Die Ära der Casting-Shows im deutschen TV-Programm neigt sich ihrem Ende zu. Schuld daran sind die Formate selbst, denn durch die übertrieben Darstellung menschlicher Schicksale werde das Publikum zunehmend von einem „Inszenierungsekel“ ergriffen, so Medienforscher Bernhard Pörksen.
Castingshows haben im deutschen Fernsehen nach Überzeugung des Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen keine Zukunft mehr. „Ich glaube, dass die große Zeit der Castingshows zu Ende geht“, sagte Pörksen, Professor an der Universität Tübingen und Autor des Buches „Die Casting-Gesellschaft“, in einem Gespräch.
Grund für die Quoteneinbrüche sei ein „Inszenierungsekel“ des Publikums, der inzwischen weite Kreise erfasst habe: „Die zurecht geschnitzten Schicksale, die auf den Effekt getrimmten Geschichten, die immer gleichen Charaktere, die vorproduzierten Gags und berechenbaren Attacken – all dies untergräbt den letzten Rest an Glaubwürdigkeit, den das Genre zu Beginn besaß“, meinte Pörksen.
Am Freitag steigt das Finale der zweiten Staffel von „The Voice of Germany“. Die ProSieben/Sat.1-Show wirbt damit, dass Talente allein wegen ihrer Stimme ausgewählt werden – das pure Spektakel soll in den Hintergrund rücken. Die erste Staffel von „The Voice of Germany“ 2011 war ein Überraschungserfolg, in der zweiten brachen die Quoten ein.
„The Voice of Germany ist ein paradoxes Format, weil es die Rückkehr zu gängigen Standards als Neuigkeit verkauft“, sagte Pörksen. Auf einmal solle es tatsächlich um Leistung gehen; auf einmal gelte es, Kompetenz und Prominenz wieder in eine gesündere Balance zu bringen; auf einmal werde nicht mehr jede „Selbstbildstörung“ eines gänzlich ungeeigneten Kandidaten zum Anlass für boshaftes Gelächter und den Spott einer feixenden Masse. „Und doch: Am Ende des Tages regiert auch in dieser Show der Triumph des Gekünstelten, das offensichtlich an Reiz verloren hat“, ergänzte Pörksen.
Castingshows bescheren den deutschen TV-Sendern seit über zehn Jahren ein Millionenpublikum. Flaggschiff und Vorbild für etliche Nachahmer wurde 2002 die RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“. „Die Faszination der Castingshows war die Behauptung der Macher, man habe es hier mit echten Menschen und echten Talenten zu tun, die nun ihre Chance bekommen“, sagte Pörksen. Diese Behauptung des Echten und Authentischen habe man systematisch durch eine aggressive Überinszenierung enttäuscht.
„Herausgekommen sind Plastikprominente und Superstars, von denen man zu Recht schon kurz nach dem Ende der Shows nie wieder etwas hört“, erläuterte der Medienforscher. „Mit anderen Worten: Das Format ist dabei, sich selbst zu zerstören, seine eigenen Faszinationsbedingungen zu demontieren.“
[Gespräch:Haiko Prengel/fm]
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