Hape Kerkeling, Harald Schmidt, Thomas Gottschalk, Günther Jauch – Personen, die das Bild des deutschen TVs prägten. Und alle haben sie sich gänzlich oder teilweise vom Bildschirm zurückgezogen. Am gestrigen Mittwoch zog Stefan Raab nach. Verliert die deutsche TV-Landschaft langsam aber allmählich ihr Gesicht?
Eine Schockwelle trifft die deutsche Fernsehunterhaltung: Stefan Raab hört auf. Mit dem 48-jährigen Metzgersohn aus Köln verschwindet zum Ende des Jahres der wohl einfallsreichste Entertainer aus dem deutschen Fernsehen. Seine Ankündigung, nicht mehr auf dem Bildschirm seinen genialen Ulk zu verbreiten, schlug am Mittwochabend zwar heftig ein, entsprach aber im Grunde genommen einer langfristig angelegten Lebensplanung.
In einem kurzen TV-Interview, das vor knapp 20 Jahren entstand, sagte der etwa 30-jährige Raab, damals schon ein Star des Musikfernsehens: „In meiner Anfangszeit bei Viva habe ich mal gesagt, dass ich nicht im Fernsehen alt werden möchte.“ Er meinte weiter: „Ich möchte nicht meinen Kindern erzählen: „Guck mal, das im TV ist der Papa, der macht da den lustigen Onkel, damit er Euch was zum anziehen kaufen kann.“
Mit 50 sei spätestens Schluss, prognostizierte der Tausendsassa damals schon, obwohl der größte Sprung seiner Karriere noch bevorstand: der Wechsel zu ProSieben, die Ideen für viele neue Fernsehshows, die Gründung einer eigenen TV-Produktionsfirma in Zusammenarbeit mit dem Kölner Unternehmen Brainpool. Das machte Raab nicht nur zum Bildschirmstar. Er wurde mit all den TV-Formaten aus seiner Ideenschmiede ein international erfolgreicher Geschäftsmann.
Raab reiht sich ein in eine ganze Generation von Bildschirm-Stars, die sich zurückzieht. Hape Kerkeling, mittlerweile 50 Jahre alt, hat schon vor längerem erklärt, nicht mehr für die große Bühne zur Verfügung zu stehen. Harald Schmidt, 57 Jahre, das deutsche Late-Night-Aushängeschild der 90er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrhunderts, wanderte von Sender zu Sender, bis er alle Zuschauer verlor. Thomas Gottschalk (65) hat „Wetten, dass..?“ längst abgelegt, und auch Günther Jauch (58) hat mit dem jüngst avisierten Abschied vom ARD-Polittalk einen kleinen Schritt zurückgetan.
Was den „Raabinator“ zu seinem Schritt wirklich bewegt, lässt er im Unklaren. „Ich habe mich entschlossen, zum Ende dieses Jahres meine Fernsehschuhe an den Nagel zu hängen“, zitierte ihn sein Sender, dem er 16 Jahre fest verbunden war. „ProSieben hat mir eine mehrjährige Vertragsverlängerung angeboten. Das hat mich sehr geehrt. Dennoch habe ich meine Entscheidung nach reiflicher Überlegung und mit Überzeugung getroffen.“
Zuletzt soll es jedoch im Verhältnis zwischen ProSieben und Raab geknirscht haben. Der Sender hatte im Juli vergangenen Jahres bei der Jahresprogrammpressekonferenz in Hamburg ein neues Showformat mit Raab in Aussicht gestellt. Doch daraus wurde nichts. Dann wurde seine Show „Schlag den Raab“ im Frühjahr „aus produktionstechnischen“ Gründen einmal verschoben, auch hier kochten Gerüchte um Spannungen hoch.
Schließlich wurde er mit dem privaten Marktführer RTL in Verbindung gebracht, der eine neue Show im Stil von „Wetten, dass..?“ plant. „Eine Zusammenarbeit mit Stefan Raab ist derzeit bei uns kein Thema“, wehrte ein Sprecher auch am Donnerstag ab. Doch ein kleines Fragezeichen bleibt: RTL hat seine Jahresprogrammpressekonferenz in diesem Jahr auf den Saisonstart im Spätsommer verschoben. Vielleicht um dann in aller Ruhe einen neuen Star zu präsentieren?
Um den „King of Kotelett“ muss sich niemand Gedanken machen. Er hat mit Sicherheit etwas beiseitegelegt. Als Produzent dürfte er auch erfolgreich bleiben. Auch dem Konzern ProSiebenSat.1 geht es gut. Doch nach Raabs Abgang klaffen riesige Lücken. Nicht nur die ellenlangen Samstagabendshows müssen ersetzt werden, vor allem auch die werktägliche Show „TV total“ hinterlässt ein Loch im Programm. Wie wird das gestopft? „Samstags werden weiter Shows laufen“, versicherte ein ProSieben-Sprecher am Donnerstag. Und sonst? Am 7. Juli will der Sender auf seiner Jahrespräsentation Lösungen nennen.
Fest steht: Einen Genius wie den Grimme-Preisträger Raab gibt es kein zweites Mal. Die jüngeren ProSieben-Gesichter Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf können ihn nicht ersetzen. Dasselbe gilt für Palina Rojinski und Neuzugang Lena Gercke. Sie können Raab nicht das Wasser reichen. Klar ist: Stefan Raabs Abgang vom Bildschirm ist ein schmerzlicher Verlust für Deutschlands Fernsehlandschaft. [dpa/ag]
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