Jury: Bei „The Voice“ steht Musik im Mittelpunkt [Interview]

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Mit „The Voice of Germany“ starten ProSieben und Sat.1 am heutigen Donnerstag eine weitere Talentshow. Dabei sieht die Jury die Kandidaten nicht, sondern muss blind entscheiden, wie gut sie sind. Juroren sind unter anderem Ex-Reamonn-Frontmann Rea Garvey und Sänger Xavier Naidoo, die über ihre Erlebnisse sprachen.

Hättet Ihr gedacht, dass Ihr einmal in der Jury einer Talentshow landet?
 
Rea Garvey: Ich bin schon ein Kritiker der anderen Shows gewesen, weil ich fand, dass manche unehrlich mit Musik umgegangen sind. Aber wenn man etwas verändern will, muss man irgendwann selber etwas machen und sagen: So stelle ich mir das vor. Und hier haben alle Teilnehmer die Musik extrem ernst genommen.
 
Xavier Naidoo: Ich konnte es mir schon immer vorstellen, weil ich ja auch viele der anderen Casting-Shows gesehen habe. Ich war schon immer daran interessiert, Talenten eine Chance zu bieten – dass die Leute einfach hören, was hier für ein Talent unter uns herumläuft. Und ich wollte wissen: Wie singt Deutschland heute.
 
Was war für Euch der Auslöser, zu sagen: Bei dieser Show mache ich mit?
 
Naidoo: Bei diesem Konzept kann man es so gestalten, dass es auch für die Musik ein Gewinn ist. Denn oft leidet ja gerade die Musik bei solchen Shows. Und wir können es uns nicht leisten, irgendwelche Späße auf Kosten der Musik zu treiben, dafür ist Deutschland einfach eine zu große Entertainment-Wüste, wir müssen für die Musik kämpfen.
 
Garvey: Ich bin schon von manchen Shows gefragt worden, bei denen ich niemals mitgemacht hätte. Da geht es mehr um die Jury als um die Talente selber. Und in dieser Show, da gibt es diesen Moment, wo du eine Stimme hörst und sagst: Wow, mit dem möchte ich arbeiten. Und wenn noch mehr Coaches ihre Buzzer drücken, kann sich der Musiker aussuchen, mit wem er arbeiten will. Das finde ich gerecht. Das stellt eine Balance her, es ist einem auch als Juror ein bisschen unheimlich, weil du denkst: Wird mich überhaupt jemand wählen?
 
Nimmt man die Stimme anders wahr, wenn man den Menschen nicht sieht?
 
Garvey: Du willst unbedingt sehen, wie der Mensch aussieht. Du hast Bilder im Kopf, und manchmal passen die genau zur Stimme. Oder du drehst dich um – und denkst: Hey, das hab ich mir jetzt komplett anders vorgestellt. Das hält auch die Spannung in der Show. Vor allem aber bekommt die Stimme eine ganz andere Plattform. Ich glaube, viele Teilnehmer haben diese Show gewählt, weil es nicht ums Aussehen ging, sondern nur um die Stimme. Und das finde ich auch richtig so.
 
Naidoo: Kurz gesagt: Es ist wie Essen im Dunkeln. Du nimmst alles ganz anders wahr.

Wären manche Entscheidungen also anders ausgefallen, wenn Ihr die Teilnehmer hättet sehen können?
 
Garvey: Sicher. Und darum geht es ja auch, dass zunächst einmal nichts von der Stimme ablenkt – und man erst hinterher sieht, was für eine Bühnenpräsenz der Mensch überhaupt hat. Manchmal war man erstaunt, wie jemand, der ganz schüchtern wirkt, mit seiner Stimme beeindrucken kann.
 
Naidoo: Wir haben tatsächlich alle einmal gedacht, da singt ein Kerl – und dann war es eine wunderschöne blonde Frau. Wir dachten, das muss ein Schwarzer sein, der zwar schon eine tolle Stimme hat, aber noch daran arbeiten muss. Und dann dreht man sich um – und da steht eine klassische Schönheit, wie eine Stewardess aus den 50ern. Da hättest du normalerweise den Buzzer in den Boden gerammt, wenn eine Frau so singen kann. Solche Talente fallen dann durchs Raster…

War es für die Teilnehmer leichter, dass Ihr sie nicht sehen konntet?
 
Garvey: Ich glaube, jeder ist ein bisschen scheu, was das eigene Aussehen angeht. Mit dem Erfolg kommt man damit besser zurecht, aber in jedem Fall ist es für jeden schwierig, plötzlich vor vielen Leuten auf einer Bühne zu stehen.
 
Man könnte ja denken, bei so vielen Talentshows jedes Jahr – wo sollen da noch neue Stimmen herkommen?
 
Garvey: Ich war erstaunt, wie viele Leute gekommen sind, die singen können. Wir haben viele Stimmen gefunden, bei denen ich denke: Wie kann es sein, dass wir diese Leute noch nie gehört haben.
 
Naidoo: Es ist so ein großes Land! Und es kommen ja auch viele, die bei anderen Talentshows nicht durchgekommen waren – und besser wurden seitdem. Ich habe da Erlebnisse gehabt, die hatte ich noch nie. Und ich hatte noch nie Zeit mit so vielen guten Sängern verbracht. Ich finde, in Amerika waren nicht so viele gute Leute dabei, ehrlich gesagt.
 
Angesichts der heutigen Krise der Musikbranche: Ist es überhaupt fair, junge Talente in dieses Geschäft zu schicken?
 
Garvey: Es kommt darauf an, was man erreichen will. Ich denke, wenn du wahrer Musiker bist, kannst du sowieso nicht anders, als Musik zu machen. Es geht dann nicht darum, reich oder berühmt zu werden. Der Vorteil für die Teilnehmer der Show ist, dass sie von unserer Erfahrung profitieren können.
 
Naidoo: Die Künstler müssen heutzutage mehr leisten. Du kannst nicht einfach dein Zeugs bei der Plattenfirma abgeben, und den Rest machen die anderen. Du musst viel multimedialer denken, vielleicht schon beim Schreiben eine Idee fürs Video haben. Fairerweise muss man sagen: Wenn es Dein Ziel ist, viele Platten zu verkaufen, dann musst Du auch eine Show meistern können. Und du darfst Dir nicht alles vorschreiben lassen, du musst selber die Welle reiten.
 
Vielen Dank für das Gespräch. INTERVIEWs im Überblick
[Interview Andrej Sokolow]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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