MDR-Intendant Udo Reiter hat eine „rückhaltlose Aufklärung“ des Betrugsskandals beim Kinderkanal von ARD und ZDF, Kika, angekündigt. Der Betrugsfall stelle auch das Vertrauen der Gebührenzahler auf die Probe.
Reiter informierte den Rundfunk- und Verwaltungsrat des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) am Montag in Leipzig zum aktuellen Sachstand und ersten Konsequenzen im Betrugsfall um einen ehemaligen Kika-Herstellungsleiter. Der MDR-Chef sagte: „Ich habe die rückhaltlose Aufklärung der Vorfälle beim Kika angeordnet. Es gibt keinen anderen Weg, als die Ursachen und Verantwortlichkeiten umfassend aufzudecken, und dann die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen“.
Reiter, hatte vor Jahren in besonderer Weise dazu beigetragen, den Kika zu ermöglichen und dann in Thüringen anzusiedeln. „Ein leitender Angestellter des Kinderkanals, den wir als tüchtig, zuverlässig und vertrauenswürdig eingeschätzt haben, hat seine Schlüsselposition missbraucht, um Geld, das für das Kinderprogramm vorgesehen war, gezielt zur Seite zu schaffen.“ Dies stelle auch das Vertrauen der Gebührenzahler auf eine harte Probe.
Auch wenn die Ermittlungen noch nicht vollständig abgeschlossen seien, sei der Schaden größtenteils identifiziert: „Wir gehen insgesamt von einer Schadenssumme von zirka sieben Millionen Euro aus“, so Reiter. Darin eingeschlossen seien knapp 280 000 Euro, die eine weitere Firma ebenfalls über Scheinrechungen und offenbar mit Hilfe desselben Herstellungsleiters abgezweigt habe (DIGITAL FERNSEHEN berichtete). Diesen weiteren Fall haben laut MDR die Revisionen aufgedeckt. Die Ermittlungsbehörden wurden informiert. Aus ermittlungstaktischen Gründen könnten derzeit keine weiteren Angaben dazu gemacht werden.
Der Betrug konnte laut MDR passieren, weil der Betrüger selbst zu den Kontrolleuren eines ordentlichen Geschäftsablaufes beim MDR gehörte. In seiner Position als Herstellungsleiter war der fristlos Gekündigte auch Ansprechpartner für Rechnungshöfe und Revisionen und damit zumindest teilweise auch für die Umsetzung von Prüfungsempfehlungen verantwortlich. Die Landesrechnungshöfe von Thüringen und Rheinland-Pfalz hatten den Sender bis 2008 sechs Jahre lang geprüft. Die Revisionsempfehlungen wurden grundsätzlich umgesetzt, wobei der ehemalige Herstellungsleiter seiner Funktion entsprechend maßgeblich damit betraut war. „Das ist legal. Doch er hat es als Möglichkeit genutzt, sein Betrugssystem abzusichern“, so Reiter.
Der Sender will auch persönlich gegen den Beschuldigten vorgehen. Reiter: „Wir werden natürlich Schadenersatz fordern und dabei gegebenenfalls auch vor Gericht gehen“. Vom Geschäftsführer der Berliner Produktionsfirma liegt dem MDR ein notariell beglaubigtes Schuldanerkenntnis vor. Schließlich hat der MDR beim Finanzamt Berlin einen Antrag auf Erstattung der Umsatzsteuer aus den Scheinrechnungen gestellt. Welche Rückforderungen der MDR durchsetzen könne, sei allerdings noch nicht absehbar.
Des Weiteren prüft der MDR personal- und arbeitsrechtliche Maßnahmen bezüglich einzelner Mitarbeiter der Kika-Herstellungsleitung, die Rechungen sachlich-rechnerisch richtig gezeichnet hatten, ohne zuvor die Leistung hinter diesen Scheinrechnungen zu prüfen. Dies würde einen Verstoß gegen geltende Dienstanweisungen bedeuten. Die Revisionen vom MDR und ZDF arbeiten laut Reiter unter Hochdruck an dem abschließenden Prüfbericht mit Vorschlägen für weitergehende Maßnahmen. Der Abschlussbericht soll möglichst im März 2011 vorliegen. Ziel sei es, die Sicherheit in den Geschäftsvorgängen weiter zu erhöhen.
„Die Betrugsfälle beim Kika sind für mich auch deshalb so bitter und schlimm, weil sie verdecken, dass der Kinderkanal 2010 mit 19 Prozent Marktanteil bei den Kindern das erfolgreichste Jahr seit seinem Sendestart hatte“, zeigte sich der MDR-Chef enttäuscht. Sein Sender als Treuhänder der beim Kika eingesetzten Rundfunkgebühren setze alles daran, diese Machenschaften aufzuklären und solche Vorfälle künftig soweit irgend möglich zu verhindern. [mw]
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