Ein scheinbar normaler Entführungsfall entwickelt sich für das Magdebuger „Polizeiruf 110“-Duo zu einer Geschichte voll Lug und Trug. Trotz Oscar-prämiertem Regisseur bietet „Dünnes Eis“ jedoch nur Krimi-Durchschnittsware an.
Eine Frauenleiche liegt am Elbufer im Sand. Sie ist mit Folie abgedeckt, Blut ist zu sehen. Eine Frau rennt hysterisch schreiend darauf zu. Sie vermutet, dass die Tote ihre Tochter Kim ist. Immer wieder ruft sie ihren Namen. Rückblende. 30 Stunden zurück geht es im neuen Magdeburger „Polizeiruf 110“ vom Auffinden der Toten am Fluss in die Vergangenheit. In der neuen Folge „Dünnes Eis“ am Sonntag (12. Februar, 20.15 Uhr, Das Erste) kennt der Zuschauer das Ende noch vor den handelnden Personen und ihrer Geschichte.
Das soll den Spannungsbogen straff spannen, scheitert aber streckenweise an zu viel Vorhersehbarkeit. Auch das ungleiche Ermittlerduo bleibt etwas blass. Vom neuen Miteinander ist nicht viel zu spüren.
Die Hauptkommissare Doreen Brasch (Claudia Michelsen) und Dirk Köhler (Matthias Matschke) bekommen es mit einer Entführung, der Forderung nach 100 000 Euro Lösegeld und einer missglückten Geldübergabe am klischeebehafteten Papierkorb zu tun. Aber vor allem geht es um Scheinwelten, Lügen und Täuschungen.
„Ich dürfte eigentlich gar nicht hier sein“, sagt Anja Peelitz (Christina Große) auf dem Revier. Tochter Kim wurde auf dem Weg zur Arbeit entführt. Gegen 100 000 Euro soll die 23-Jährige freikommen – werde die Polizei eingeschaltet, wolle man sie aber „aufschneiden“. Peelitz tut es trotzdem. Und Brasch findet – natürlich im Alleingang – Fahrrad und Handy der jungen Verkäuferin im Stadtpark.
Nachrichten an den Stiefvater kommen zum Vorschein und ein mutmaßlich stalkender Ex-Freund auch. Doch etwas stimmt nicht. Warum glauben die Entführer, dass die einfache, alleinstehende Altenpflegerin so viel Geld hat? Hat der einschlägig vorbestrafte Stiefvater etwas damit zu tun? Und verhält sich die vorlaute Arbeitskollegin nicht merkwürdig?
Brasch und Köhler erfahren von einer 100 000-Euro-Erbschaft der Anja Peelitz, die von Christina Große herrlich verhuscht und zerbrechlich gespielt wird. Bald kommt ans Licht, dass sie eine Persönlichkeitsstörung hat und fortwährend lügt und fantasiert.
Dass es gar keine Erbschaft gibt, dämmert dem Zuschauer bald. Ebenso wie die naheliegende Vermutung, dass auch die Entführung nur ein Hirngespinst oder zumindest eine wilde Inszenierung ist. Da ändert auch eine abgetrennte Fingerkuppe nichts dran.
Regie bei der Produktion der filmpool fiction GmbH im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks führte Jochen Alexander Freydank („Zorn – Wie sie töten“, „Der wilde Sven“). Er hatte 2009 den Oscar für den Kurzfilm „Spielzeugland“ bekommen. Im Team ist auch Eoin Moore, der als Regisseur für fast ein Dutzend Folgen von „Polizeiruf 110“ und „Tatort“ verantwortlich ist.
„Dünnes Eis“ ist solider Krimi und traurige Familiengeschichte. Die hartnäckig auf burschikos-wortkarge Schrulligkeit getrimmte Figur von Hauptkommissarin Brasch mutet streckenweise sehr konstruiert an. Denn während auf ihrer Stirn „Vorsicht, nicht teamfähig!“ steht, sympathisiert der Zuschauer mit dem einfühlsamen Köhler. Und während sie als „einsame Biker-Wölfin“ aneckt, treibt der Kollege die Geschichte voran. Meist muss man entweder dem einen oder dem anderen beim Ermitteln zusehen. Die gemeinsame Zeit ist rar – für einen unterhaltsamen Sonntagabend reicht es aber allemal.
[Sabrina Gorges/buhl]
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