Massaker in Mekka – Arte-Doku zur Besetzung der Großen Moschee

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Bild: Destina - Fotolia.com
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War das der „Urknall“ des Terrors? Mit der Besetzung der Großen Moschee begann 1979 die neue Ära der Gotteskrieger.

Rauchwolken steigen in den Himmel auf, Schüsse hallen durch die Dunkelheit, Befehle ertönen über Lautsprecher: Kurz vor Sonnenaufgang fallen am 20. November 1979 hunderte schwerbewaffnete Männer zur Gebetszeit in die Große Moschee von Mekka ein. Zwei Wochen lang halten die Aufständischen das wichtigste Heiligtum des Islam besetzt und liefern sich eine blutige Schlacht mit der saudischen Armee. Wie viele Menschen dabei sterben, ist bis heute unbekannt. Fest steht: Der Kampf um Mekka veränderte die muslimische Welt.

In seiner Dokumentation „Mekka 1979“, die der Kulturkanal Arte an diesem Dienstag (22.10 Uhr) zeigt, hat Filmemacher Dirk van der Berg die Vorgeschichte der Besetzung nachgezeichnet, die tagelangen Kämpfe, die Hilfe der USA und Frankreichs für die Saudis, das politische Nachbeben, das bis zum heutigen Krieg in Syrien reicht.

Mit ihrem Kommando-Unternehmen wollten Gotteskrieger aus der gesamten arabischen Welt die Absetzung der Saud-Dynastie erzwingen, der sie Verrat am Islam und Verwestlichung vorwarfen. Nur mit britischer Hilfe habe die Königsfamilie die Macht über den Wüstenstaat erringen können, lautete ein weiterer Vorwurf. Dschuhaiman al-Utaibi, der Anführer der Aufständischen, hatte bei fundamentalistischen Gelehrten in Medina Theologie studiert und sah sich als „Mahdi“ (Rechtgeleiteter) in der Nachfolge des Propheten Mohammed. Mit Gleichgesinnten stellte er nun die politischen und religiösen Verhältnisse zwischen Persischem Golf und Rotem Meer radikal infrage.

Fünf Jahre lang recherchierte van der Berg für seinen Film. Er sprach mit saudischen Militärs, dem damaligen Geheimdienstchef, Diplomaten sowie Mitgliedern der damals neu geschaffenen französischen Antiterroreinheit GIGN. Mit Hilfe von Originalaufnahmen beleuchtet die Dokumentation ein Schlüsselereignis in der jüngsten Geschichte des Nahen Ostens. Deutlich wird dabei, dass die Besetzung der Moschee den saudischen Staat in eine Existenzkrise stürzte.

Verzweifelt versuchte die Königsfamilie, die Besetzung geheim zu halten – vergeblich. Der König bat die USA um Hilfe, Präsident Jimmy Carter setzte die Navy auf dem Mittelmeer in Bewegung. In arabischen Metropolen wurde Protest laut, hinter der Besetzung vermuteten Demonstranten einen US-Komplott. Iran sah Israel als Teil der vermeintlichen Verschwörung.

Erst nach einem aufreibenden Kampf gelang es den Saudis, die inzwischen schwer beschädigte Moschee zurückzuerobern. Mit Hilfe einer französischen Spezialeinheit und viel Reizgas wurden die letzten Widerständler aus den Kellern gedrängt. In den darauffolgenden Monaten enthaupteten die Saudis rund 60 überlebende Rebellen, darunter den Anführer Dschuhaiman al-Utaibi.

Die Folgen des Aufstands wirken bis heute nach. Die Besetzung der Moschee sei ein „Wachruf“ für das saudische Regime gewesen, sagt die Historikerin Madawi Al Rasheed (London). Nach der Niederschlagung gaben die Saudis den wahabitischen Fundamentalisten weitgehend freie Hand, verschärften den konservativ-religiösen Kurs mit rigiden Einschnitten, etwa einer strikten Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit. „Wir hatten diese Gefahr nicht gesehen“, sagt der Journalist Chaled al-Maeena, der als Reporter Zeuge der Besetzung war, im Rückblick.

Das Königshaus begann danach mit der weltweiten Unterstützung von Fundamentalisten, bezahlte Flüge für islamistische Kämpfer nach Afghanistan und förderte die Terrormiliz Al-Qaida. Erst seit einigen Jahren zeichnet sich eine Kursänderung ab. Sein Land müsse endlich aus der „Post-79-Ära“ heraustreten, hat Kronprinz Mohammed bin Salman unlängst verkündet. [Esteban Engel, dpa]

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