„The Third Day“ bei Sky: Horror-Trip mit innovativem Konzept

Eine Kritik von Janick Nolting

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© HBO / Plan B / Punchdrunk / Sky

„The Third Day“ läuft jetzt bei Sky auch auf Deutsch, nachdem die Originalfassung bereits seit September abrufbar war. Die Horror-Serie mit Jude Law entführt auf eine mysteriöse Insel und begeistert mit innovativem Konzept.

Ein kurzer Schwenk über eine einsame Landstraße reicht. Ein Auto, Strommasten, ein aufgebrachter, telefonierender Mann. „The Third Day“ ist seit langem eine Serie, die ab den ersten Minuten, vielleicht sogar schon vor ihrem eigentlichen Beginn vor den Fernseher zu bannen weiß. Weil man vielleicht bereits gehört hat, auf welchen zentralen Höhepunkt dieser Sechsteiler zusteuern und auf welche Art und Weise er stattfinden soll. Und andererseits weil man sich schon in den ersten zehn Minuten der Pilotfolge kaum noch auf seine Sinneswahrnehmung verlassen kann.

Weil die Wiesen und Wälder grüner scheinen als in der Realität, der Himmel blasser und zugleich leuchtender. Bilder, die in ihren schrägen Winkeln verlaufen, verschwimmende, irrlichternde Tableaus, in denen sich Figuren verirren. Unnatürliche Farben, die sich über Bildränder ergießen. Ein Jude Law, dem man als Erzählinstanz und Protagonist nicht über den Weg trauen kann. Einer, der von einem Traumata zerfressen ist, womöglich Kriminelles verbrochen hat und sich nun in Horrorvisionen und Trips verliert, bei denen alle Beteiligten wörtlich den Boden unter den Füßen verlieren, bevor ein wahrer Kraftakt bestritten werden muss. Aber immer der Reihe nach!

Zwischen „Wickerman“ und „Midsommar“

„The Third Day“ entstand als Koproduktion von Sky, HBO, Plan B und der gefeierten britischen Theatergruppe Punchdrunk, die in den vergangenen Jahren mit Produktionen wie „Sleep No More“ und „The Drowned Man“ immer wieder an einer Form des immersiven Theaters gewerkelt hat. Also eines, in das das Publikum mit Haut und Haar eintauchen kann. Ähnliches wird in dieser Horrorserie nun versucht.

Bevor es dazu kommt, darf das Publikum Zeuge eines Puzzlespiels werden, das nach und nach Versatzstücke enthüllt, was Sam, dem von Jude Law gespielten Protagonisten, auf der mysteriösen Insel Osea vor Englands Küste widerfahren soll. Nach dem Verlust seines Sohnes und einer hohen Geldsumme steigt er auf dem kargen Eiland ab, als er ein junges Mädchen vor dem Selbstmord bewahrt und dorthin zurückbringt. Die Flut schneidet den Weg zum Festland ab. Die wenigen Bewohner der Insel geben sich eigenartig, während man ein ominöses Festival vorbereitet.

Was sich nun aus der beklemmenden ersten Episode entspinnt, die immer wieder die Realität und Sams geschundene Psyche verschwimmen lässt, wurde in der Rezeption bereits oft (treffend) als Mischung aus dem Klassiker „Wicker Man“ und Ari Asters Horrorfilm „Midsommar“ beschrieben. Von ersterem Film borgt sich „The Third Day“ das Elliptische, das Rätselhafte, von letzterem Film die Auseinandersetzung mit Kultur und persönlicher Trauerbewältigung, die darin verstrickt wird.

Zwei Teile, eine Geschichte

Das ist trotz wenig eigener Ideen erstaunlich mitreißend gelungen, weil „The Third Day“ seine Sektenthematik lange Zeit so schleierhaft inszeniert, dass man kaum weiß, von wem hier überhaupt eine Gefahr ausgeht. Die Serie schafft in ihren besten Momenten mitreißendes, zeitgemäßes postsäkulares Erzählen in der Verstrickung von Rationalität und Religion, Individuum und Gemeinschaft, Realitätssuche, Wahnsinn und Ekstase. Schade, dass die Handlung dabei so an ihren Figurenschicksalen klebt, um vor dem Abstrakten immer wieder etwas zurückzuschrecken.

Doch gerade dieses persönliche Charakterdrama ist nicht nur fulminant gespielt, es erfährt gerade in der Zweiteilung der Serie eine beeindruckende Spiegelung. Zunächst Jude Law, der sich in seinen grellbunten, irrwitzigen Psychosen in „Sommer“ verliert. Anschließend Naomie Harris, die im zweiten Teil, „Winter“, übernimmt und ebenfalls die Insel erkundet. In ihren drei Folgen kehrt der vorher abgehobene Wahnsinnstrip in unterkühlten, trostlosen Bildern auf den Boden der Tatsachen zurück. Wo für den einen die Fremde zum Ort der Ekstase und Transzendenz, aber auch des Ich-Verlusts wird, wird er für die andere zum Schauplatz der Kampf um Existenz und sozialen Abstieg. Zu einer Begegnung mit einer Gemeinschaft, die ebenso idyllisch und behütend wie verschlingend und starr werden kann.

The Third Day: Autumn als zwölfstündige Tortur

Am meisten schmerzt, dass der interessanteste Teil von „The Third Day“ bislang nur im Netz stattfand. Als Zusatz haben HBO und Sky über Facebook im Oktober das Zwischenspiel der Serie, „Autumn“ gezeigt. Zwar ist dieses nicht notwendig, um die „regulären“ Folgen zu verstehen, gehört jedoch zu den aufregendsten Seherfahrungen des Jahres. In einem zwölf Stunden (!) langen Livestream, der fast komplett in einer Einstellung gefilmt ist, nimmt das Publikum quasi hautnah an einem rituellen Fest auf der Insel teil. Mit Jude Law als eine Art moderner Jesus, der durch ein stundenlanges Martyrium getrieben wird, bis die Gewalt und Tortur irgendwann einem rauschenden wie apokalyptischen Fest weicht.

Ein Tag auf Osea, Fernsehen als Live-Event zwischen den Medien. Eine begehbare Serie? Jein. Protzendes Kunstgewerbe? Vielleicht, aber es wirkt! Ein unheimlich immersives Erlebnis, dem man in einigen quälenden Minuten und Stunden einfach nur beiwohnt, in anderen völlig von den verstörenden Eindrücken aufgesaugt wird. Verstörend auch deshalb, weil sich „The Third Day: Autumn“ von einem klassischen Erzählkino, von überflüssigen Dialogen, aber auch von Spezialeffekten und letztlich gewohnter Zeitwahrnehmung befreit.

Stattdessen ein naturalistischer Trip im Hier und Jetzt, der fast ausschließlich über Körper, Licht und Geräusche funktioniert. Über die Elemente, den Regen und Dreck, der gegen die Kamera spritzt. Schlammiges Taufwasser, das in dem ausschweifenden Partytreiben wie rotes Blut das Bild besudelt. Über Tänze und Gesten in eigenartigen Ritualen und einem wilden Rave, der zwischen Lebenslust und Gewaltausbrüchen changiert.

Ein Fest in Zeiten der Isolation

Es ist (ausgerechnet während Corona!) die Rückkehr einer fast schon archaischen Form des Festes und des Kultes, mit der man hier die Grenzen des Fernsehens zelebriert und sprengt. Und zugleich ein mitreißender Rauschzustand, der trotz all der stundenlangen Anstrengung glücklich entlässt. Und zugleich verunsichert, wenn einem immer wieder bewusst wird, auf welch grausame Kosten hier bis zum Umfallen gefeiert wird. Man wird selbst zum teilnehmenden Akteur und doch immer wieder zurückgeworfen auf die eigene Rolle als Tourist, Fremder und Voyeur. Die Mystik und Offenheit der Serie setzt sich in „Autumn“ fort in einem selbstbefragenden Schwellenzustand zwischen Realität und Inszenierung.

An dieses Meisterwerk können die letzten drei Folgen der Serie nicht mehr ganz anknüpfen. Besonders das Serienfinale verstrickt sich leider etwas in seinen konfusen Enthüllungen. Bis dahin durchlebt man allerdings mehrere Stunden routiniertes, mitreißendes und bildgewaltiges Fernsehen mit einem zentralen Event, das bleiben wird. Mit einem Film als Theater und einem höchst filmischen Theaterstück.

„The Third Day“ läuft ab dem 26. November 2020 immer donnerstags um 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky Atlantic, wahlweise in Deutsch oder Englisch. Parallel dazu steht die Serie über Sky Ticket und Sky Q zum Abruf bereit. Einen Mitschnitt des zwölfstündigen Live-Events „The Third Day: Autumn“ gibt es aktuell noch auf Facebook sowie ein 90-minütiges Best Of auf YouTube.

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Bildquelle:

  • thirdday: Sky, HBO, Punchdrunk
  • thirddayhbo: © HBO / Plan B / Punchdrunk / Sky
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