Kaum eine Frau hat die Wissenschaftswelt so verändert wie Marie Curie. Der Bildungssender ARD-Alpha zeigt vom 25. Juni an samstags eine vierteilige Dokumentation mit bisher unveröffentlichtem Material über die Entdeckerin der Radioaktivität.
Sie war die erste Frau, die an der Sorbonne studierte, und bestand das Physikexamen 1893 als Jahrgangsbeste, obwohl Marie Curie beim Erlernen der französischen Sprache mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Das Mathematikstudium, das sie daran anschloss, beendete sie als Zweitbeste. Marie und ihr Mann Pierre Curie entdeckten gemeinsam die chemischen Elemente Polonium und Radium und erhielten dafür 1903 den Nobelpreis in Physik. Die erste Nobelpreisträgerin, deren Willensstärke und Objektivität von ihrem Zeitgenossen Albert Einstein gerühmt wurden, bekam acht Jahre später einen zweiten Nobelpreis, dieses Mal für Chemie. Die wissenschaftliche Laufbahn der Polin war mehr als außergewöhnlich, ihre Persönlichkeit war es ebenfalls. Der Sender ARD-Alpha hat eine Nobelpreisträger-Tagung zum Anlass genommen, die bisher umfangreichste Dokumentation über Curie produzieren zu lassen.
Mit der Produktion der Serie beauftragt hat der Sender die Firma Interaktion, die seit 25 Jahren für die öffentlich-rechtlichen TV-Sender vornehmlich Wissenschaftsfilme produziert. Die Produzenten haben der Biografie durch vier Episoden thematische Struktur verliehen. „Das Geheimnis der Radioaktivität“, „Polonium, Polen und die Welt“, „Frau, Mutter, Forscherin“ und „Im Einsatz für Frankreich“ konzentrieren Aspekte der ereignisreichen Biografie in jeweils einer Folge. Als Sendematerial über Geschehnisse aus einer Zeit, die immerhin ein Jahrhundert zurückliegt, wird das klassische Repertoire des historischen Dokus ausgebreitet: Zitate aus Briefen, Experten-Interviews, Fotos, Spielszenen und Gespräche mit Curies Enkelin Hélène Langevin-Joliot zeichnen das Bild einer facettenreichen Ausnahme-Persönlichkeit aus den verschiedensten Blickwinkeln und Standpunkten.
Die aufwändigen Recherchen der Produktion erweitern das Bild von Curie auch deshalb, weil sie bisher unveröffentlichtes Material erbrachten. Ob der Ausstrahlungszeitpunkt von jeweils 22 Uhr dem Bildungsauftrag von ARD-Alpha in besonderem Maße Genüge tut, ist allerdings fraglich.
Ob „Madame Curie“ eine Feministin war, ist viel diskutiert worden. Die feministische Theorie ist damals kaum entwickelt. Jedenfalls dürfte Marya Skłodowska, wie ihr polnischer Name lautete, als Vorreiterin der Emanzipation gelten. Dass ihr Weg als Wissenschaftlerin von Erfolg gekrönt war, lag vor allem an der Unterstützung durch die Wissenschaftsgemeinde. Als nach dem Tod ihres Mannes die Beziehung Curies zu ihrem verheirateten Kollegen Paul Langevin publik wird, wird sie das Objekt massiver moralischer Angriffe.
„Nach der Langevin-Affäre fasste Curie nur noch zu Frauen ein tieferes Vertrauen“, schreibt der Schriftsteller Henri-Pierre Roch, Autor des berühmten Romans „Jules und Jim“. Ihr Privatleben ist seitdem geprägt durch das Verhältnis zu ihren Töchtern, ihrer älteren Schwester Bronia und ihrer besten Freundin, der amerikanischen Journalistin Marie Maloney, die sie eines Tages bittet, die von ihr geschriebenen Briefe sämtlich zu verbrennen. Trotz des großen Misstrauens der Gesellschaft gegenüber engagiert Curie sich in dem bald ausbrechenden I. Weltkrieg für das Rote Kreuz, nach dem Krieg sitzt sie mit anderen bekannten Wissenschaftlern im „Internationalen Ausschuss für intellektuelle Zusammenarbeit“. Finanzielle Möglichkeiten nutzt sie nicht, auf die Patentrechte für die von ihr entwickelte Curie-Therapie etwa verzichtet sie aus Stolz. Wenn neben Curies großer wissenschaftlicher Begabung und ihrer Willensstärke eines hervorsticht, ist es ihr unbestechlicher Idealismus. Vor allem hierin ist sie ein zeitloses Vorbild. [kw]
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