Hans W. Geißendörfer mischt sich immer noch gerne ein. Seine „Lindenstraße“ soll in Zukunft wieder mehr Zähne zeigen, kündigt der „Papa“ anlässlich seines 70. Geburtstags an.
Geißendörfer? – „Lindenstraße“! Wenn irgendwo der Name des Regisseurs auftaucht, fällt vielen fast reflexartig sofort die ARD-Serie ein. Der Mann mit der schwarzen Wollmütze schmunzelt. „Ich mach nach wie vor leidenschaftlich gerne auch andere Produktionen“, sagt Hans W. Geißendörfer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Köln. „Aber wenn die Leute in Deutschland meinen, da ist der Papa von der ‚Lindenstraße‘, dann bin ich da stolz drauf. Ich freu mich auch dann, wenn mich der Taxifahrer auf die ‚Lindenstraße‘ anspricht und nicht auf meinen neuesten Film“. An diesem Mittwoch (6. April) wird der Produzent 70 Jahre alt.
Ende 1980 ging der Dauerbrenner in der ARD an den Start, und „ich hab‘ da nicht die geringste Ermüdung“, versicherte Geißendörfer. „Solange mein Kopf mitmacht und ich irgendwie an den Drehort komme, lasse ich mich nicht vertreiben“. Wobei das im Moment wohl auch niemand vorhabe, ergänzt er mit einem Lachen. Das Besondere an der Serie sei, dass die Figuren mit den Zuschauern altern. Hans und Helga Beimer, Anna Ziegler, Gaby Zenker – sie alle sind im Laufe der Zeit älter geworden, haben Falten oder Furchen bekommen, genau wie im richtigen Leben.
Geißendörfer ist jemand, der sich immer gerne eingemischt hat, politische Diskussionen nicht scheut und mit seiner Meinung nicht hinterm Berge hält – auch auf die Gefahr anzuecken. Die „Lindenstraße“ nutzt er gerne, um aktuelle Themen zur Sprache zu bringen und die Darsteller über Politik diskutieren zu lassen, was ihm in der Vergangenheit durchaus Kritik eingebracht hat. „Die ‚Lindenstraße‘ hat eine Haltung“, betinte er. Für die Zukunft hat er sich sogar vorgenommen, dass die Serie wieder ein bisschen mehr Zähne zeigen müsse, so wie in den Anfängen. In letzter Zeit sei sie „zu leise“ gewesen.
Jetzt zum Beispiel soll die Kehrtwende der Bundesregierung in der Atompolitik thematisiert werden. Es gehe darum, „dass man da Stellung bezieht und dass das nicht zu lasch gehandhabt wird“. Allerdings: Aufgrund der Atomkatastrophe in Japan nun dramaturgisch eine Atom-Geschichte in die Serie einzubauen, plane er nicht. „Das wäre anmaßend“, sagte Geißendörfer, der eine eigene Film- und Fernsehproduktionsfirma hat.
Schon während seines Studiums drehte der gebürtige Augsburger seine ersten Dokumentar- und Undergroundfilme. Später machte er sich mit verschiedenen Kino- und Fernsehfilmen einen Namen. Sein Krimi „Die gläserne Zelle“ (1977) wurde für einen Oscar nominiert. Er verfilmte Thomas Manns „Der Zauberberg“ und Clemens von Brentanos „Theodor Chindler“. Anfang März kam das Drama „In der Welt habt ihr Angst“ in die Kinos. Zurzeit hat er zwei weitere Filmprojekte in der Mache.
Aber neben beruflichen Projekten bleibe es auch im Privatleben spannend, betont Geißendörfer, der mit einer Engländerin verheiratet ist und in London lebt. So tritt eine seiner drei erwachsenen Töchter in die Fußstapfen ihres Vaters und arbeite gerade an ihrem ersten großen Featurefilm. Seinen 70. Geburtstag betrachte er als „eine Art von Ermahnung, dass die Zeit abläuft und man sich schleunigst auf die Dinge konzentrieren soll, die man noch im Kopf hat“, sagt Geißendörfer. „Also quasi ein Kilometerstein mit einem Achtungsschild drauf“. Feiern werde er im engen Familienkreis: „Die Kinder kommen und wir gehen schön essen.“[Petra Albers, dpa]
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