Ekel Alfred feiert seinen 50. und keiner kommt: Nicht einmal der angekündigte „Besuch aus der Zone“ erscheint. Dann muss der napoleonistische Herr im Hause Tetzlaff wohl alleine den Punsch auslöffeln – zumindest bis sein nutzloser Sozen-Schwiegersohn Michael sich nichtsahnend dazu gesellt. Dieses Szenario mutet ein bisschen wie eine Folge „Ein Herz und eine Seele“ an, ist aber vielmehr eine Allegorie auf die Ignoranz der ARD, das 50. Jubiläum der Serie gänzlich außer Acht zu lassen.
Jeder Bums bekommt zu seinem 25., 20. oder manchmal sogar noch kleineren Jubiläum Sonderprogramm en masse spendiert – nicht so Ekel Alfred. Der von Heinz Schubert in unnachahmlicher Art verkörperte Griesgram markiert eine Glanzstunden deutscher Serien-Geschichte. Dem Schauspieler verhalf sein Part zu außerordentlicher Popularität, wenn auch zu teilweise sehr zweifelhafter. Auf der Straße grüßten ihn manche, die Satire wohl so gar nicht verstanden oder missverstehen wollten, mit dem Hitlergruß. Wahrscheinlich – so viel Unterstellung sei erlaubt – scheint gerade aufgrund solcher Kontroversen um die Figur Ekel Alfred keiner bei der ARD ihm eine Träne nachzuweinen. Eine Ignoranz des Kultcharakters, so wie sie von Sendeanstalten an den Tag gelegt wird, die auf der Annahme basiert, „Ein Herz und eine Seele“ sei an manchen Stellen zu krass, ist, sollte es so sein, aber vielmehr Ausdruck der Verbrüderung mit den Missverstehenden als Abgrenzung.
Kein Herz und keine Seele: Jubiläumsverzicht Sinnbild der Zahnlosigkeit
Denn einen Alfred Tetzlaff könnte man in heutigen, politikverdrossenen Zeiten durchaus immer noch gut gebrauchen. Der kleine Mann mit großer Schnauze, der gegen den Mainstream schwimmt. So etwas gibt es nicht im deutschen Fernsehen. Die „heute-Show“ versucht sich daran mit der Figur Gernot Hassknecht abzuarbeiten, scheiter aber in der Hinsicht, dass die H asstiraden dort immer auf das vermeintlich Falsche hinweisen, anstatt mit breit geschwellter Brust Grenzwertiges hinauszuposaunen. Es ist halt leichter der ungreifbaren Politik den Spiegel vorzuhalten, als dem 0815-Zuschauer.
Ein Ekel Alfred fehlt in der deutschen Medienlandschaft
Ein Kalenderblatt in der hinterletzten Radionische bei WDR 4 ist das Einzige, was man am gestrigen Jubiläumstag der Erstausstrahlung (15. Januar 1973) auf die Kette bringt. Sonderprogramm im TV? Fehlanzeige! Unfassbar ausgedehnte elf Stunden Live-Übertragungen vom Wintersport und Handball, das geht im Ersten ohne Weiteres. Ein Serienmarathon – und sei es nachts – geht wohl über die Kapazitäten hinaus.
Doch der Spuk hat noch kein Ende: Eine angemessene Rubrik samt Verfügbarkeit der gerade einmal 25 Folgen umfassenden zwei Staffeln? Weit gefehlt. Hinter der Bezahlschranke, da findet man „Ein Herz und Seele“ dann bei ARD Plus und MagentaTV und die Zornesröte schießt einem prompt ins Gesicht. Geht man so mit einem Kulturschatz der deutschen TV-Historie um? Auf gar keinen Fall.
Diese Unterlassung ist ein Sinnbild der Zahnlosigkeit der Öffentlich-Rechtlichen. Schämt Euch ARD!
25 Folgen sind zwischen 1973 und 1976 produziert worden, wobei in den letzten vier die Rolle der einfältigen Ehefrau Else Tetzlaff von Helga Feddersen statt Elisabeth Wiedemann gespielt wurde. Und die des Schwiegersohns Michael von Klaus Dahlen statt Diether Krebs. Alfreds Tochter Rita wurde in allen Folgen von Hildegard Krekel dargestellt.
Die Ausstrahlungen im TV beschränken sich seit dem 70. Jubiläum der ARD 2020 auf Silvester, wenn die ARD-Sender es aufgrund der ausgelassenen Stimmung für sinnvoll erachten die Folge „Sylvesterpunsch“ zu zeigen, und an Karneval kommt oft die Episode „Der Rosenmontagsumzug“, so auch dieses Jahr, am Sonntag (19. Februar) um 17.55 Uhr im WDR.
Nächste Ausstrahlung am 19. Februar
Im Abspann jeder Folge steht „Nach einer Idee von Johnny Speight“. Die Serie hatte nämlich eine englische Vorlage. Schon 1965 lief in Großbritannien die Serie „Till Death Us Do Part“ (auf Deutsch: „Bis dass der Tod uns scheidet“).
Darin ging es um einen Dauernörgler mit naiver Ehefrau, kesser Tochter und politisch links orientiertem Schwiegersohn. Genau davon ließ sich „Ein Herz und eine Seele“-Autor Wolfgang Menge inspirieren, passte seine Serie jedoch enorm auf deutsche Verhältnisse an.
Mit Material der dpa
Bildquelle:
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