Vor 50 Jahren wurde die Berliner Mauer errichtet – in einer ARD-Dokumentation kommen am heutigen Dienstagabend die Erbauer zu Wort. Es ist der 13. August 2011. An der Wand mit den Flachbildschirmen im Kontrollraum läuft eine junge Frau.
Dann bleibt sie stehen, die Überwachungskameras behalten sie im Sucher, die Sensoren lassen sie nicht los: Wieder geht an Berlins Mauer ein Opfer ins Netz. So oder ähnlich stellte sich die DDR das Grenzregime der Zukunft vor: Ein High-Tech-Wall für das 21. Jahrhundert. Noch kurz vor dem Mauerfall 1989 hatte der SED-Staat an einer Blaupause für die „Mauer 2000“ gearbeitet, noch hundert Jahre solle sie halten, hatte Erich Honecker verkündet, 28 Jahre blieb sie tatsächlich stehen.
Zum 50. Jahrestag des Mauerbaus zeichnet die spannende ARD-Dokumentation „Geheimsache Mauer“ an diesem Dienstag (2. August, 22.45 Uhr) Aufbau und Fall einer deutschen Grenze nach und blickt auch in eine Zukunft, die am 9. November 1989 zu Bruch ging.
90 Minuten lang kommen Grenzer und Polizisten, Stasi-Agenten und Politoffiziere zu Wort. In Spielszenen werden die entscheidenden Gespräche in Parteispitze und Staatssicherheit bei der Planung nachgespielt. Angesichts zehntausender Menschen, die täglich von Ost- nach West-Berlin in den Monaten vor dem Mauerbau flüchteten, entschloss sich der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zum Bau des „antifaschistischen Schutzwalls“.
Noch kurz zuvor hatte Ulbricht versichert, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten. Doch Ost-Berlin konnte sich dem Druck der Sowjetunion nicht entziehen – die DDR und Moskaus Kontrolle über Osteuropa standen auf dem Spiel. Der Film stützt sich auch auf neuentdeckte Aufzeichnungen von Gesprächen zwischen Ulbricht und dem sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow.
Mit aufwendiger Grafik spürt die Dokumentation dem Mauerverlauf nach, beschreibt, wie sich Menschen etwa an der Bernauer Straße von ihrem Wohnungsfenstern abseilten oder wie die Grenzer die Flucht durch den Berliner Untergrund verhindern wollten. In den drei Jahren nach dem Mauerbau entkamen hunderte Menschen durch mehr als 50 Tunnel.
Zwar sprechen auch Maueropfer und Flüchtlinge über ihr Schicksal, etwa Wilfried Tews, der bei seiner Flucht mit 17 Schüssen getroffen wurde. Aber die Autoren Christoph Weinert und Jürgen Ast interessieren sich vor allem für die Perspektive jener, die die Mauer geplant, erbaut und bewacht haben.
Zu ihnen gehört Klaus-Peter Renneberg. Noch heute ist dem Politoffizier der Grenztruppen die Enttäuschung über das Scheitern der DDR-Grenze anzusehen. Im Technokraten-Deutsch spricht er über die Menschen, die auf der Flucht erschossen wurden. „Die Verantwortung lag bei demjenigen, der versucht hat, gegen die Gesetze des Staates zu handeln und der nicht auf die Anweisungen der Vertreter der Staatsmacht reagiert hat.“ Solche Sätze sagt Renneberg in die Kamera.
Es ist die Kälte, die schaudern lässt und die Johannes Unger, beim mitproduzierenden Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) für Dokumentationen verantwortlich, vom „Risiko des Missverstehens“ sprechen lässt. Denn der Film überlässt dem Zuschauer, sich aus der Weltsicht der DDR-Zeitzeugen seinen Reim zu machen.
Begleitet wird das Film-Projekt unter www.geheimsache-mauer.de von einem Internet-Auftritt, in dem Geschichten von beiden Seiten der Mauer erzählt werden. [Esteban Engel/ar]
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