Tatortkritik: Von Drohnen und kaputten Killern

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Ein Psychologe wird in seiner Praxis ermordet. Ein Racheakt? Die dienstälteste „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal und ihr Team geraten bei den Ermittlungen wortwörtlich zwischen die Fronten.

Plötzlich kommt der Krieg nach Ludwigshafen – und Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ist mittendrin. „Vom Himmel hoch“ heißt der „Tatort“, der an diesem Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird. Doch es geht nicht um das bekannte Adventslied von Martin Luther, sondern um den US-amerikanischen Drohnenkrieg und die umstrittene Rolle der Militärbasis Ramstein darin. In Zeiten terrorgeschützter Weihnachtsmärkte kann ein Krimi kaum aktueller sein. Die Zuschauer erwartet ein „Tatort“, der zeigt, das Deutschlands Sicherheit nicht nur am Hindukusch verteidigt wird.

Der Film von Regisseur Tom Bohn beginnt mit einem Fadenkreuz, das unruhig über Straßen und Dächer gleitet. Es erinnert an Drohneneinsätze in Konfliktgebieten. Am Ende des Films zieht sich die Kamera wieder in den Himmel zurück – als wäre nichts geschehen.
 
Ein Psychologe wird erschlagen in seiner Praxis gefunden. Schnell ist klar, dass das Motiv in seinem Beruf zu finden ist: Als Experte kümmerte sich der Therapeut um Menschen, die vom Krieg traumatisiert sind – etwa Heather Miller (Lena Drieschner). Hat die depressive US-Soldatin etwas mit der Tat zu tun? Oder war es der Kurde Mirhat Rojan (Cuco Wallraff), der bei einem amerikanischen Drohnenangriff im Irak seine beiden Kinder verlor und nun bei seinem Bruder Martin (Diego Wallraff) in Ludwigshafen lebt? Regisseur Bohn vermischt Opfer und Täter nicht – aber er zeigt, wie ähnlich sie sich sein können.
 
„Vom Himmel hoch“ funktioniert auch, weil Dialoge und Musik gleichermaßen ausdrucksstark sind. „Es ist überhaupt nicht pervers, wenn sich auch Täter Hilfe holen. Der Krieg – der ist pervers“, heißt es im Krimi. An einer anderen Stelle singt die britische Indie-Pop-Band London Grammar zur Einsamkeit der Soldatin Miller: „Ich mag stark wirken, aber ich lag niemals so falsch.“ Und die dienstälteste „Tatort“-Ermittlerin Odenthal gibt in Lederjacke mit Fellkragen den „tough cookie“, wie es im Film heißt: harter Knochen.
 
Bohn siedelt seine Geschichte auf zwei Ebenen an: in der kühlen Welt der Schreibtischtäter einerseits und der kaputten Welt von Kriegsteilnehmern andererseits. „Wir müssen töten, damit ihr uns endlich zuhört“ – mit dieser mörderischen Logik von Terroristen planen die Brüder Rojan ein Attentat auf einen US-Staatssekretär. Spannungsreich geht es Richtung Finale, das blutig endet. Trotz einiger Übertreibungen und manch überflüssigem Pathos ist es ein sehenswerter „Tatort“ – auch wegen Drieschners Darstellung der Soldatin Miller: fertig mit der Welt, außen stark, innen zerbrochen.
 
Der Film streift die Rolle der USA in Rheinland-Pfalz, das vor allem wegen der riesigen Air-Base Ramstein oft als „Flugzeugträger der Amerikaner in Deutschland“ bezeichnet wird. Immer wieder sind Vorwürfe zu hören, dass Joystickkrieger auch von der größten US-Luftwaffenbasis außerhalb der USA unbemannte Tötungseinsätze von Drohnen etwa in Afghanistan steuern würden. Die Behörden bestreiten dies. Und auch im „Tatort“ heißt es: „Offiziell werden hier nur die Funksignale weitergeleitet.“ Für Kritiker nicht nur in der Pfalz ist jedoch schon dieser Datenfluss schwer zu ertragen.
 
„Ich denke, dass die moderne Kriegsführung ein Thema ist, was wieder näher auf unsere Republik zukommen“, sagt Regisseur Bohn. Lange habe sich Deutschland hinter den Verbündeten verstecken können. „Aber dies scheint ja mit der neuen Außenpolitik der Amerikaner passé zu sein“, meint er mit Blick auf US-Präsident Donald Trump – dessen Vorfahren aus der Pfalz stammen. „Es wird also Zeit, sich wieder mit der Landesverteidigung und den verbundenen Optionen zu beschäftigen.“ In diesen Zeiten, sagt Bohn, müsse Fernsehen wieder politischer werden.
 
„Vom Himmel hoch“ ist auch ein „Tatort“ ohne den kauzigen Ermittler Mario Kopper (Andreas Hoppe), für den nach 57 Folgen Schluss war. Odenthal macht mit Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) weiter – aber so ganz wird sie den Halbitaliener nicht los. Koppers Name steht noch unter „Favoriten“ auf ihrem Telefon. Und mit feuchten Augen bekennt Odenthal nach 36 Filmminuten: „Er fehlt halt, der alte Einzelgänger. Er war ein guter Polizist.“ Als ihre Kollegin aber fragt „Sind das Tränen?“, kommt schroff zurück: „Jetzt übertreib mal nicht.“

[Wolfgang Jung]

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6 Kommentare im Forum
  1. Und da ist wieder der allwöchentliche Werbepost der ARD. Scheint jedenfalls bei vielen zu wirken, wenn man immer die Einschaltquoten betrachtet. Hier brauchen die Fans im Gegensatz zur Lindenstraße keine Absetzungssorgen zu haben.
  2. So viele schauen hier nicht vorbei. Ich schaue schon Tatort da gabs noch kein Internet und Telefon hatte da auch nur einer im Haus.
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