Nun laufen die EM-Quali-Spiele der deutschen Nationalmannschaft also auf RTL. Im Vorfeld ahnte man, dass sich bis auf die erwartbaren Quoten so einiges ändern würde. Das tat es auch. Nur überraschen konnte das niemanden. RTL bot dem TV-Zuschauer genau das, was er von Sport auf RTL erwarten kann – im Guten wie im Schlechten.
Zwischendurch vermisste man kurz mal Niki Lauda. Wäre Florian König mit seinem Sidekick (diesmal Torwart- und Zettel-Legende Jens Lehmann) nicht durch ein Fußballstadion, sondern durch eine Boxengasse gewandert und hätte man anstatt jubelnder Massen röhrende Motoren gehört – es hätte auch die Formel 1 sein können. Dass die Sehgewohnheiten des deutschen Fußballfans, nicht aber die des RTL-Zuschauers auf die Probe gestellt werden würden – es war klar.Emotionen, Emotionen, Emotionen
Und wer sich damit nicht arrangieren konnte, für den war der XXL-Fußballabend ein hartes Stück Arbeit. Schon um 17.15 Uhr ging es ganz nah ran an „Joachim Löw – Der Weltmeistermacher“, auch wenn er konsequent „Jogi“ und nicht „Joachim“ genannt wurde. Da wurde sogar sein Friseur interviewt, um den Privat-Menschen Jogi Löw so richtig kennen zu lernen. Warum auch nicht?
Richtig anstrengend geriet der Vorlauf zur Vorberichterstattung, als „Deutschland im Fussballfieber“ gezeigt wurde. Eine weitgehend inhaltsleere, emotionsgeladene Aneinanderreihung von jubelnden Fans, Spielern, Trainern und noch mehr Fans – und einem bedeutungsschwanger ausbrechenden Vulkan (im Countdown gab es später noch eine startende Rakete, nunja). Pathos am Maximum, den nur aushielt, wer öfter Formel 1 und Boxen auf RTL schaut und entsprechende Ästhetik gewohnt ist.
Es war fast wohltuend, dass der eigentliche „Countdown“ zum Spiel weitgehend vor sich hin dümpelte. Florian König und Experte Jens Lehmann liefen durch das Dortmunder Stadion und redeten ab und zu auch mal über Fußball, wenn es nicht gerade um Twitter-Follower und die schottischen Fans ging. Das war zwar nicht die klassische öffentlich-rechtliche Berichterstattung, aber es war zumindest entspannt. RTL bot wie angekündigt mehr Schnickschnack wie die 3D-Aufstellung direkt auf dem Spielfeld, die aber besser zum Gesamtpaket passte, als es die flache Spielfeld-Grafik der Konkurrenz getan hätte. Ob man dem Bundestrainer im Interview nach dem Spiel wirklich einen Espresso hinstellen musste, sei mal dahin gestellt, gestört hat es ihn wohl nicht.40 Prozent Marktanteil – natürlich
Aber „was zählt, is‘ aufm Platz“ und da war alles wie immer. Marco Hagemann ist ein erfahrener Reporter, der darauf verzichtete, den Zuschauern den Fußball zu erklären und souverän das Spiel kommentierte. Dass die Halbzeitanalyse aus zwei deftigen Werbeblöcken bestand, war genauso erwartbar wie die hervorragenden Quoten. In der Spitze sahen über elf Millionen Zuschauer zu, RTL sicherte sich fast 40 Prozent Marktanteil. Nur den anstrengenden Vorlauf wollte kaum jemand sehen. Die Reportage „Deutschland im Fussballfieber“ kam nichtmal auf zwei Millionen Zuschauer. Da ahnten wohl einige, was sie erwartet hätte. Ob es den Sender dazu bewegen wird, in Zukunft auf derlei Rahmenprogramm zu verzichten, darf dennoch bezweifelt werden.
Was hat uns dieser RTL-Abend nun gezeigt? Die notorischen Kritiker hatten viel zu kritisieren. Zu viel Pathos, zu wenig Inhalt, zu intensives Anbiedern. Das ist alles richtig. Aber wen überrascht das? RTL hat sein Formel-1-Rezept auf den Fußball übertragen und versucht, die klassische Berichterstattung, auf die der Zuschauer seit Jahrzehnten von ARD und ZDF geeicht ist, mit Emotionen, Emotionen, Emotionen zu ersetzen. Das gefällt nicht jedem. Aber einschalten wird trotzdem jeder. Denn es ist Fußball. Es ist die deutsche Nationalmannschaft. Und die zieht immer, egal, was drumherum gesendet wird. Am 11. Oktober gegen Polen schaltet man dann eben am besten erst kurz vor Anpfiff ein. Wie es die überwältigende Mehrheit in weiser Voraussicht bereits gegen Schottland getan hat. Auch danach wird RTL wieder für die „Eventisierung“ der „European Qualifiers“ auf den Deckel kriegen. Einzig Lehmann und Hagemann werden wieder für Sachverstand im emotionsgeladenen Konzept sorgen. Und der Sender wird sich wieder beruhigt über die Quoten freuen, die „Rising Star“ weiterhin nicht einfährt. Überraschungen? Fehlanzeige![TV-Kritik von Christoph Pech, Redakteur]
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