Das Genre der Talkshow hat ihre goldenen Zeiten hinter sich, absehen von ein paar Polit-Talks bei den Öffentlich-Rechtlichen ist nicht mehr viel übrig. Doch Jan Böhmermann und Olli Schulz wollen das TV-Urgestein nun retten, auf ihre ganz eigene Weise.
Köln, ein TV-Studio in einem Hinterhof. Jan Böhmermann und Olli Schulz fläzen sich auf eine Couch, wie sie ihr Zielpublikum höchstens aus Omas Wohnzimmerchen kennt. Die Sendung, die sie gerade vorbereiten, ist in gewisser Weise auch Retro – eine Talkshow, die mit der Ästhetik früherer Fernsehtage spielt. So wie schon „Roche & Böhmermann“, ein Talk, der vor Jahren zum Geheimtipp wurde. Nun wird er neu aufgelegt und heißt „Schulz & Böhmermann“ (ZDFneo).
An der Seite von Böhmermann sitzt nun allerdings Musiker Olli Schulz, mit dem er bereits in der Radioshow „Sanft & Sorgfältig“ (unter anderem bei radioeins vom RBB) jede Woche über alles und nichts philosophiert. Ein Gespräch über Fernsehen mit Kontrollverlust, Charlotte Roches Schatten und über Hape Kerkelings Lebenswerk.
Herr Schulz, wie fühlt es sich an, die neue Charlotte Roche zu sein?
Olli Schulz: Ach, darüber habe ich nie nachgedacht. Ich fand die Sendung „Roche & Böhmermann“ und das Konzept sehr gut. Daher habe ich auch mal hart gesagt: Ich hätte die Sendung auch mit Charlotte weitergemacht, wenn Jan gesagt hätte, er hätte kein Bock mehr. Oder mit jemand völlig anderem.
Jan Böhmermann: Es ist faszinierend zu sehen, wie diese Sendung nicht aufhört, auch wenn die Kameras aus sind. Die Diskussionen gehen stundenlang weiter. Man verliert nach fünf Minuten die Kontrolle über das, was da passiert. Das ist echt interessant.
Wie schwer ist es, zu zweit eine Talkshow zu moderieren. Geht das ähnlich durcheinander wie bei Ihrer gemeinsamen Radioshow „Sanft & Sorgfältig“?
Schulz: Die Radio-Sendung dreht sich sehr um uns und unsere Befindlichkeiten. Hier haben wir Gott sei Dank einige Gäste zwischen uns und wir reden weniger über uns selbst. Vielleicht werden es die Leute auch vermissen, dass wir nicht so viel Smalltalk über uns halten.
Böhmermann: Es ist eine schöne Produktion, die man auch noch schön vor den Ferien machen kann. Das ist anders als in meiner anderen Sendung, bei der ich nichts anderes mache, als mir von morgens bis abends Sachen auszudenken. Hier kommt man entspannt hin und geht entspannt nach Hause.
Schulz: Das ist auch die einzige Art, wie ich arbeiten kann. Viel Vorbereitung war noch nie mein Ding.
Wie würden Sie ihr Verhältnis beschreiben?
Schulz: Ich habe keine Lust, das zu definieren. Wenn ich anfangen würde, das psychologisch zu durchleuchten, würde es auch den Zauber nehmen.
Böhmermann: Eigentlich sind wir uns sehr ähnlich. Der Kern ist ähnlich, aber es hat sich komplett in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Ich bin zum Beispiel ein wahnsinniger Fan von Steuererklärungen. Ich weiß genau, wie viel Geld ich verdiene, ich kann Rechnungen schreiben. Ich kümmere mich gern um solche Sachen. Olli eher nicht so.
Schulz: Ne. So lange genug Geld da ist, interessiert mich nicht, wie viel es genau ist.
Und wie geht es nun weiter? Erstmal gibt es ja nur vier Sendungen und ein Best-Of.
Böhmermann: Wir gucken mal, wie die Resonanz ist. Ich habe an Tag zwei gedacht: Das könnte ich zehnmal im Jahr machen. Meine Erfahrung mit solchen Sendungen ist auch, dass es mit den Gästeeinladungen einfacher wird, wenn mehr Menschen die Sendung mal gesehen haben. Jetzt hatten noch viele Leute Angst, zu kommen, weil sie die Sendung nicht kannten.
Schulz: Und wenn die Leute nicht alle nach Charlotte Roche schreien, würde ich es auch ein paar Wochen noch weitermachen.
Mehr Sendungen bedeutet ja aber auch mehr Arbeit, mehr Sendezeit. Hape Kerkeling hat in einem „Spiegel“-Interview kürzlich gesagt, er habe sich in seinen Shows nie wirklich wohlgefühlt. Er sei vom Fernsehen „ausgelutscht“ worden.
Böhmermann: Ich fühle mich in unendlicher Wertschätzung des Lebenswerks von Hape Kerkeling fast beleidigt, dass er nun selbst sagt, dass er sein Fernsehschaffen nur mittelmäßig fand. Vielleicht hatte er nie einen befriedigenden Grad der künstlerischen Unabhängigkeit im Fernsehen. Was ich hier mache, kommt extrem aus mir und dem Team heraus. Da redet keiner rein. Vielleicht war es das. Wahrscheinlich tue ich ihm auch Unrecht, das zu interpretieren. Hape Kerkeling ist ein toller Entertainer. Aber wenn ich irgendetwas machen würde, das mich unglücklich macht, würde ich sofort aufhören.
Also keine Angst, dass sie in 30 Jahren Ähnliches sagen?
Böhmermann: Ich glaube nicht. Aber wenn ich eines Tages ein megaerfolgreiches Wanderbuch schreiben sollte, kann ich das heute nicht garantieren.
Vielen Dank für das Gespräch.[Interview: Jonas-Erik Schmidt/fs]
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