„Karl Marx – der deutsche Prophet“: ein Mann mit Visionen

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Bei runden Geburtstagen bedeutender Menschen kommt das Fernsehen gerne mit einem Film oder einer Dokumentation daher. Nun gibt es ein Dokudrama über den Gesellschaftsphilosophen Karl Marx.

Für viele Menschen hierzulande stellt Karl Marx eine wenig greifbare Größe dar. Welches Leben er geführt hat und welche Bedeutung ihm heute zuteil wird, dem geht das Dokudrama „Karl Marx – der deutsche Prophet“ nach, das an diesem Samstag (20.15 Uhr) auf Arte und am kommenden Mittwoch (20.15 Uhr) im ZDF zu sehen ist. Um 21.45 Uhr läuft bei Arte zudem die Dokumentation „Karl Marx und seine Erben“ von Peter Dörfler. Anlass für diesen Themenabend ist der 200. Geburtstag von Marx.

Umstritten war Karl Marx (geboren am 5. Mai 1818 in Trier, gestorben am 14. März 1883 in London) schon zu seinen Lebzeiten. Als was wäre er wohl gern bezeichnet worden, als Denker, Journalist, Ökonom, Philosoph, Prophet, Revolutionär oder Visionär? Vermutlich war er alles zugleich, ein Phänomen sowieso, und darüber hinaus natürlich ein Familienvater. Allerdings ein schlechter, wie der Film zeigt: Der junge und verwöhnte, auch anmaßende Karl Marx, gespielt von Oliver Posener, hatte im Grunde nie genügend Geld.
 
Von seinen Schriften konnte er nicht leben, und die Heirat mit der vier Jahre älteren Adligen Jenny von Westphalen (Martina Delisová) half ihm in dieser Hinsicht nicht weiter, denn auch sie konnte nicht mit Geld umgehen. Mit ihr bekam er insgesamt sieben Kinder, von denen nur drei Töchter das Kindesalter überlebten, darunter Eleanor (Sarah Hostettler, die hier als Erzählerin fungiert). Das lag auch an den prekären, ja ärmlichen Verhältnissen, in denen die Familie leben musste – Hunger, Kälte und Krankheiten machten ihr zu schaffen. Eine (kaum bezahlte) Haushälterin gab es trotzdem: Lenchen (Nina Petri) hatte sogar einen lange verheimlichten Sohn von ihm, Frederick Demuth (Johannes Klaußner).
 
Das allerdings gilt bis heute als nicht zweifelsfrei überliefert. Seine ständige Geldnot hingegen schon, so dass der obendrein meist kränkelnde Marx im Grunde nicht in der Lage war, eine so große Familie zu ernähren. Hätte ihm nicht sein vermögender Freund Friedrich Engels (Lutz Blochberger) – mit dem er 1848 das „Manifest der Kommunistischen Partei“ schrieb – über viele Jahre, auch im Londoner Exil, finanziell unter die Arme gegriffen, so hätte er es nicht geschafft. Selbst der ältere und später dann staatenlose Marx (Mario Adorf) musste bei seiner Bank um Geld betteln, und da ist durchaus die Frage erlaubt, wie er sich die Reise nach Algier im Jahre 1881 (wo er sich den Rauschebart stutzen ließ) leisten konnte, mit der die fiktionale Handlung beginnt.
 
Natürlich ist der Film ganz auf Mario Adorf (87) zugeschnitten, der sich mit dieser Rolle einen langgehegten Wunsch erfüllt. „Marx ist im Grunde noch aktueller als zu seinen Lebzeiten“, sagte Adorf der Deutschen Presse-Agentur. „Der Zustand der Welt ist meines Erachtens noch viel dramatischer als damals, als es um die Schicksale der ausgebeuteten Arbeiter ging. Heute geht es global um das Unverhältnis von arm und reich, die immer mehr öffnende Schere von arm und reich.“
 
Adorf äußerte zudem Zweifel an der Darstellungsform des Dokudramas: „Das Dokudrama – als eine Mischform von Dokument und Fiktion – ist gewöhnungsbedürftig, weil sich beim Zuschauen die dokumentarischen und fiktionalen Teile zwar besser erklären, sich aber oft auch gegenseitig stören und enttäuschen können.“ Ein Spielfilm, möglicherweise basierend auf dem Buch „Die letzte Reise des Karl Marx“ von Hans Jürgen Krysmanski oder der Biografie „Karl Marx beim Barbier“ von Uwe Wittstock, mitsamt der Dokumentation im Anschluss, wäre in der Tat anschaulicher gewesen.
 
 
Zwar bietet das Dokudrama von Regisseur Christian Twente („Das Luther-Tribunal“) nicht all zu viel Tiefgang oder gar wirklich Neues, ist wohl durchsetzt mit historischen Aufnahmen und Stellungnahmen von Historikern und Finanzexperten, doch lebt es allein vom charismatischen Spiel durch Mario Adorf (in eindrucksvoller Maske), der den 63-jährigen Marx als sanften, verschmitzten älteren Herrn zeigt, dessen Gedanken („Das Kapital schwillt hier in einer Hand zu großen Massen“) auch heute von einer geradezu erschreckenden Aktualität sind. Marx stellte die richtigen Fragen, sprach einst von einer „Verschlingung aller Völker in das Netz des Weltmarktes“ und meinte damit visionär vermutlich das, was wir heute Globalisierung nennen.

[Klaus Braeuer]

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  • Inhalte_Fernsehen_Artikelbild: Destina - Fotolia.com
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