Eigentlich sollte Xavier Naidoo für Deutschland zum ESC fahren, doch mit der Entscheidung handelte sich der NDR schnell viel Ärger ein. Nun gibt es wieder einen normalen Vorentscheid, bei dem die Zuschauer bestimmen – und dabei sind die Karten noch gut gemischt.
Die deutsche Eurovision-Song-Contest-Geschichte ist voll mit versöhnlichen Liedtiteln: „Ein bisschen Frieden“ von Nicole, „Ein Lied kann eine Brücke sein“ von Joy Fleming oder einfach Guildo Horns Bekenntnis, dass er alle lieb hat („Guildo hat euch lieb!“). Auf eine ähnlich versöhnliche Grundstimmung dürften vielleicht auch die Macher des diesjährigen ESC-Vorentscheids hoffen, wenn am Donnerstag der deutsche Beitrag für die Endrunde in Schweden endlich feststeht. Genug Diskussionen hat es zuvor ja schon gegeben. Die ARD zeigt den den Vorentscheid „Eurovision Song Contest 2016 – Unser Lied für Stockholm“ um 20.15 Uhr.
Eigentlich hatte Xavier Naidoo das Ticket nach Stockholm schon in der Tasche. Da der Sänger zwar musikalisch äußerst erfolgreich, wegen einiger politischen Äußerungen allerdings umstritten ist, zog der zuständige NDR die Nominierung nach Protesten wieder zurück. Nun gibt es also wieder einen Wettbewerb mit mehreren Künstlern. Das Kandidatenfeld ist, man kann es nicht anders sagen, ziemlich bunt gemischt. Auf eine selbst gewählte Zuspitzung auf einen einzelnen Künstler folgt die große Vielfalt.
In der von Barbara Schöneberger moderierten Show treten unter anderem gregorianische Mönche (Gregorian) gegen Schlager (Ella Endlich) und Großstadt-Indie-Pop (Keøma) gegen opulenten Bombastrock (Avantasia) an. Es gibt zehn Bands und Musiker, aber bislang keinen wirklichen Favoriten.
Einem größeren TV-Publikum könnte eventuell die Sängerin Jamie-Lee Kriewitz bekannt sein, die bereits die ProSiebenSat.1-Show „The Voice of Germany“ gewonnen hat und mit schrillen Outfits im asiatischen Manga-Stil auffällt. Dass „The Voice“-Stimmen ESC-tauglich sind, hatte 2015 ja schon Andreas Kümmert mit seinem Sieg im Vorentscheid vorgemacht – auch wenn er das Ticket am Ende nicht haben wollte. Noch so ein Rückzieher in der deutschen ESC-Geschichte.
Die kunterbunte Kandidatenmischung sorgt immerhin dafür, dass der ewige Grand-Prix-Komponist Ralph Siegel wieder von einem großen Finale träumen darf. Der mittlerweile 70-Jährige, 1982 mit Nicole und „Ein bisschen Frieden“ erfolgreich, steckt hinter dem Lied der noch eher unbekannten Düsseldorferin Laura Pinski.
Dass es vor der Show die ein oder andere Diskussion gegeben hat, wundert Michael Sonneck nicht wirklich, den Präsidenten des Eurovision Club Germany, in dem sich ESC-Fans zusammengeschlossen haben. „Seit Stefan Raab und dem Sieg von Lena hat der ESC in Deutschland an Bedeutung gewonnen. Er wird jetzt ein wenig – wie in vielen anderen Ländern auch – als eine Art nationale Aufgabe betrachtet“, meint Sonneck, der heute noch von „Aufrecht geh’n“, dem Beitrag von Mary Roos aus dem Jahr 1984 schwärmt. Von den nun präsentierten Kandidaten sei er eigentlich ganz positiv überrascht. „Man hätte ja vermuten können, dass sich viele Künstler nach dieser Vorgeschichte nicht als Notlösung sehen wollten“.
Die Vorauswahl haben nach Angaben des NDR Vertreter der jungen ARD-Radios, des NDR, der Musikbranche und der Produktionsfirma Brainpool getroffen. Per Zuschauer-Abstimmung soll das Zehnerfeld auf drei Musiker und Bands verkleinert werden. Aus diesem Trio wird dann noch mal der Gewinner gewählt.
Der oder die Gewinner werden sich dann am 14. Mai in Stockholm als deutscher ESC-Beitrag in eine Reihe mit Nicole, Guildo Horn, Mary Roos und Lena stellen dürfen. Und auch mit Katja Ebstein. Die sang 1980 „Theater, Theater“. Auch das nicht ganz unpassend beim ESC. Irgendwer steht am Ende auf der Bühne. [Jonas-Erik Schmidt/fs]
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