Jede Menge Tätowierungen und ein nettes Lächeln – der polnische Black-Metal-Sänger Nergal lässt konservative Politiker um das Seelenheil jugendlicher Fernsehzuschauer fürchten. Als Casting-Juror sorgt er für Furore.
Der polnische Black-Metal-Sänger Adam Darski, genannt Nergal, sammelt in diesen Tagen Erfahrungen mit der Mainstream-Kultur. Statt selbst auf der Bühne zu stehen, ist er als Casting Juror bei der Fernsehshow „The Voice of Poland“ dabei und wird von Oktober an zwölf Sängerinnen und Sänger als Trainer in den kommenden Wettbewerbsrunden unterstützen. In Deutschland startet im Herbst die deutsche Version der Castingshow.
Die Beteiligung des Leadsängers der polnischen Band Behemoth bringt Kirchenvertreter und konservative Politiker zur Weißglut. Denn Nergal gilt als Satanist, der vor vier Jahren bei einem Konzert eine Bibel zerriss. Der danach folgende Prozess wegen Verunglimpfung religiöser Gefühle endete mit einem Freispruch.
Die Entscheidung der Richter scheint die Nergal-Kritiker jedoch nur weiter anzustacheln. Der Gedanke, dass ein Satanist zur besten Sendezeit in einer bei Kindern und Jugendlichen beliebten Sendung zu sehen ist, ließ konservative Priester nach der Sonntagsmesse Unterschriften gegen den ihrer Meinung nach unzumutbaren Juror sammeln.
Bischof Wieslaw Mering, in der polnischen Bischofskonferenz für Kultur und Schutz des Kulturerbes zuständig, schrieb einen erbosten Brief an die Leitung des Fernsehsenders TVP, die das Programm ausstrahlt. „Die Beschäftigung eines bekennenden Satanisten, eines Menschen ohne Kultur, im öffentlichen Fernsehen überschreitet alle Grenzen des Anstands“, schimpfte der Bischof, der Priester und Gläubige obendrein aufrief, ihre Fernsehgebühren aus Protest gegen die Sendung nicht länger zu zahlen.
Die Mitglieder der nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ im Kulturausschuss des polnischen Parlaments verurteilten kürzlich in einer Stellungnahme das Engagements des Musikers, der „christliche Werte verletzt“. Eine Mehrheit erreichten sie problemlos, da die Vertreter der regierenden liberalkonservativen „Bürgerplattform“ nicht zur Ausschusssitzung erschienen waren. „Es geht nicht, dass in einem katholischen Land Christen verletzt werden können“, wütete der Abgeordnete Jan Dziedziczak. „Wir fordern, dass es dazu in Polen keine Erlaubnis gibt – schon gar nicht mit unserem Geld und unseren Abonnementgebühren“.
Nach den bisher ausgestrahlten Sendungen von „The Voice of Poland“ scheint allerdings die Aufregung der Nergal-Kritiker unangebracht. Der umstrittene Musiker zeigt sich ausgesprochen nett, freundlich und höflich, ermutigt auch die Kandidaten, die es nicht in die nächste Runde der Show geschafft haben. Unter den Jury-Mitgliedern ist er zwar derjenige mit den meisten Tätowierungen, aber Berührungsängste scheint es zwischen den aus ganz unterschiedlichen Künstlern bestehenden Jury nicht zu geben.
Nergal selbst bezeichnete seine neue Rolle in einem TVP-Interview als „Abenteuer“, in das er voller Neugier gehe. „Ich fühle mich nicht als Messias des Death Metal, der nur für das Extreme stimmt“, kündigte er an. „Ich liebe ganz einfach Musik“. Die Aufregung um seine Rolle in der Fernsehshow kommentierte er in der polnischen Ausgabe des Magazins „Newsweek“ mit den Worten: „Ich vergebe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Die ganze Aufregung ist nur Werbung für mich und meine Ansichten, die ihrer Meinung nach schlecht und gefährlich sind. Danke schön und bitte mehr davon!“[Eva Krafczyk]
Bildquelle:
- Inhalte_Fernsehen_Artikelbild: Destina - Fotolia.com