
Berlin/Leipzig – Auf einer Veranstaltung im Rahmen des Medientreffpunkts Mitteldeutschland warnten die Vertreter der privaten Sparten- und Zielgruppensender im Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V. VPRT) davor, ARD und ZDF weitere Expansionen in die privaten Medienmärkte zuzugestehen.
Die Medienpolitik müsse erkennen, dass durch die zunehmende Kommerzialisierung der öffentlich-rechtlichen Programme die weitere Verspartung und die Individualisierung der gebührenfinanzierten Angebote im Fernsehen und im Internet die Existenzinsbesondere der jüngeren privaten Zielgruppen- und Spartensender in Deutschland bedroht sei.
Die medienpolitischen Debatten verkürzten die private Senderlandschaft häufig auf die „großen“ Privaten. Die Betroffenheit der mittelständischen und jüngeren Sender dagegen spiele kaum eine Rolle, so das Fazit der Sendervertreter.
Sie stellten ein Positionspapier zur Wettbewerbssituation der privaten Sparten- undZielgruppensender vor, dass die Lage der Sender und ihre Forderungen an die Medienpolitik vor dem Hintergrund einer wachsenden Verdrängung durch gebührenfinanzierte Programme zusammenfasst.
ochen Kröhne, Mitglied des Fachbereichsvorstandes Fernsehen und Multimedia im VPRT: „Der Auf- und Ausbau öffentlich-rechtlicher Mediatheken und immer neue gebührenfinanzierte Sparten- und Zielgruppenangebote bedrohen die Existenz der privaten Spartensender in Deutschland. Die medienpolitisch Verantwortlichen müssen die weitere gebührenfinanzierte Verspartung stoppen. Wir brauchen zudem klare Regelungen, die die Interessen der „kleinen“ privaten Sender bei der Digitalisierung der Rundfunkübertragung berücksichtigen. Sonst werden viele dieser Sender wirtschaftlich nicht überleben können.“
Kröhne warnte insbesondere vor einem weiteren ungebremsten Ausbau von individuell nutzbaren Abrufdiensten durch ARD und ZDF, die jeweils Kosten pro Abruf erzeugen. „Diese Angebote gehören nicht zum Grundversorgungsauftrag von ARD und ZDF. Weder die Angebote noch die Nutzung der Abrufdienste dürfen aus Gebührenmitteln finanziert werden“, so Kröhne. Spartenangebote der Rundfunkanstalten dürften – mit Blick auf die im Markt vorhandenen Angebote – nur dann überhaupt zulässig sein, wenn sie einen echten gesellschaftlichen Mehrwertbieten. Ihre Zahl sei im Rundfunkstaatsvertrag konkret zu begrenzen.
Die Refinanzierung der Anstalten ausschließlich aus Gebühren müsse sichergestellt werden, da die Werbung für eine Vielzahl insbesondere auch kleinerer privater Programmanbieter eine wichtige Refinanzierungsgrundlage sei.
Gleichzeitig kritisierte Kröhne in aller Schärfe die Situation der privaten Zielgruppen- und Spartensender hinsichtlich des Zuganges zu den Übertragungswegen und Haushalten: „Während auf der einen Seite die schleichende Abschmelzung analoger Übertragungskapazitäten imKabel hauptsächlich zu Lasten der kleinen Anbieter geht, bietet die schleppende Digitalisierung auf der anderen Seite keine ausreichenden Reichweiten für das Überleben der Sender. Die Digitalisierung derÜbertragungswege muss deshalb maßgeblich beschleunigt werden.“
Die Zahl der privaten Sparten- und Zielgruppensender im deutschen Fernsehmarkt hat sich in den letzten fünf Jahren von 39 (2003) auf aktuell 88 mehr als verdoppelt. Hinter diesen Sendern steht eine Vielzahl von Veranstaltern, die hochwertige Nachrichtenprogramme, Dokumentations-, Spielfilm-, Serien-, Sport- und Kindersender betreiben.
Zu ihrem Angebot gehören Kanäle zu Spezialthemen wie Kochen, Tiere, Religion oder Teleshopping. Sie kaufen und produzieren in Deutschland eigene Inhalte und schaffen damit eigene und weitere Arbeitsplätze. Die meisten von ihnen operieren noch nicht in der Gewinnzone, sondern sind darauf angewiesen, unter fairen Marktbedingungen ihre Anlaufkosten zu refinanzieren. [mg]
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