Jugendliche begreifen Casting-Shows im Fernsehen zunehmend als Ausweg aus der Chancenlosigkeit und als „Abkürzung auf dem Weg nach oben“, wie die Autoren der aktuellen „Shell-Jugendstudie“ dokumentieren. Dabei würden sie von den Machern zunehmend als „Unterschichten-Fernsehen“ inszeniert.
„Wir haben über die vergangenen Jahre beobachtet, dass manche Jugendliche abgehängt sind, weil sie im Bildungssystem ganz unten stehen“, sagte der Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bielefeld, Mathias Albert, dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Er zeichnet federführend für die Studie verantwortlich, die Einstellungen und Werte der Zwölf- bis 25-Jährigen in Deutschland erforscht.
Diese Jugendlichen seien sich ihrer Situation deutlich stärker bewusst als früher. „Sie sehen, dass sie mit einem Hauptschulabschluss nicht weit kommen. In dieser Situation wirken Casting-Shows wie ein großes Versprechen.“ Diese Chance wahrzunehmen sei vielen jungen Leuten „wichtiger als die Gefahr, sich vor einer Jury im Fernsehen möglicherweise zu blamieren.“
Albert zufolge gibt es seit einigen Jahren den Trend, dass „Casting-Shows immer mehr zu einem Unterschichtenphänomen werden“. Redakteure bestimmter Shows sprächen gezielt Jugendliche aus bildungsfernen Schichten an und ermunterten diese zum Mitmachen. Die Berufswünsche jüngerer Zuschauer würden längst durch die Shows beeinflusst. Von den Neun- bis Elfjährigen, die regelmäßig „Germany’s Next Topmodel“ auf ProSieben sahen, konnten sich 63 Prozent vorstellen, im Showbusiness zu arbeiten.
Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) sagte dem Magazin, vor 20 Jahren sei der Beruf Model kein Thema gewesen. Heute wisse jedes Mädchen in der Grundschule, was ein Catwalk ist und wie man als Model darauf zu laufen hat. Dass dieser Traum für die wenigsten in Erfüllung geht, sei nicht weiter schlimm.
Das Problem sei eher, dass die Show ihren Zuschauerinnen einbläue, dass sie nur Erfolg hätten, wenn sie Heidi Klum und ihrer Jury blind Gehorsam leisteten. „Die Kandidatinnen müssen dem Ideal genügen, das von oben vorgegeben wird, mit dieser Strategie macht man in der Realität aber nur selten Karriere“, kritisierte Götz. [ar]
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