Der große Schlagabtausch vor der Wahl: Am heutigen Sontag (1. September) treffen sich die beiden Kanzler-Kandidaten Angela Merkel und Peer Steinbrück zum großen TV-Duell. Dabei soll Entertainer Stefan Raab für mehr Pepp in der Sendung sorgen.
Die Konstellation im Studio G in Berlin Adlershof ist ungewöhnlich. Neben gestandenen Politjournalisten wie Maybrit Illner (ZDF), Anne Will (ARD) und Peter Kloeppel (RTL) sitzt in diesem Jahr beim TV-Duell vor der Bundestagswahl (1. September, 20.30 Uhr) mit Spaßvogel Stefan Raab ein Neuling im Quartett der Interviewer. Sie alle werden die Spitzenkandidaten Angela Merkel (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) löchern.
Als bekannt wurde, dass der 46-jährige gelernte Metzger aus Köln, der bislang für Entertainment-Formate wie „TV Total“ oder „Schlag den Raab“ steht, in die elitäre Riege vorstößt, traf die Entscheidung der Senderfamilie ProSiebenSat.1 auf vielfältige Kritik: „Selbst in den USA, dem Land des Unterhaltungsfernsehens, wäre niemand auf eine solche Idee gekommen“, rügte Ulrich Deppendorf, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios.
„Das Duell ist keine Showbühne für die Mätzchen von Moderatoren“, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey vor kurzem . „Nach der Sendung soll Deutschland nicht darüber diskutieren, ob Raab auch Politik kann, sondern wer die oder der bessere im Kanzleramt ist.“ Weil politisch ohnehin niemand Weltbewegendes erwarte, werde unter der Hand zur Zentralfrage: Wie macht sich Raab?, sagte der Medienexperte Bernd Gäbler der dpa. „Ich fürchte, das ist ein bisschen viel der Ehre.“
Beim Sendersystem ProSiebenSat.1 hat diese Besetzung Kalkül: Im Gegensatz zu 2009, als noch Nachrichtenchef Peter Limbourg für Sat.1 in den Ring stieg, soll Raab Pepp in eine möglicherweise recht flau dahinplätschernde Debatte bringen – vielleicht in ähnlichem Stil wie bei seinem Politspektakel „Absolute Mehrheit“, mit dem ProSieben junge Zuschauer für politische Themen interessieren will, wenngleich auch bisher mit überschaubarem Erfolg.
„Duell“-Novize Raab zeigte sich in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Sender nach der Unterredung aller Moderatoren für seine Verhältnisse sehr sittsam: „Es war angenehm, so wie ich es auch aus der Unterhaltungsbranche kenne. Wir waren uns schnell einig in der Art und Weise, wie wir den Ablauf des Abends gestalten werden.“ Raab bildet ein Pärchen mit Will, Illner ein anderes mit Kloeppel. „Gute Stimmung, gutes Konzept“, resümierte Will. „Wir haben offensichtlich alle so ungefähr dieselbe Idee davon, was ein Duell leisten kann.“
Und ist aus den Spitzenkandidaten wirklich noch etwas herauszuholen? Was sagt der Experte? „Natürlich nicht! Es ist eine Illusion zu glauben, da würden endlich die wirklich wichtigen, bohrenden oder gar unangenehmen Fragen gestellt“, meint Medienwissenschaftler Gäbler. „Es werden Themenlisten abgearbeitet. Für die Kandidaten kommt es darauf an, kompakt zu antworten, freundlich zu wirken, keine Fehler zu machen, nicht aggressiv oder gar überheblich zu erscheinen. Das ist alles.“
Im Grunde ist es wie bei einem großen Fußballspiel: Hinterher werden von Experten alle Spielzüge auf Herz und Nieren geprüft, da wird über Taktik geplaudert, da wird im Kaffeesatz gelesen und ob das Runde wirklich im Eckigen war. Günther Jauch bittet um 22 Uhr im Ersten nach 90 Minuten Wortgefecht zur Analyse, Marietta Slomka und Claus Kleber im ZDF, Ilka Eßmüller und Wolfram Kons auf RTL – und auf ProSieben unterhält sich Zampano Raab selbst gleich nach dem Duell mit seinen Gästen über seine Wahl total.
Fünf Sender übertragen zeitgleich ab 20.30 Uhr: Das Erste, das ZDF, RTL, ProSieben und Phoenix: Aber garantiert das auch eine Kulisse wie bei einem WM-Spiel? Der bislang eher milde Umgangston der Spitzenkandidaten lässt auch nur auf eine mäßige Zuschauerresonanz hoffen. Gut 14 Millionen Menschen schalteten vor vier Jahren ARD, ZDF, RTL und Sat.1 an, als sich Merkel und Frank-Walter Steinmeier, die sich auch recht sanft behandelten, duellierten. Vier Jahre zuvor waren es noch knapp sieben Millionen mehr, als sich Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und seine Herausforderin Angela Merkel noch recht zünftig zofften.
Der Wahl kann natürlich jeder Zuschauer auch entfleuchen: „Navy CIS“ heißt die Alternative auf Sat.1, „Bruce Allmächtig“ auf Kabel eins oder die „Promi Shopping Queen“ auf Vox. Auch ein bisschen politisch, wenn auch rein fiktiv, kommt 3sat – um 20.15 Uhr starten die Wiederholungen der Serie „Weissensee“ aus dem Ostberlin der 80er Jahre. [fm]
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