Die wohl wichtigste Fernseh-Personalie des Jahres neben dem Abschied von Thomas Gottschalk bei „Wetten, dass..?“ heißt „Günther Jauch“. Die neue ARD-Talkshow mit dem Publikumsliebling feiert am Sonntag Premiere. Die Erwartungen sind hoch.
Das ARD-Gemeinschaftsprogramm, das sich Das Erste nennt, will auch beim Publikumsinteresse wieder das Erste sein. Programmdirektor Volker Herres hofft, im kommenden Jahr die Marktführerschaft vom Privatsender RTL zurückzuerobern. Doch der Weg an die Spitze ist oft lang und schwierig. Bausteine in dem Prozess sind die fünf Talkshows, die Herres seinem Gemeinschaftsprogramm von Sonntag bis Donnerstag verpasst hat. Und der wichtigste Protagonist in diesem Zusammenhang heißt Günther Jauch.
Er soll den erhofften Anschub bringen, um die ARD nach vorne zu treiben, um sie wieder zum FC Bayern München in der Fernsehliga zu machen. Die Voraussetzungen für Jauch sind auf den ersten Blick gut. Denn einen besseren Ausstrahlungstermin als den Sonntagabend – der zuvor Anne Will gehörte – kann sich der Journalist, Moderator und Produzent nicht wünschen. Vom „Königsplatz“ redet Herres, auch Jauch spricht vom besten Platz im deutschen Fernsehen.
Er dämpft aber vor dem Start die möglichen „übernatürlichen Erwartungshaltungen“, wie Kollege Frank Plasberg es formuliert hatte. Er brauche 10, 20 oder 30 Ausgaben Zeit, um am Konzept zu feilen, erklärte der 55-Jährige bei der Präsentation seiner Gesprächssendung im Berliner Gasometer am Montag dieser Woche. Es werde eine „Evolution, aber keine Revolution“ geben. Trotzdem: Ausreden gebe es nicht, sagte er.
In der Realität könnte ein solches Projekt auch enttäuschend enden. Denn eine Übersättigung des Publikums mit Gesprächsrunden ist nicht auszuschließen. Jauchs vier ARD-Mitstreiter im Talkerreigen mussten bei ihren Premieren nach der Sommerpause zum Teil ernüchternde Zahlen schlucken. „Menschen bei Maischberger“ sahen am 30. August 1,18 Millionen Zuschauer, „Anne Will“ am 31. August 1,22 Millionen, „Beckmann“ am 1. September 1,49 Millionen und „Hart aber fair“ mit Plasberg zu früherer Sendezeit (21.00 Uhr) am 5. September 2,89 Millionen.
Hat das Publikum schon die Müdigkeit erfasst, bevor der neue Star der ARD so richtig loslegt? Hat die ARD die Talkkonkurrenz im ZDF mit Markus Lanz und Maybrit Illner und in den dritten Programmen mit Sendungen wie „WDR Treff“, „Drei nach neun“, „NDR Talk Show“ oder „Riverboat“ unterschätzt? Oder waren die Fernsehkonsumenten noch nicht so recht auf das Ende der Sommerpause gepolt? Offene Fragen, die erst der Herbst in seinem Verlauf beantworten wird.
Jauch selbst wird sich auch an sich selbst messen müssen: Seine Nachsommer-Premiere mit dem RTL-Klassiker „Wer wird Millionär?“, den er weiter moderiert, sahen am Montagabend immerhin 6,22 Millionen Zuschauer. Die Anschlusssendung, die erste Ausgabe der Reihe „Undercover Boss“, lag um 21.15 Uhr dann immer noch bei mehr als fünf Millionen Zuschauern. In diesen Fällen, so zeigen die Quoten, bemerkte das Publikum sehr wohl das Ende der Sommerpause.
Dennoch: Kurzfristige Gesichtspunkte und Quotendiskussionen spielenbei der ARD und Jauch wohl kaum eine Rolle: Der Hoffnungsträger mitWohnsitz Potsdam hat sich jedenfalls mit dem gebührenfinanziertenSendersystem auf eine Dauer von drei Jahren geeinigt.
Auchfür Jauch ist die Sendung ein Wagnis. Denn nicht nur vor der Kamerawill der ehrgeizige TV-Mann, der auch im fortgeschritteneren Alter wieein großer Junge wirkt, reüssieren. Auch hinter den Kulissen muss es mitder Sendung, die er selbst produziert, klappen.
DasThema der ersten Ausgabe ist voraussichtlich der 10. Jahrestag derAnschläge vom 11. September 2001 in den USA. In Jauchs Runde stehen fünfSessel – sie sind hellbraun und mit einer Nackenrolle ausgestattet. Einpaar Schritte rechts davon befinden sich drei rote Sessel, auf denenbis zu zwei zusätzliche Gesprächsteilnehmer, die erst einmal alleine zuWort kommen sollen, mit dem Moderator Platz nehmen dürfen.
Vielleichtbringt Jauch mit einer starken Vorstellung am Sonntag so auch seineARD-Kollegen zu Wochenbeginn in Schwung. Doch sollte das Experiment Talknicht klappen, wird das Thema Vorabend – als zweites Feld derARD-Programmoffensive – im Herbst und Winter zur echten Nagelprobe. Dennda sollen ein Haufen neuer Krimiserien und Thomas Gottschalks täglichesMagazin dem „Ersten“ ebenfalls neuen Glanz bringen. [dpa]
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