„The Winner Is…“ – in diesem Fall ist der Name nicht Programm. Es gibt viele Erklärungsversuche, aber keinen richtigen Grund. Fakt ist: Der Comeback-Versuch von Linda de Mol mit der angeblich weltweit ersten Casting-Gameshow beim Privatsender Sat.1 scheint zum veritablen Flop zu geraten.
Mitte der 90er Jahre stand der Stern der holländischen Entertainerin Linda de Mol ganz oben am Himmel. Bei RTL holte sie mit ihrer „Traumhochzeit“ gelegentlich mehr als zehn Millionen Zuschauer vor den Bildschirm. Am Mittwochabend schlug die heute 47-Jährige bei ihrem Comeback-Versuch ganz hart auf dem Boden der Realität auf. Mit der neuen, auf acht Teile angelegten Musik-Castingshow „The Winner Is…“ lockte sie gerade einmal 1,64 Millionen Zuschauer vor die Fernseher (5,1 Prozent Marktanteil).
Für den Münchner Privatsender ein schlimmer Rückschlag. „Natürlich sind wir enttäuscht und analysieren im Moment die möglichen Gründe für die fehlende Zuschauerresonanz“, sagte Sprecherin Diana Schardt am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. „Wir sind uns aber sicher, dass die nächste Folge am gewohnten Show-Freitag in Sat.1 deutlich besser performen wird.“ Noch mag sich bei Sat.1 keiner so recht vorstellen, dass die Show bei andauernder Flaute vorzeitig beendet wird – der zweite Teil ist an diesem Freitag (20.15 Uhr) zu sehen.
Über die Gründe der Quotenpleite kann nur spekuliert werden: Waren die Zuschauer nicht am Mittwochabend auf eine Sat.1-Show eingestellt? Gewöhnlich laufen an dem Tag Filme. Sat.1 hatte die de-Mol-Premiere eilig von Freitag auf Mittwoch vorverlegt, weil RTL relativ kurzfristig am Freitag eine Prominenten-Sonderausgabe von Günther Jauchs Quiz „Wer wird Millionär?“ angekündigt hatte. Auch wanderten recht viele Zuschauer zur ARD, zu RTL und zum ZDF ab – und auch zum Abo-Anbieter Sky, der die Bundesligapartie zwischen Borussia Dortmund und Bayern München zeigte.
Für Sat.1 bedeutet de Mols missglücktes Comeback einen weiteren Rückschlag in diesem Jahr. Zunächst fielen zwei Krimi-Pilotfilme beim Publikum durch, dann folgte der für den 3. Mai angekündigte Abschied von Lästermaul Harald Schmidt, dessen Late-Night-Show trotz Schmidts recht guter Formkurve derzeit nicht viele Menschen sehen wollen. De Mol hatte zuletzt mit einer Wiederauflage der „Traumhochzeit“ (2008) beim ZDF zu punkten versucht und zuvor bei RTL mit der Show „Einer gegen hundert“ (2002) sowie der Sat.1-Sendung „Der Millionen-Deal“ (2004) – alle Formate knüpften nicht an die früheren RTL-Erfolge an.
Gute Kritiken gab es am Donnerstag nicht: „Spiegel Online“ fasste kurz den Sinn der Sendung mit diesen Worten zusammen: „Worum geht es? Um den innigen Wunsch der Interpreten, das Publikum mit ihrer Musik zu berühren. Kleiner Scherz. Es geht um „die Kohle“ (Linda de Mol).“ Der Internet-Fachdienst „Meedia“ schrieb vom „Desaster-Start“.
Die „Bild“-Zeitung fand unterdessen heraus, wen Linda de Mol in ihrer von ihrem Bruder John (mit Talpa TV) und der Firma Schwartzkopff TV produzierten Castingshow unter anderem vor die Kameras geholt hatte – alte Kandidaten aus der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS)! Neben Daniel Munoz (28) und Nevio Passaro (31), die in der dritten DSDS-Staffel mitmischten, gibt es auch ein Wiedersehen mit Linda Teodosiu (20), der Drittplatzierten der fünften DSDS-Staffel.
RTL reagierte auf die Neuverpflichtung de Mols bei Sat.1 empfindlich: Ursprünglich sollte „The Winner is…“ am 13. April starten, doch RTL programmierte an dem Tag nicht den üblichen Günther Jauch mit „Wer wird Millionär?“, sondern verlängert die Sendezeit und experimentiert mit einer Prominentenausgabe in Doppel-Teams. „Ich verstehe das schon als Kompliment von RTL, wenn man dort sagt: Wir sorgen jetzt dafür, dass es bei Lindas erster Sendung nicht so gut läuft. Aber ich halte mich da raus. In Holland sage ich meine Meinung, in der deutschen TV-Landschaft kenne ich mich nicht so gut aus…“
Ein Schuft, der Schlechtes dabei denkt: Weil Sat.1 den Start auf den Mittwoch vorzog, gibt es nun ein holländisches Fernduell im Fernsehen, denn RTL zeigt mittwochs immer „Let’s Dance“ mit Linda de Mols holländischer Kollegin Sylvie van der Vaart. Im Gegensatz zu van der Vaart, die im Gebrauch der deutschen Sprache aktuell mehr Routine hat, muss de Mol wieder üben. „Ein bisschen eingerostet war ich schon, manchmal habe ich bei den Aufzeichnungen Wörter gesucht, deswegen habe ich trotz Teleprompter Respekt vor der Finalshow, die live ist.“
In der Show „The Winner is…“ treten pro Show Sänger in acht Kategorien gegeneinander an. Eine 101-köpfige Studio-Jury mit Musikproduzent Mousse T. als Chef entscheidet darüber, wer im direkten Duell gegeneinander weiterkommt. Wer freiwillig in der Vorrunde aufgibt, bekommt 5000 Euro. Wer im Finale siegt, erhält eine Million Euro in bar.
In Holland pflegt de Mol, die nach der Trennung von dem Vater ihrer beiden Kinder, dem TV-Mann Sander Vahle, seit vier Jahren mit dem Künstler Jeroen Rietbergen zusammen ist, ihre eigentlichen Berufe: Sie gibt die Illustrierte „Linda“ heraus und hat eine neue TV-Serie für RTL Niederlande entwickelt mit dem Titel „Divorce“ (Scheidung), in der drei Männer nach ihrer Trennung in eine alte Villa ziehen und neue Anfänge suchen. Vielleicht ist Sat.1 auch an dieser Idee interessiert. [Carsten Rave/ar]
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