Hach, wie schön! Eine Schmacht-Ballade hat den Bundesvision Song Contest gewonnen. Doch die Show stellte nicht nur Sendezeit und guten Geschmack auf eine harte Probe – sondern auch Lena Meyer-Landrut.
Über Geschmack mag sich streiten lassen, doch Eva Briegel schoss beim Bundesvision Song Contest mit ihrer hessischen Band Juli wirklich den Vogel ab. Gehüllt in ein rotes Kleid mit dem Durchmesser eines Heißluftballons, begleitet von einem Schornsteinfeger am Schlagzeug und drei geigenden Trauerweiden – spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, warum der Wettbewerb von Entertainer Stefan Raab nicht im Radio übertragen wurde, sondern im Fernsehen.
Zum siebten Mal inszenierte Gastgeber Raab am Donnerstagabend den musikalischen Wettbewerb der 16 Bundesländer – dieses Jahr aus der Kölner Lanxess-Arena. Die Zuschauer kürten schließlich Tim Bendzko aus Berlin zum Sieger des Wettstreits. Der Jüngling mit blonden Locken begeisterte mit seiner Liebes-Ballade „Wenn Worte meine Sprache wären“ – optisch begleitet von einer Großbild-Leinwand, auf der eine geheimnisvolle Schöne lasziv durch einen Maschendrahtzaun blickte.
Auch die Moderation von Showmaster Raab und seinen Kollegen agierte gern nahe der geschmacklichen Gürtellinie. So pries Co-Moderatorin Johanna Klum das Teilnehmerland Bayern als das wohl einzige Bundesland, in dem man „eine Wurst in den Mund nehmen und daran saugen kann“, ohne öffentliches Ärgernis zu erregen.
Lena Meyer-Landrut, die aus dem Warteraum der Bands regelmäßig zugeschaltet wurde, stellte als ehemalige Gewinnerin des Eurovision Song Contest den Teilnehmern zwar etwas unverfänglichere Fragen, leider jedoch immer die gleichen: „Geht’s euch gut?“ und „Wollt ihr noch irgendwas sagen?“. Den so befragten ging es in der Regel gut, und sie baten die Zuschauer artig um Anrufe oder SMS zu ihren Gunsten.
Dabei nannte Frida-Gold-Sängerin Alina ihrem Publikum ein klares Kriterium für die Qualität eines Liedes: „Garant für gute Musik ist, dass sich mein Po bewegt“. Die Qualität ihres Songs „Unsere Liebe ist aus Gold“ unterstrich sie daher deutlich mit einem Auftritt in Unterwäsche und einigen zusätzlichen Stofffetzen.
Extravagant war auch der Auftritt der saarländischen Gruppe namens Pierre Ferdinand et les Charmeurs mit ihrem Song „Ganz Paris ist eine Disco“. Der Frontmann und Namensgeber der Band im Glitter-Anzug betonte mit unverkennbarem Akzent seine französische Herkunft und erklärte, Ideen für neue Songs würden ihm von einem Spatz „in die Ohr geflüstert – piep, piep“.
Die übrigen Songtitel waren teils prägnanter-schlicht wie „Essen geh’n“ des Duos Muttersöhnchen aus Schleswig-Holstein, in dem es nach Angaben der Interpreten um „Essen, Trinken“ und ein böses F-Wort geht. Thees Uhlmann aus Hamburg präsentierte wiederum sein Lied „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“. Uhlmann hatte schon vor der Sendung zu dem verhältnismäßig sperrigen Titel erklärt, das sei eben mal was, worüber man auch nachdenken könne. „Ich schaue Tierdokus mit meiner Mutter“. Diese sei auch die Person, die er im Falle des Titelgewinns als erstes anrufen mochte, sagte er. Dazu kam es allerdings nicht.
Schon bevor die letzten Punkte vergeben waren, hatte sich Tim Bendzko mit „Wenn Worte meine Sprache wären“ uneinholbar an die Spitze des Feldes gesetzt. Der von ihm zuvor für diesen Fall befürchtete Herzschlag trat jedoch nicht ein. Auf dem zweiten Platz landete der Bremer Musiker Flo Mega mit einem Song aus dem Soul-Genre namens „Zurück“ – wie sämtliche anderen Lieder komplett auf Deutsch. Zur Förderung der heimischen Musik hatte Initiator Raab einst zur Bedingung für eine Teilnahme am Wettbewerb gemacht, dass mindestens die Hälfte eines Beitrags auf Deutsch gesungen wird.
Nach dem Sieg des Berliner Teilnehmers wird der kommende Bundesvision Song Contest im nächsten Jahr in der deutschen Hauptstadt präsentiert.Die Platzierungen des Bundesvision Song Contest 2011
[Torben Klausa/ar]
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