Versuchsballon: Schweiz kehrt mit „Tatort“ „Wunschdenken“ zurück

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Schokolade und Käse dürften die populärsten Schweizer Exportgüter sein. Krimis gehören nicht unbedingt dazu. Und als vor neun Jahren die Schweiz aus dem ARD-„Tatort“-Ensemble ausschied, hielt sich der Abschiedsschmerz in Grenzen. Jetzt das Comeback.

Die Schweiz will wieder mitmischen: An diesem Sonntag (14. August) um 20.15 Uhr hat mit „Wunschdenken“ ein neuer „Tatort“ aus der Alpenrepublik Premiere. Und wer den Bodensee-„Tatort“ kennt, wird hier einem alten Bekannten wieder begegnen. Stefan Gubser (54) ist der Reto Flückiger, der sich manchmal schon in die Arbeit von Klara Blum (Eva Mattes) einbrachte. „Wir haben in einem kleinen Land wie der Schweiz nicht so viele Schauspieler für einen überzeugenden ‚Tatort‘-Kommissar“, sagt Peter Studhalter, Bereichsleiter Fiktion beim Schweizer Fernsehen und vor zwei Jahren von RTL in seine alte Heimat übergewechselt. „Und Gubser als Flückiger hat bewiesen, dass er extrem gut funktioniert.“
 
Der erste „Tatort“-Anlauf nach 2002 verlief jedoch holprig. Der für den April geplante Ausstrahlungstermin für „Wunschdenken“ platzte. Die Geschichte, die in Luzern spielt, sei kompliziert erzählt, enthalte Klischees und lasse lokale Atmosphäre vermissen, sagte die Kulturchefin des Schweizer Fernsehen, Nathalie Wappler, vor einigen Monaten.

Die aus der US-Serie „CSI: Miami“ bekannte Schauspielerin Sofia Milos hielt Wappler außerdem neben Hauptdarsteller Stefan Gubser für ungeeignet. Der Krimi wurde überarbeitet, noch einmal synchronisiert, es gab auch Nachdrehs. Nach der heftigen Kritik soll Delia Mayer die neue Kommissarin an Reto Flückigers Seite werden. Regisseur Markus Imboden zeichnete weiterhin für die Folge verantwortlich.
 
Imboden wahrte Gelassenheit: „Ich fand den Film schon in seiner ersten Version ganz okay“. Hauptdarsteller und Ko-Produzent Stefan Gubser sagt: „Auch hier macht uns stärker, was uns nicht umwirft.“ Seinen Reto Flückiger sieht er als Einzelgänger, Single, Arbeitstier. Und als einen, der sich nicht gern in die Karten blicken lässt und erhebliche Schwierigkeiten mit jeder Art von Autorität hat: „Das ist, glaube ich, sehr schweizerisch an ihm.“
 
Und so, vom lieblichen Bodensee nunmehr ins ebenso liebliche Luzern mit seiner hochromantischen Altstadt versetzt, stürzt er sich in seinen ersten Fall. Eigentlich sind es zwei Fälle: Hier wird ein Politiker entführt, dort treibt eine Leiche in der Reuss. Beides scheint nichts miteinander zu tun zu haben. Aber Flückiger wittert
rasch: Das hier hat eine ganze Menge miteinander zu tun.
 
Ein verwickelter Fall. Aber auch unverwechselbar Schweizerisch? Studhalter verspricht: „Wir werden uns natürlich um Schweizer Geschichten bemühen.“ Das aber könnte entscheidend für den Erfolg des neuen Schweizer „Tatort“-Anlaufs werden: ob es mit der Zeit gelingt, eine ganz eigene Farbe zu entwickeln, wie dem WDR mit seinen Münsteranern oder dem ORF, als er seinem Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) mit Adele Neuhauser eine Assistentin ganz eigener Art an
die Seite stellte. Ein „Tatort“ wie alle könnte jedoch im vorhandenen Überangebot aufgehen und rasch die Frage aufwerfen, warum man nun noch einen aus der Schweiz braucht.
 
Die ARD wartet ab. Erst nach der Ausstrahlung wird dort entschieden, wie es mit dem Schweizer „Tatort“ weitergeht. Entsprechend lampenfiebrig sehen alle Beteiligten dem Start ihres „Versuchsballons“ entgegen. Studhalter: „Dann werden wir sehen, ob wir als Bereicherung gelten oder als Störfaktor“.
 
Trotzdem arbeite das SF bereits einer weiteren „Tatort“-Folge mit dem Titel „Skalpell“ (DIGITALFERNSEHEN.de berichtete). [Paul Barz/js]

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