Lachen über „Dinner For One“ gleicht Waschzwang [Interview]

13
67
Bild: Destina - Fotolia.com
Bild: Destina - Fotolia.com

Der Butler ist beschwipst und stolpert – jedes Jahr, immer wieder. Seit Jahrzehnten lachen die Deutschen an Silvester über den englischsprachigen Sketch „Dinner for one“. Was das mit Freud und Hitler zu tun hat, erklärt ein Lachforscher aus Bremen.

Einfach nur ein mittelmäßig-witziger Sketch? Wer das über den alljährlichen Silvester-Klamauk „Dinner For one“ denkt, mag richtig liegen – und zugleich grundfalsch. Denn „Dinner For one“ verrät mehr über die Deutschen als ihnen beim Lachen darüber bewusst ist – wenn sie überhaupt noch darüber lachen. Nach Ansicht des Bremer Lachforschers Professor Rainer Stollmann sterben dem Sketch nämlich die Zuschauer weg. Im Interview erklärt der Kulturwissenschaftler, wieso das so ist und außerdem, was der britische Sketch mit Hitler zu tun hat und wieso in England keiner über das 20-Minuten-Stück lacht.
 
Warum lachen wir Deutsche jedes Jahr über dasselbe?
 
Rainer  Stollmann: Lachen über „Dinner For One“ ist wie Waschzwang. Es ist ein Symptom für eine Art Krankheit, denn wir lachen über was anderes, als wir denken. Um das zu verstehen, muss man Freud und die Psychoanalyse bemühen: Das Unbewusste weiß nichts vom Bewusstsein, also was ich nachts träume, kann ich wach auf keinen Fall denken. Es gibt nur gewisse Löcher hin zum Bewusstsein, das sind der Traum – und der Witz. Und bei „Dinner for one“ geht es um die Grenze von Gegenwart und Vergangenheit. Die Deutschen lachen bei dem Sketch unbewusst über ihre eigene Vergangenheit – nämlich das Dritte Reich.
 
Was hat denn das Dritte Reich mit „Dinner for one“ zu tun?
 
Stollmann: Es hat damit zu tun, weil man nicht erklären kann, wieso „Dinner For One“ die Deutschen seit mehr als 30 Jahren zum Lachen bringt. Der Sketch ist mittelmäßig und außerdem auf englisch, und eigentlich übersetzen die Deutschen immer alles. Warum also lachen sie darüber? Wieso wurden nicht Loriots „Hoppenstedts“ zum Silvester-Klassiker? Oder Heinz Erhardt? Es muss also etwas mit dem Innersten unserer bundesrepublikanischen Seele zu tun haben.
 
Das Alleinstellungsmerkmal von „Dinner For One“ ist, dass es die prekäre Grenze von Tod und Leben, von Vergangenheit und Gegenwart zeigt. Das macht der Sketch unter einer englischen, privaten Fassade – die natürlich nichts mit dem Dritten Reich zu tun hat. Aber weil man als Deutscher nicht über die Nazi-Zeit lachen kann, wird diese Fassade benutzt, um darüber unbewusst lachen zu können. Denn als der Sketch herauskam und populär wurde in den sechziger Jahren, wurde die deutsche Vergangenheit noch völlig verdrängt.

Aber gerade für manche junge Leute spielt das Dritte Reich doch gar keine zentrale Rolle mehr im historischen Bewusstsein.
 
Stollmann: Ich würde deshalb auch sagen, dass die Zuschauer von „Dinner For One“ aussterben. Das könnte bald der Fall sein, denn der Höhepunkt des Sketches ist schon überschritten. Ich glaube der Sketch verschwindet bald, denn die Generation, die darüber lachen konnte, gibt es bald nicht mehr, und die Jungen brauchen „Dinner for one“ nicht mehr.
 
Und was ist mit den Briten – immerhin ist der Sketch ja aus England?
 
Stollmann: „Dinner For One“ hat in England noch nie eine Rolle gespielt. Die Engländer sehen es, wie es ist – nämlich als mittelmäßigen Sketch. Wir nehmen den Sketch als britischen Humor wahr, die Engländer aber sehen ihn ganz anders. Denn in dem Sketch sind zum Beispiel aktuelle Anspielungen versteckt. Aber wer will denn einen Scheibenwischer von 1978 jedes Silvester wiedersehen?
 
Vielen Dank für das Gespräch. [Interview von Alexandra Stahl]

Bildquelle:

  • Inhalte_Fernsehen_Artikelbild: Destina - Fotolia.com
13 Kommentare im Forum
  1. AW: Lachen über "Dinner For One" gleicht Waschzwang [Interview] So viel heiße Luft! Ich bemühe mich wirklich redlich, all die Psychologie-Experten ernst zu nehmen, die von um Tiefsinn bemühten Reportern interviewt werden - "Lachforscher", das ist doch mal was! - aber es fällt so schwer. Dinner for One war ein bescheidener Erfolg in den 60-ern. Zum Silvesterkult wurde es in den Siebzigern, bei einer Generation (wie meiner), deren Eltern das Dritte Reich als Kinder erlebt hatten. Meine Eltern empfanden es nebenbei nie als so furchtbar lustig. Für uns war der Sketch britischer Humor par excellence: schwarz, tabubrechend, mit einer unverfrorenen Mischung aus Philosophie und Slapstick. Deutschland war in dieser Hinsicht einfach ein Entwicklungsland damals Dinner for One war ursprünglich, als Live Act, auch ein großer Erfolg in England. Im Fernsehen war man in den Sechzigern/Siebzigern dort allerdings längst weiter, man denke nur an Monty Python. Dinner for One ist Silvesterkult in der Schweiz, Skandinavien, Australien, um nur einige zu nennen. Diese Länder kann man nur schwer in einen gemeinsamen Topf verdrängter Vergangenheit werfen. Und dass es um den Kult nun ruhiger wird, ist doch leicht zu erklären: Wir sind verwöhnt von wirklich guten humoristischen Sendungen aus GB und USA. Miss Sophie ist nun mal etwas angestaubt. Gruß th60
  2. AW: Lachen über "Dinner For One" gleicht Waschzwang [Interview] Das bestätigt mal wieder alle Vorurteile über Psychologen. Ich lache über Ekel Alfred und Dinner for One. Jedes Jahr an Silvester wieder. Und warum? Weils einfach saukomisch ist!
  3. AW: Lachen über "Dinner For One" gleicht Waschzwang [Interview] Bisschen weit hergeholt, nicht wahr?!? Und wieso sollen "die Jungen" nicht über "Dinner for one" lachen können? Weil sie das Deutsche Reich nicht miterlebt hatten? Was ein Schwachsinn!
Alle Kommentare 13 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum