramm. Und das hat funktioniert. Schauen Sie sich zum Beispiel an, was Markus Lanz macht. Er hat immer wieder Fußball-Runden da – diese Woche mit Béla Réthy, Dieter Kürten, Lars Ricken – und Matze Knop. Wenn das, was ich da sechs Jahre lang gemacht habe, so unerträglich war, dann würden man es ja jetzt nicht kopieren.
Sie hatten Gelegenheit, den deutschen Sportbetrieb sehr intensiv kennenzulernen. War es früher leichter, Sportjournalist zu sein als heute?
Hartmann: Es kommt drauf an. Die 90-Minuten-Kommentierung hat sich nicht verändert. Sie ist vielleicht sogar leichter geworden für den Kommentator, weil es dank Internet heute viel leichter ist, an Informationen zu kommen. Mit den Fußballern zu reden, ist schwieriger geworden, weil es nur noch glatt gebürstete Antworten gibt. Da laufen 16-jährige Spieler schon mit einem Berater rum – und der schützt die, damit die bloß nichts Dummes sagen. Da kommst Du heute ja gar nicht mehr ran. Ich glaube, Fußballer und Journalisten hatten früher eine schönere Zeit, weil man lockerer miteinander umgehen konnte.
Vermissen Sie das Fernsehen?
Hartmann: Ach, ich bin seit 35 Jahren dabei gewesen, habe viele kommen und noch mehr gehen sehen. Ich hab ja gewusst, dass Fernsehen endlich ist. Ich hab wunderbare Zeiten erlebt und wusste immer, dass irgendwann Schluss ist. Bei mir ging es ja nur noch um ein Jahr. Dazu ist es dann nicht mehr gekommen, aber ein Leben ohne Fernsehen war für mich schon lange vorstellbar. Das heißt ja nicht, dass ich nichts mehr tue. Mit meinem Programm „Born to be Waldi“ stehe ich noch auf der Bühne und ich bekomme Angebote, hier und da eine Gala zu moderieren, weil die Leute sagen: Der hat jetzt Zeit.
Vielen Dank für das Gespräch. Archiv
[Interview:Britta Schultejans/ps]
Bildquelle:
- Inhalte_Fernsehen_Artikelbild: Destina - Fotolia.com