Leipzig – Für den Südwestrundfunk (SWR) verlief das Jahr 2008 nicht nur ereignisreich, sondern auch erfolgreich.
Dies bekennt im Interview mit DIGITAL FERNSEHEN Bernhard Nellessen, der Fernsehdirektor des SWR. Damit dies auch so bleibt, muss der Sender „auch in Zukunft unverwechselbar“ sein. Zudem sei für den Erfolg des Senders wichtig, immer wieder neue Formate auszuprobieren.
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Nellessen, wie ist das Jahr 2008 rückblickend für das Fernsehen des SWR gelaufen?
Bernhard Nellessen: 2008 war nicht nur ein ereignisreiches, sondern auch ein erfolgreiches Jahr für das Fernsehen des SWR. Für das Erste waren wir bei der Fußball-EM als Federführer gemeinsam mit dem BR am Ball, aber auch bei den Olympischen Spielen in China kamen unsere Sportreporter zum Einsatz. Der „Mogadischu“-Themenabend mit zeitgeschichtlichem Fernsehfilm und begleitender Dokumentation hat ein Millionenpublikum emotional mitgerissen. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer haben uns geschrieben und uns zum Fernsehereignis des Jahres gratuliert.
Seit März ermittelt das neue Stuttgarter „Tatort“-Team. Richy Müller und Felix Klare sind hervorragende Schauspieler und haben schnell eine große Fangemeinde gefunden. In der Auslandsberichterstattung hat der SWR seine journalistische Kompetenz unter Beweis gestellt – etwa beim ARD-Themenschwerpunkt zu fünf Jahren Irak-Krieg oder bei der Flugzeugkatastrophe von Madrid. Mit der gut eingeschalteten Reihe „Deutschland, deine Künstler“ hat der SWR einen deutlichen Kulturakzent im Programm gesetzt und zugleich einen Beitrag zur Debatte über die Qualität des Fernsehens geleistet.
DF: Wie sieht Ihre Bilanz für das SWR Fernsehen aus? Wurden Ihre Erwartungen und Ziele erfüllt?
Bernhard Nellessen: Das SWR Fernsehen war 2008 weiter im Aufwind. Wir werden das Jahr erfreulicherweise mit einem Jahresdurchschnitt von 6,5 Prozent Marktanteil abschließen. Trotz herausragender Sportereignisse in den Konkurrenzprogrammen haben wir in der Zuschauerakzeptanz leicht zulegen können. Das bringt uns unserem Ziel, einen stabilen Mittelplatz unter den Dritten zu erreichen, ein Stück näher. Die positive Quotenbilanz freut mich umso mehr, als das das SWR Fernsehen nach einer unabhängigen Studie den höchsten Kulturanteil aller Dritten aufweist und sein journalistisches Profil im vergangenen Jahr weiter geschärft hat. Dazu zähle ich auch unsere Themenschwerpunkte unter dem Titel „TOP THEMA“, die vom Publikum gut angenommen wurden. Im Mittelpunkt standen Probleme, die unserer Gesellschaft unter den Nägeln brennen: Energiepreise, Pflegenotstand oder die Angst vor dem sozialen Abstieg.
Auf großes Interesse stießen Ranking-Shows, in denen „Unsere größten Sportler“ und „Die 100 größten Rheinland-Pfälzer“ gesucht wurden. Besonders erfolgreich lief in diesem Jahr „Debüt im Dritten“, unsere traditionsreiche Reihe zur Förderung filmischer Nachwuchstalente. „Zur Sache Baden-Württemberg“ heißt das neue landespolitische Magazin, das von den Kollegen des Landesprogramms in Stuttgart für das SWR Fernsehen produziert wird. Zusätzlich zu unserem Literaturformat „Literatur im Foyer“ haben wir „besser lesen“, eine neue Sachbuchsendung, für unser Drittes Programm entwickelt. Die Doku-Soap „Blaues Blut und Rote Rosen“ über die Blumeninsel Mainau wurde wegen ihres Erfolgs anschließend von der ARD wiederholt. Unbestrittener Publikumsfavorit war übrigens die Jubiläumswoche „10 Jahre SWR“ mit den beliebtesten Programmhighlights seit Start des SWR Fernsehens.
DF: Wie sehen Ihre Programm-Pläne für das SWR Fernsehen 2009 aus?
Bernhard Nellessen: 2009 wird ein Super-Wahljahr. Im SWR Fernsehen finden unsere Zuschauer alle Informationen, Analysen und Hintergründe, die sie brauchen, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Dazu bringen wir auch eine Reihe von neuen journalistischen Formaten an den Start: „2+Leif“ heißt der neue Polit-Talk im SWR Fernsehen, der am 19. Januar 2009 live aus Berlin auf Sendung geht. Moderator Thomas Leif empfängt zwei prominente Gäste. „2+Leif“ verspricht einen Schlagabtausch – mal ironisch, mal provokant – immer mit dem Ziel der besten Information für die Zuschauer. Immer montags um 22.30 Uhr, geht es 30 Minuten lang um das aktuelle Thema der Woche. Thomas Leif stellt zugespitzte Fragen an hochkarätige Gäste unterschiedlicher Parteien und Denkrichtungen. Die Sendung wird sicher bald zum Muss für alle politisch Interessierten.
Ab Januar 2009 platzieren wir die Dokumentationen und Features der Reihe „betrifft“ prominent in der Primetime. Sie werden dann schon um 20.15 Uhr mittwochs ausgestrahlt. Die 45-minütigen Filme der Reihe sind meinungsfreudig, zeigen Entwicklungen auf, liefern Analysen und erzählen Geschichten von Menschen und suchen die emotionale Nähe zu den Zuschauern. Im März startet schließlich das neue Verbraucher- und Wirtschaftsmagazin „Marktcheck“, moderiert von Alexandra Tapprogge. Ich will noch nicht zuviel über das neue Konzept verraten, aber so viel steht fest: Wer donnerstags um 21 Uhr das SWR Fernsehen einschaltet, ist klar im Vorteil, wenn er einkaufen geht, seine Steuererklärung ausfüllt oder einen Umzug vorbereitet…
DF: Über welche Neustarts und Programm-Höhepunkte des SWR dürfen sich die Zuschauer im Ersten freuen?
Bernhard Nellessen: Nach dem großen Erfolg mit „Mogadischu“ führt der SWR seine Tradition der aufsehenerregenden zeitgeschichtlichen Fernsehfilme im Ersten fort: Mit großer Spannung wird unser großes „Biopic“ über das Leben der Romy Schneider mit der einzigartigen Jessica Schwarz in der Hauptrolle erwartet. Zusammen mit Maurice Philip Remy verfilmen wir das Schicksal des so genannten Wüstenfuchses Erwin Rommel. Die aufwändige SWR-Produktion wird den Widersprüchen in der Laufbahn des Generals nachspüren, der sich zuletzt gegen den Diktator wandte, dafür mit seinem Leben zahlte und sich doch nie ganz von seiner Faszination für Hitler lösen konnte. In „Kindersuche“ spürt Felicitas Woll als verzweifelte Mutter ihrer in den Wirren der Vertreibung verloren gegangenen Tochter nach. „Das Unglück von Überlingen“ ist ein nachdenklich stimmender Film über die Flugzeugkatastrophe am Bodensee, in dem es um Fragen der Verstrickung, Schuld und Sühne geht.
Doch das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Programmhöhepunkte, die der SWR den Zuschauern im Ersten anbietet. 2009 werden wir auch wieder hochwertige Dokumentarfilme für die ARD produzieren. Die aufwändige Dokumentation „Hunger“ wagt sich an eines der drängendsten Probleme unserer Zeit, und für den Zweiteiler „Auf den Spuren Humboldts“ sind zwei unserer besten Auslandskorrespondenten in Südamerika mit Kamerateams unterwegs. Auch in der Inlandsberichterstattung wird der SWR seine wichtige Rolle in der ARD unter Beweis stellen müssen: Im Superwahljahr wird das Team von „Report Mainz“ besonders viel zu tun haben und mit exklusiven Geschichten für Schlagzeilen sorgen. Die größte Herausforderung für die beiden Chefredaktionen des SWR wird aber sicher der Nato-Gipfel am 3./4. April in Baden-Baden und Straßburg. Zu diesem weltpolitischen Mega-Ereignis werden neben rund 30 Staats- und Regierungschefs, Tausenden Polizisten und Demonstranten auch der neue Präsident der USA, Barack Obama, erwartet. Sie sehen also: Langweilig wird es uns 2009 bestimmt nicht werden.
DF: Wo sehen Sie dringenden Verbesserungsbedarf beim Programm?
Bernhard Nellessen: Was Änderungen und Innovationen im Programm angeht, fahren wir im SWR Fernsehen längst auf Sicht. Große Programmreformen mit langem Anlauf passen nicht mehr in die heutige Zeit. Die Zersplitterung des TV-Marktes nimmt zu, in Digitalhaushalten sind viele hundert Kanäle zu empfangen. Selbst Randzonen des Programms werden für den Marktanteil immer wichtiger. Wer im zunehmend härteren Wettbewerb um die Gunst der Zuschauer mithalten will, muss daher zeitnah und mit Augenmaß auf veränderte Interessen und Sehgewohnheiten reagieren und immer wieder neue Formate ausprobieren. Genau diesen Kurs fahren wir im SWR Fernsehen und das mit einigem Erfolg. Nur wenn wir unseren Zuschauer verlässlich ihre Lieblingssendungen bieten und sie hin und wieder mit originären Formaten überraschen, bleiben wir auf der Fernbedienung. Nur wenn das SWR Fernsehen auch in Zukunft unverwechselbar ist, wird es unverzichtbar bleiben.
DF: Mit welchem Programm überraschen Sie die Zuschauer zu Weihnachten und Silvester?
Bernhard Nellessen: Auf die Festtage freue ich mich als Programmmacher des SWR Fernsehens besonders, weil sie zu den erfolgreichsten im ganzen Jahr zählen. Rund um Weihnachten zeigen wir Besinnliches wie die live aus Rom übertragene Mitternachtsmesse, aber auch Unterhaltsames wie die Publikumslieblinge „Hannes und der Bürgermeister“. Zum Jahreswechsel strahlt das SWR Fernsehen binnen zwei Wochen mehr als 30 hochkarätige Spielfilme aus, in voller Länge und ohne Werbepausen. Auf dem Programm stehen Filmreihen wie „James Bond“, „Winnetou“, „Peter Sellers“ und „Heinz Ehrhardt“ sowie Themenabende zu den cineastischen Großereignissen „Das Boot“, „Der Untergang“ und „Am Anfang war das Feuer“. Für die jüngsten Zuschauer haben wir die „Augsburger Puppenkiste“ und beliebte Märchenfilme wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ eingeplant. An Silvester lassen wir das Jahr fröhlich ausklingen – unter anderem mit einer schwäbischen Variante von „Dinner for one“ und natürlich mit dem immer wieder gewünschten englischsprachigen Klassiker. Einen süffisanten Jahresrückblick präsentiert Deutschlands beliebtester Kabarettist Mathias Richling exklusiv für das SWR Fernsehen, dann kann der Countdown für 2009 starten.
DF: Herr Nellessen, vielen Dank für das Gespräch. [cg]
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