Computerspieler stinken nach Schweiß, sind sozial isoliert und bekommen keine Frau ab. Mit diesen Klischees im Rahmen des Boulevard-Magazins „Explosiv“ hat der Kölner Privatsender RTL die deutsche Games-Community gegen sich aufgebracht.
Der bereits am 19. August ausgestrahlte Beitrag von Redakteur Tim Kickbusch zur Gamescom in Köln schlägt dabei zunehmend höhere Wellen. Off-Kommentare wie „Die überwiegende Mehrheit aller Messebesucher trägt aber den Computerspieler-Einheitslook. Dunkle Schlabberklamotten, die manchmal etwas schlecht riechen“ oder stereotype Bilder von maskierten Männern mit Plastikgewehren haben nach Angaben der Landesmedienanstalten zu mehr als 7 000 Beschwerden auf der im Internet eingerichteten zentralen Anlaufstelle Programmbeschwerde.de geführt.
Die Seite wurde aufgrund des Ansturms zwischenzeitlich vom Netz genommen. Die Medienhüter appellierten an die Nutzer, von weiteren Eingaben abzusehen, da die Beschwerde unabhängig von der Zahl der Meldungen geprüft werde. Der Kölner Privatsender reagierte eher kleinlaut auf die unerwartet heftige Kritik: „Die Verallgemeinerung und Überzeichnung des Beitrags zur Gamescom in der Sendung „Explosiv“ vom Freitag, 19.08.2011, war ein Fehler. Wenn wir Gefühle verletzt haben sollten, entschuldigen wir uns ausdrücklich dafür“, hieß es in einer Stellungnahme.
Redakteur Kickbusch goß unterdessen zusätzliches Öl ins Feuer. In einer Stellungnahme auf seinem privaten Facebook-Account schrieb er: „Ich persönliche glaube, Gamescom-Besucher und Computerspieler sind ein humorloser Menschenschlag“ und „Viele Kranke Hirne sind unterwegs…“. Mittlerweile sind der Pinnwand-Eintrag und zahlreiche empörte Reaktionen nicht mehr öffentlich einsehbar.
Erst am Donnerstagnachmittag zeigte sich Kickbusch aufgrund des wachsenden Medienechos reumütig: „Über 100 Mails heute haben mir gezeigt, dass ich die Wirkung meines Beitrags zur Gamescom ganz falsch eingeschätzt habe. Der sollte lustig werden. Das ist mir gründlich misslungen. Ich wollte niemanden beleidigen oder verletzen. Dass das jetzt dennoch geschehen ist, tut mir sehr leid. Die anschließende Diskussion auf meiner privaten Facebook-Seite über den Beitrag und die Reaktionen darauf war hitzig. Meine Äußerungen dort waren unüberlegt. Auch dafür möchte ich mich entschuldigen“.
Ob die Entschuldigung auf Druck von RTL erfolgte, ließ der Sender auf Anfrage unkommentiert. Der Privatsender spielte das Klischee im übrigen auch in anderen Sendungen aus. In einem Beitrag für das Morgenmagazin „Punkt 6“ etwa wurden zwei junge Frauen als Lockvogel über die Messe geschickt. Erwartungsgemäßes Resultat: Keiner der Games-Interessierten zeigte sich flirtinteressiert, alle hatten ausschließlich Augen für die präsentierten Spieleneuheiten.
Wer die Aufregung um den „Explosiv“-Beitrag von Tim Kickbusch nachvollziehen möchte, dürfte sich unterdessen schwer tun: Auf allen größeren Videoplattformen wurden die zahlreich eingestellten Clips unter Verweis auf den „Urheberrechtsanspruch von RTL“ gelöscht. Auch dieser wenig souveräne Umgang mit der Kritik aus der Spieleszene dürfte dazu beigetragen haben, dass ein Teil der RTL-Website am Donnerstagmittag kurzfristig einem Hackangriff zum Opfer fiel. Anstelle der Gruppen-Seiten öffnete sich zeitweise ein Popup mit dem Text „Gamez“. [ar]
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