Zauberhaftes Drama: Frankreich vor gut 250 Jahren: Künstlerin Marianne soll heimlich das Hochzeitsporträt einer jungen Adeligen malen. Eine feministische Befreiungsgeschichte in wunderschönen Bildern.
Frankreich, 18. Jahrhundert. Eine abgelegene, bretonische Insel, zwei Frauen und die Unmöglichkeit der großen Liebe: Die französische Regisseurin und Drehbuchautorin Céline Sciamma zeigt mit „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ eine ebenso traurige wie zauberhafte Liebesgeschichte. Es war 2020 der weltweit meistgesehene französische Film – zu sehen diesen Donnerstag um 23.45 Uhr im WDR Fernsehen als Eröffnungsfilm einer Werkschau.
Der Film beginnt mit einer Szene, in der die Malerin Marianne (Noémi Merlant) ihren Schülerinnen Modell sitzt. Dass sie einen großen Schmerz mit sich herumträgt, wird allein durch ihren Blick klar. Als eine Schülerin ein altes Gemälde von ihr aus dem Depot holt, das eine Frau mit einem brennenden Kleid, die titelgebende „junge Frau in Flammen“, zeigt, kann sie ihre Emotionen nicht zurückhalten.
Zwei Sciamma-Filme heute Nacht im WDR
In einem Rückblick wird nun erzählt, was es mit dem Bild und dem Schmerz in Mariannes Blick auf sich hat. Denn Marianne hat einst einen ungewöhnlichen Auftrag erhalten: Sie soll das Porträt einer Frau malen, die das partout nicht will. Eine italienische Gräfin holt sie auf die Insel, um ihre Tochter Héloise (Adèle Haenel) zu malen.
Doch die junge Frau weigert sich standhaft, Modell zu sitzen, weil das Porträt sie nach Mailand führen wird, wo sie einen Mann heiraten soll, den sie nicht kennt. Das Bild soll ein Geschenk für den künftigen Gatten sein. Die Verweigerung ist die einzige Möglichkeit der Rebellion, die ihr dagegen bleibt. Aus der Klosterschule hat ihre Mutter sie nach dem Suizid der Schwester (hier eine drastischere Form der Flucht aus den Zwängen der Welt) herausgeholt. Damit ihrer zweiten Tochter das nicht auch passiert, darf sie das Haus nicht ohne Begleitung verlassen.
„Porträt einer jungen Frau in Flammen“ erzählt im Rückblick, was es mit dem Schmerz in Mariannes Blick auf sich hat
Marianne versucht nun, sich das Gesicht von Héloise vor allem bei gemeinsamen Spaziergängen an den Klippen so einzuprägen, dass sie es später zu Papier bringen kann. Die verstohlenen Blicke, die sie ihr dabei immer wieder zuwirft, bleiben nicht unbemerkt und sind schnell mehr als nur ein Arbeitsinstrument. Denn die beiden Frauen freunden sich erst an – und verlieben sich dann rettungslos ineinander. „Haben Sie von mir geträumt?“ – „Nein, ich habe an Sie gedacht.“
Vor allem als Héloises Mutter abreist, um die Hochzeit in Mailand in die Wege zu leiten, erleben die beiden Frauen zusammen mit der Magd Sophie unbeschwerte Tage – allerdings hat Sophie ihre ganz eigenen Probleme: Sie ist schwanger und will das Kind unter keinen Umständen bekommen.
Niemand stellt in dem Film eine moralische Frage nach der Abtreibung. Dass Frauen – auch in der Zeit – ein Recht darauf und auf ihren eigenen Körper haben, stellt Sciamma nicht zur Debatte. Und als Sophie ihr Kind abtreiben lässt, hält das Baby der Frau, die ihr dabei hilft, ihr die Hand. Die vielleicht eindrucksvollste Szene in diesem an bleibenden Bildern reichen Film. Streckenweise ist der Film, der in Cannes für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde, selbst ein Gemälde.
Es ist eine männlich dominierte Welt, in der die Frauen leben – aber Männer kommen im Film nicht vor. Sciammas Film ist ein zutiefst feministischer, in der Frauen sich selbst genug sind, sich an andere Frauen wenden, wenn sie Hilfe brauchen und glücklich wären, wäre diese Welt nicht umgeben von einer anderen.
Zutiefst feministischer Film
Sciamma braucht keine großen Gesten, um die Geschichten ihrer Hauptfiguren zu erzählen. Es sind vor allem die Blicke der Frauen, in denen Großes passiert. Der weibliche Blick. So ist der Film ein wichtiger Beitrag zu Geschlechterdebatte, eine feministische Befreiungsgeschichte, vor allem aber eine zauberhafte Darstellung des Verliebens.
Im Anschluss um 1.30 Uhr zeigt der WDR den ersten Film der Regisseurin, „Water Lilies“ (2007), der sich mit pubertärer Sexualität und den Irrungen und Wirrungen des Heranwachsens befasst.
[Britta Schultejans]
Bildquelle:
- df-portrait-einer-jungen-frau-in-flammen: ARD-Foto