Über die Jahre sind Bootz und sein eigenbrödlerischer Kollege Lannert zu einem richtigen Team geworden. Das zeigt sich auch in ihrem mittlerweile 10. gemeinsamen ARD-Einsatz am heutigen Sonntag (4. März, 20.15 Uhr), in dem Bootz nach einem missglückten Mordanschlag auf den Unternehmer Otto Imberger undercover als Sicherheitsbeauftragter in die Familie eingeschleust wird.
Freunde sind die beiden Ermittler zwar geworden, doch was sie sich immer noch nicht angewöhnt haben, ist das Schwäbeln. Für zumindest einige Fans das größte Manko der Stuttgarter „Tatort“-Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare). Bereits vor gut vier Jahren, als die Beiden mit der Folge „Hart an der Grenze“ ihren ersten gemeinsamen Einsatz hatten, haben die Lokalpatrioten unter den Zuschauern die fehlende schwäbische Mundart bemängelt. Geändert hat sich daran bis heute nichts.
Die härteste Kritik kam wohl von Vorgänger Dietz-Werner Steck alias Kult-Kommissar Ernst Bienzle. Der meinte, Lannert und Bootz hätten „keinen Lokalkolorit“ mehr. „Meistens hören wir, dass die Leute froh sind, dass Stuttgart als Stadt gezeigt wird, die Weltniveau hat, ein großer Schmelztiegel vieler Nationalitäten“, hält Müller im Interview dagegen. „Ich weiß nicht, ob es dann nötig ist, dass die Kommissare Dialekt sprechen.“
Knapp 20 Leichen später müssen Lannert und Bootz nun den Mord am Chauffeur eines Porzellanfabrikanten aufklären. Marco Hummel wurde auf einem Friedhof erschossen, als Firmenchef Otto Imberger (stark: Otto Mellies) das Grab seines Vaters besuchte. Galt der Anschlag dem Patriarchen, dessen Söhne um sein Erbe zanken und dabei Fortschritt gegen Tradition ausspielen wollen? Die ARD zeigt den Fall „Scherbenhaufen“ (Regie: Johannes Grieser) an diesem Sonntag um 20.15 Uhr.
Bootz soll nach dem Willen der Staatsanwältin als verdeckter Ermittler in der Villa der Imbergers einen Personenschützer geben. Bei der Einsatzplanung wird deutlich, wie sich die Charaktere im Laufe der Jahre gewandelt haben: Lannert ist sichtlich besorgt um Bootz und stellt sich zunächst gegen die Staatsanwältin. Als diese sich durchsetzt, trainiert er mit seinem jüngeren Kollegen Details dessen neuer Identität. Dabei fallen Sätze, die die gewachsene Beziehung zwischen den beiden am besten auf den Punkt bringen: „Ich denke, ich bin dein bester Freund?“, fragt Lannert. Bootz: „Na eben.“
„Die beiden haben mittlerweile auf jeden Fall Vertrauen zueinander, und eine echte Freundschaft.“, berichtet Klare. Sie könnten sich auch sagen, was am anderen nicht so toll ist. „Und deswegen funktioniert auch der Spannungsbogen zwischen den beiden für den Zuschauer, weil die beiden trotzdem weiterhin unterschiedlich genug sind und sich damit gut ergänzen.“
Anfangs prallten noch Draufgängertum und Intellekt aufeinander. Lannert lernte den Polizistenjob von der Pike auf, Bootz durchlief nach der Verwaltungsfachhochschule eine schnörkellose Karriere im gehobenen Dienst und belegte vier Semester Kriminalpsychologie. Dass die beiden gleich in der ersten Folge ein schwules Pärchen abgaben, war mehr Zwang der Ermittlungsarbeit. Neun Fälle weiter sagt Bootz – zwar auf seine Ehe bezogen, aber mit einem Augenzwinkern wohl auch auf das Verhältnis zu Lannert: „Bis dass der Tod uns scheidet.“
Längst ist die geheimniskrämerische Fassade des Eigenbrötlers Lannert gebröckelt. Auf der anderen Seite ist das Familienleben von Bootz längst nicht mehr so intakt. Holger Karsten Schmidt habe mit Lannert und Bootz zwei starke Charaktere konzipiert, sagen die „Scherbenhaufen“-Autoren Eva und Volker Zahn laut Presseheft. „Denkbar ist für dieses Duo ziemlich viel, aber wohin die Reise geht, entscheiden letztendlich Redaktion und Produktion.“
Auf der Fan-Seite „tatort-fundus.de“ rangieren sowohl die beiden Kommissare, als auch die Stuttgarter Folgen im oberen Feld der Beliebtheitsskalen; nicht herausragend, aber solide gut – und nach Angaben des produzierenden Südwestrundfunks (SWR) stets mit einem Marktanteil von mehr als 20 Prozent.
Auch „Scherbenhaufen“ ist ein klassischer Krimi mit mehreren Verdächtigen in einem Netz aus Betriebsspionage, Familienstreits und gefeuerten Mitarbeitern. Bootz‘ zwischenzeitlich lebensbedrohlicher Einsatz macht es vielleicht etwas spannender. Aber es bleibt wohl ein typischer Stuttgarter „Tatort“: nicht herausragend, aber solide gut.
[Marco Krefting/fm]
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