Die Wahlkampf-Berichterstattung zugunsten Putins treibt in Russland bunte Blüten. Selbst Beiträge über die arabischen Revolutionen dienen dem Staatsfernsehen als Munition gegen die eigene Opposition. Wer zu kritisch über Putin berichtet, muss um seinen Job fürchten.
Bizarre Stellvertreter-Duelle, Oppositionelle im Staats-TV und Propagandaschlachten im Internet: Im russischen Wahlkampf decken die oft als gleichgeschaltet kritisierten Medien ein großes Meinungsspektrum ab. Trotzdem dreht sich vor der Abstimmung am 4. März alles um Kremlkandidat Wladimir Putin (59). Wer den Regierungschef schärfer angeht, muss um seinen Job bangen. Die Staatsmacht übt Druck auf kritische Medien aus. Das zeigen jüngste Personalrochaden beim Radiosender Echo Moskwy, dem Fernsehkanal NTW und der renommierten Zeitschrift „Kommersant-Wlast“.Putin, Putin – immer nur Putin
Fernsehen, Zeitungen, Internet – Regierungschef Putin ist allgegenwärtig. Zwei Drittel der Berichterstattung rund um die Präsidentenwahl entfallen auf den aussichtsreichsten Bewerber, haben Politologen errechnet. Wann Putin Wahlkampf macht und wann er als Ministerpräsident auftritt, ist nicht zu unterscheiden.
Für TV-Debatten mit den vier anderen Kandidaten habe er keine Zeit, verkündet Putin kurzangebunden – und lässt sich von einer weithin unbekannten Ex-Abgeordneten vertreten. Eine Komödie sei das, schimpft der ultranationalistische Bewerber Wladimir Schirinowski (65).
Nach dem Arabischen Frühling berichtet das Staatsfernsehen verstärkt über Gewalt und Chaos bei Unruhen. Kein Zufall: Putins Lieblingsthema ist die Warnung vor einem Rückfall in die chaotischen 1990er Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. Kommentatoren werfen ihm einen rückwärtsgewandten Wahlkampf vor. Vom Kreml gesteuerte Medien sollen mit dafür sorgen, dass alles bleibt wie es ist.Kaum ein positives Wort über die Opposition
Zwar zeigte das Staatsfernsehen überraschend auch längere Berichte über die jüngsten Straßenproteste zehntausender Regierungsgegner. Doch zugleich fällt in den Sendern kaum ein positives Wort über die Opposition. Dabei haben die erklärten Regierungsgegner nicht einmal einen eigenen Kandidaten im Rennen. Stattdessen richtet sich alles gegen das virtuelle Schreckgespenst einer vom Westen finanzierten Revolution. Einziger unabhängiger Sender ist der Kanal Doschd, der die Demonstrationen eng begleitete – der nun ins Visier der Staatsanwaltschaft gerät, die seine Finanzströme offenlegen will.
Auch in Zeitungen erhält Putin seitenweise Platz, etwa für seine Programmartikel. Reihum darf er seine Ansichten zur Sozial- oder Familienpolitik, zur Wirtschaft oder zur Einwanderung publizieren, vom liberalen „Kommersant“ bis zur Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“. Artikel der Gegenkandidaten gibt es in diesem Ausmaß nicht.
Stattdessen erscheinen Texte, die offenbar zeigen sollen, wie gut es die Russen haben. In der Armee sei die Verpflegung besser als bei den US-Streitkräften, verkündete etwa die „Komsomolskaja Prawda“. Dabei kam erst jüngst heraus, dass Rekruten Hundefutter erhielten.Gesänge für und gegen Putin im Internet
Eine ganz andere Wahlkampf-Schlacht liefern sich Gegner und Unterstützer Putins im Internet. Den Anti-Putin-Song einer Veteranen-Band konterten Anhänger des Kremlkandidaten mit der peinlich anmutenden Hymne „WWP“ für Wladimir Wladimirowitsch Putin. Während Kritiker Putin in einer Montage vor Gericht stellen, lässt das Regierungslager Prominente für den 59-Jährigen werben.
Putin selbst wirkte zuletzt dünnhäutig, er scheint die jüngsten Straßenproteste persönlich zu nehmen. Radio Echo Moskwy überschütte ihn „von morgens bis abends mit Durchfall“, fauchte er vor kurzem Chefredakteur Alexej Wenediktow an. Nun feuerte Hauptaktionär Gazprom-Media – eine Tochter des Staatskonzerns Gazprom – den prominenten Reporter aus dem Aufsichtsrat. Andere bekannte Journalisten – beim TV-Sender NTW oder dem Magazin „Kommersant-Wlast“ – waren nach direkter Kritik an Putin ihre Arbeit ganz los. [Benedikt von Imhoff]
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