„Twin Peaks“: Brutaler, unheimlicher und noch radikaler

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Das Verwirrspiel, das vor einem Vierteljahrhundert endete, geht weiter. Die neuen Folgen von David Lynchs Mysteryserie tragen stark die Handschrift seiner Kinofilme. Sie sind noch radikaler, als das, was Fans kennen.

Brutaler, unheimlicher, seltsamer, sexyer und noch verwirrender: Der TV-Serienklassiker „Twin Peaks“ ist nach mehr als 25 Jahren Pause zurück auf dem Bildschirm und hat echtes Kinoformat. Vor der US-Ausstrahlung am Sonntagabend amerikanischer Zeit – 3.00 Uhr früh deutscher Zeit – hatten die Macher strengste Geheimhaltung gewahrt, was die Zuschauer da erwartet.
 
Jetzt ist klar: David Lynch hat den neuen Folgen noch stärker die Handschrift seiner Kinofilme verpasst. Was im Jahr 1990 mit trügerischer Kleinstadt-Idylle und kühler Jazzmusik begann, ist jetzt endgültig ein Höllentrip in die Abgründe der Seele und erinnert manches Mal an Lynch-Schocker wie „Eraserhead“. Dennoch: Immer wieder sind die schrägen Comedy-Momente da, die Fans so lieben. Die ersten vier Folgen sind im Streamingangebot von Sky verfügbar.

Wer Sorge hatte, die neuen Episoden würden die Langeweile eines Ehemaligentreffens verbreiten, kann beruhigt sein. Die vorerst einzige Rückblende direkt am Anfang bildet das Scharnier zu den frühen 90ern: Die tote Schönheitskönigin Laura Palmer (Sheryl Lee), die dem jungen FBI-Agenten Dale Cooper (Kyle MacLachlan) mit verzerrter Stimme prophezeit: „Wir werden uns in 25 Jahren wiedersehen.“
 
Und nach all der Zeit ist Cooper offensichtlich noch immer in der Zwischenwelt der schwarzen Hütte gefangen. Diesmal hat ein Riese (Carel Struycken) eine Botschaft für ihn: „Es ist nun bei uns zuhause.“ Ein Grammophon krächzt dazu leise eine unverständliche Ansage. „Man kann es noch nicht laut aussprechen“, sagt der Hüne. Seine Hinweise: „Erinnern Sie sich an die 430? Richard und Linda. Zwei Fliegen mit einer Klappe.“ Cooper hört zu, sagt: „Ich verstehe.“
 
Der freundliche FBI-Agent mit britischen Manieren hatte in der zweiten Staffel seine Seele einem Dämonen überlassen, um ein geliebtes Mädchen vor dem Tod zu retten. Seit dem Teufelspakt ist ein Doppelgänger von ihm auf freiem Fuß: Schulterlange Elvisfrisur, sonnengegerbtes Gesicht, Rockerjacke, Schlangenlederhemd, ruppiges Auftreten – so hat man Kyle MacLachlan noch nie gesehen. Ist dies das Böse selbst?
 
Die Neuauflage sprengt die Kleinstadtwelt von Twin Peaks. In Buckhorn, Süd-Dakota, wird ein zusammengesetzter Leichnam gefunden: der Kopf einer hübschen Bibliothekarin, der Torso eines dicken Mannes. Der Tatverdächtige hat zwar überall seine Fingerabdrücke hinterlassen, beteuert aber verzweifelt, nie dort gewesen zu sein.
 
In einem unheimlichem Hochhaus-Loft in New York hockt derweil der Student Sam (Benjamin Rosenfield) und starrt im Auftrag eines Milliardärs auf einen leeren Glaskasten, der von technischen Apparaturen umzingelt ist. Bis Tracey (Madeline Zima, „Die Nanny“) ihn mit zwei Bechern Kaffee und anderen Argumenten zum heißen Sex vor dem Kasten überredet. Das kann nicht gutgehen. Wie hatte Sam eben noch gesagt? „Der Typ, den ich ersetzt habe, soll am Ende im Kasten etwas gesehen haben.“
 
So wie der römische Gott Saturn seine eigenen Kinder gefressen haben soll, saugt auch „Twin Peaks“ viele Streaming-Formate auf, die ohne diese Serie wohl nicht denkbar gewesen wären, „Lost“ etwa und „True Detective“.
 
David Lynch und Mark Frost reagieren übrigens ausgesprochen gereizt, wenn Fans von der „dritten Staffel“ sprechen, wie die „New York Times“ berichtet. Die zwei Produzenten betonen, sie hätten ein eigenständiges 18-teiliges Werk geschaffen. Denoch gibt es den ein oder anderen Querverweis. So seufzt Polizeisekretärin Lucy Brennan (Kimmy Robertson), Cooper habe sich nie wieder gemeldet: „Wir haben nicht einmal eine Weihnachtskarte von ihm bekommen.“[Christof Bock]

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