Günther Jauch hat im Talk-Konkurrenzkampf ein frühes Tor geschossen – aber das Spiel am Ende nicht gewonnen. Mit Angela Merkel konnte Jauch einen Stargast empfangen, doch statt hart nachzufragen, bot er der Kanzlerin eine Plattform.
War das Dr. Merkel, die dem ratlosen kleinen Mann die Euro-Krise erklärt? Oder war es der Versuch, mal etwas Persönliches aus der Bundeskanzlerin rauszukitzeln? Angela Merkel im ARD-Sonntagstalk von Günther Jauch – ein Coup des Senders und des Moderators, schließlich konnte kein Konkurrent zuletzt solch einen hochkarätigen Gast vorweisen. Doch statt hartem Polit-Talk gab es ein eher nettes Plauderstündchen. Und die Zuschauer trieb die TV-Paarung Jauch-Merkel auch nicht in Scharen vor die Fernseher.
Knapp 4,3 Millionen Menschen schalteten ab 21.45 Uhr die einstündige Sendung „Günther Jauch“ ein. 4,6 Millionen war es noch vor einer Woche und 5,1 Millionen bei der Premiere des Neu-ARD-Talkers vor zwei Wochen.
An diesem Sonntag sahen die Zuschauer über weite Strecken eine One-Woman-Show: Merkel – die Talkshows sonst meidet und auch selten ausführliche Fernsehinterviews gibt – konnte sich eine Stunde lang selbst präsentieren und vor der wichtigen Bundestagsabstimmung über den Euro-Rettungsschirm an diesem Donnerstag nahezu ungestört für ihre Strategie werben. Es gab zwar einiges zum Schmunzeln – aber auch Politiker-Sprechblasen und Ausweichmanöver, was Jauch selten unterband. Er stellte zwar kritische Fragen, hakte aber kaum nach.
„Da war null Aggression im Spiel (…) Er hat alles angesprochen und nix nach Hause gebracht“, kritisierte Friedrich Küppersbuch, einst als „ZAK“-Moderator ein scharfer Interviewer, am Montagmorgen bei Radioeins vom RBB. Stattdessen setzte Jauch auf eine Erklär-mir-doch-mal-die-Eurokrise-Strategie. Machen wir doch mal ein Rollenspiel, ich bin ein Euro-Skeptiker, schlägt er vor. Oder er fragt, was die Griechen denn da eigentlich mit unserem Geld machen: „Bauen die da Straßen?“
Das ist sinnvoll, da die meisten Menschen die Politiker- und Ökonomen-Sprache über die Eurokrise längst nicht mehr verstehen. Das loben am Montag auch Medienkritiker. Aber manch Zuschauer mag sich vielleicht mit Jauchs Fragen unterfordert fühlen – und am Ende bleibt dann doch offen, wie und warum andere Staaten von Griechenland „angesteckt“ werden können. Fernsehexperte Küppersbusch fühlte sich „als Zuschauer auch in dieser Rollenunklarheit gelassen: Ist er jetzt ein Journalist oder ist er jetzt ein Bürger?“
Immer wieder spricht Jauch Merkel betont locker an: Ob ihre Kompassnadel jetzt „wie verrückt hin- und hertanze“ oder „Sie sind Physikerin (…). Die Leute erwarten da, dass sie rechnen können“. Vom Publikum erntet er dafür Applaus und so manchen Lacher. Die Stimmung ist so locker, man fühlt sich zuweilen beim RTL-Quotenhit „Wer wird Millionär?“ und wartet darauf, dass Jauch seiner Kandidatin Merkel empfiehlt, einen Joker zu wählen.
Merkel scheint dankbar, dass sie ohne harte Attacken dem Volk die Krise erklären kann. Auf Fragen zum Krach mit dem Koalitionspartner FDP, zur Vertrauensfrage oder zu Neuwahlen geht sie praktisch nicht ein – und Jauch lässt das so stehen. Er gibt den interessierten, wissbegierigen, auch kritischen Bürger. Der hart nachfragende Journalist, der bohrt und seinem Gegenüber auch mal unangenehm auf den Zahn fühlt, ist Jauch an diesem Abend nicht. [Annette Reuther/Patrick T. Neumann]
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