Der neueste Schimanski-Krimi begibt sich der kultige Ex-Kommissar in die Szene der „Loverboys“. Auf der Suche nach einem verschwundenen Mädchen kommt Schimanski dabei immer tiefer ins Rotlichtmillieu – und merkt dabei selbst, dass er nicht mehr der Jüngste ist
„Loverboy“: Es ist ein harmlos klingendes Wort, hinter dem sich das große Leid versteckt. „Normale Zuhälter beuten die Frauen aus. Loverboys nehmen ihnen die Seele“, heißt es zum Ende dieses „Schimanski“-Krimis. „Frauen“ ist dabei aber zu viel gesagt: Schließlich geht es hier um minderjährige Mädchen, denen von Männern die große Liebe vorgegaukelt wird – um sie anschließend in die Prostitution zu schicken. Ex-Bulle Horst Schimanski wird am Sonntag (ARD, 20.15 Uhr) in der Rotlichtszene auf den Fall eines vermissten Mädchens angesetzt.
Es ist ein Problem, das in Deutschland vergleichsweise unbekannt ist: Junge, attraktive Männer, die mit Mädchen – manche noch nicht einmal Teenager – anbändeln und sich diese gefügig machen. Die Heranwachsenden werden vergewaltigt und misshandelt. Oft von mehreren Männern gleichzeitig. Dann schickt der „Loverboy“ sie auf den Strich oder verschleppt sie in ausländische Bordelle. In Holland ist dieses Strickmuster schon länger geläufig – die Öffentlichkeit ist für das Thema sensibilisiert.
In der tristen Krimirealität Duisburgs dagegen beginnt alles mit einem Knall. Der 20-Jährige Daan liegt tot vor einem Club. Zunächst scheint es keinen Bezug zum Fall Schimanskis zu geben: Der Polizist im Ruhestand soll für einen Bekannten die 14-jährige Jessica (Muriel Wimmer) suchen, die von Zuhause abgehauen ist. Die Spur führt zu ihrem wesentlich älteren Freund Nils (Vladimir Burlakov) in die Rotlichtszene – genauso wie beim Mord an Daan.
Neben einer packend verwobenen Geschichte bietet der Film vor allem einen Götz George in Bestform. Bestform? Naja: Currywurst essend, daueralkoholisiert und rumpöbelnd stellt er sich der Jagd in bester Schimanski-Manier. Doch sogar er, eine der letzten 80er-Jahre-Bastionen im deutschen Fernsehen, spürt seine Zeit ablaufen.
Der Pott heiße jetzt iPod und die Kohleabbaugebiete seien nun Funparks, sagt er bitter. Die Türen wuchtet Schimanski nicht mehr selbst auf – er lässt sie eintreten. Und als der im Gefängnis sitzende Gangsterboss Kaijewski (Marek Wlodarczyk) sagt: „Wir sind nicht für die Rente geschaffen, Schimanski“, antwortet der nur: „Niemand vermisst uns.“
Das Mädchen zu jung, der Held zu alt. „Loverboy“ ist auch eine Geschichte über die Vergänglichkeit auf der einen und die reine Jugend auf der anderen Seite. Beides trifft in den zwielichtigen Ecken Duisburgs und Rotterdams in einem bemerkenswerten Krimi aufeinander.
[Benno Schwinghammer/fm]
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