Krimiserien gibt es im Fernsehen viele – mit „Sieben Seiten der Wahrheit“ zeigt Arte eine Reihe, die aus dem üblichen Rahmen fällt. Ein Kind wird entführt, und jede der sechs Folgen erzählt den Fall aus dem Blickwinkel einer anderen Figur.
Der kleine Sam wird entführt. Als ihn sein Vater von der Schule abholen will, ist der Junge bereits weg. Für den Börsenmakler Joe Marin und seine Frau Anna beginnen ungewisse Stunden des Wartens – und für den Fernsehzuschauer fast sechs Stunden Krimi der etwas anderen Art. In sechs Episoden erzählt die australische Reihe „Sieben Seiten der Wahrheit“ den Entführungsfall, und zwar jeweils aus der Sicht einer der Hauptpersonen. Der Sender Arte zeigt die ersten drei Folgen heute ab 20.15 Uhr, die weiteren am Freitagabend. Ein spannendes und gelungenes Krimiprojekt – das sich jedoch teilweise ein wenig in Länge zieht.
Anna und Joe Marin (Alex Dimitriades und Leeanna Walsman) stehen vor einem Rätsel. Wer sollte ihren Sohn entführt haben? Und warum? Es gibt keine Lösegeldforderung. Auch die Polizei ist ratlos. Anna war für drei Tage auf Geschäftsreise, Joe stand im Job vor einem riskanten Finanzdeal mit einem reichen und einflussreichen Investor. Gemeinsam mit seinem Kollegen Mitch plant er gerade den beruflichen Coup, als seine Sekretärin den Anruf erhält, dass er Sam eine Stunde später aus der Schule abholen soll. Als Joe dort ankommt, ist der Junge verschwunden.
Die erste Episode schildert den Fall aus der Sicht des Vaters. Der versucht alles, um seinen Sohn zu finden. Anna kehrt nach Hause zurück. Die Nerven liegen bei dem Paar blank, als Sam abends plötzlich wieder auftaucht. Völlig unbeschadet und gut gelaunt. Es stellt sich heraus, dass er bei Simon war, einem Ex-Freund Annas aus Studienzeiten. Anna versichert, seit Jahren keinen Kontakt mehr zu Simon gehabt zu haben. Woher kannte er dann Sam und warum hat er ihn mitgenommen? Das Rätsel wird größer, als klar wird, dass sich bei Simon die Prostituierte Angela aufhielt. Sie hat die Polizei alarmiert – und Joe war regelmäßiger Kunde bei ihr.
In den weiteren Episoden setzen Regisseur Glendyn Ivin und Drehbuchautorin Jacquelin Perske das Puzzle immer weiter zusammen. Stück für Stück nähert sich der Zuschauer der Lösung. Er taucht ein in die Ehegeschichte der Marins, erfährt was Simon mit Sam verbindet und was Simons Psychiater mit der Sache zu tun hat, wie Kollege Mitch zu Joe steht – und dass irgendwie alle mit allen in mehr oder weniger komplizierten Beziehungen stehen.
Die verschiedenen Sichtweisen der einzelnen Figuren zu sehen, macht die Reihe spannend. Manche Szenen wiederholen sich in den Episoden zwangsläufig, der Zuschauer sieht, wie sie die eine oder andere Person erlebt hat. Bisweilen führt das Eintauchen in die Leben der jeweiligen Hauptfiguren aber auch recht weit weg vom eigentlichen Geschehen, der Entführung. Da muss der Zuschauer tatsächlich dranbleiben, um nicht den roten Faden zu verlieren.
Bei der Verleihung der AACTA Awards 2017 – der australischen Filmpreise – war die Serie neunmal nominiert und gewann fünf Preise, unter anderem in den Kategorien Regie, Kamera und Hauptdarsteller (Hugo Weaving). Ein berechtigter Erfolg für eine experimentelle und sehenswerte Krimireihe.
[Ute Wessels]
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