Ab Montag gehen Günther Jauch und die ARD getrennte Wege, denn an diesem Sonntag wird er zum letzte Mal nach dem „Tatort“ im Ersten talken. Im neuen Jahr wird Anne Will in seine Fußstapfen treten.
Günther Jauch verbindet mit der ARD keineswegs eine durchgehende Liebesbeziehung – eher ein Wechselspiel der Gefühle. Vor knapp neun Jahren platzte Jauchs sicher geglaubter Einstieg als Polittalker, weil er sich ARD-intern einer starken Kritikerfront gegenübersah. Vor gut vier Jahren schienen die Wogen geglättet, Jauch legte im September 2011 doch als Polittalker Nummer eins der Nation los. Und jetzt ist schon wieder Schluss. Der gemeinsame Weg, den Jauch und die ARD gegangen sind, war holprig.
An diesem Sonntag (21.45 Uhr) lädt der mittlerweile 59-Jährige zum letzten Mal zum Polittalk ins Gasometer im Berliner Stadtteil Schöneberg. Die Quoten waren meist gut, daran lag es nicht: Fünf Millionen Zuschauer erreichte Jauch nach dem starken „Tatort“ meistens. Doch zunehmend sah er sich in der Öffentlichkeit der Kritik und teilweise auch der Häme ausgesetzt. Das nagte am Ehrgefühl eines Mannes, der es über Jahre gewohnt war, dass ihn die Öffentlichkeit mochte. Zu den Gründen seiner Abkehr vom System ARD wollte sich der Talkmaster auf Anfrage nicht äußern.
Ein Vorfall im Frühjahr dieses Jahres dürfte zur Entscheidung beigetragen haben. Ein Einspieler in seiner Sendung zeigte den griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis mit ausgestrecktem Mittelfinger – gegen die wirtschaftlich dominanten Deutschen? Der Film war alt, aus dem Zusammenhang gerissen und Stoff für einen Coup des ZDFneo-Satirikers Jan Böhmermann, der den Stinkefinger als Fälschung seiner Redaktion ausgab und damit richtig schöne Diskussionen entfachte. Allerdings nicht um Griechenlands wirtschaftliche Lage, sondern mehr um Jauchs Sendung.
Was bleibt von der Ära Jauch? Manche Experten sagen: Das Kapitel bleibt ohne Nachhall. „So gut wie nie hat Jauch die politische Agenda geprägt oder von sich aus Themen auf die Tagesordnung gebracht, stattdessen wurde das, was ohnehin im Schwange war, noch einmal mit bekannten Gästen aus der ersten oder zweiten Reihe von Politik und Journalismus verhandelt“, sagt der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler, früher Chef des Grimme-Instituts und Kritiker des Talküberangebots im TV, der Deutschen Presse-Agentur.
Zu selten sei es Jauch gelungen, aus der Gästekonstellation eine neue Dynamik der Debatte zu kreieren. Gäbler weiter: „So blieb der Talk vor allem die erwartbare TV-Show. Zu einem bedeutenden gesellschaftlichen Salon reifte das Gespräch nicht.“ Bei „heiklen“ Gästen aus der Pegida-Szene oder von der AfD seien die Gespräche meist schief gelaufen.
Auch der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen von der Uni Tübingen bilanziert die Ära mit wenig Begeisterung. „Am Ende dürfen sich alle bestätigt sehen: diejenigen, die schon immer vor Günther Jauch als einer Ikone des Privatfernsehens gewarnt haben“, sagt Pörksen. „Und diejenigen, die das Ende dieser Beziehung vor allem durch manche Gehässigkeit der ARD-Oberen verursacht sehen und darauf verweisen, dass man den Quotenbringer Jauch erst engagierte, um dann seine Sendung umso leidenschaftlicher als seichte Unterhaltung zu kritisieren.“ Es bleibe der Eindruck einer Vernunftehe.
Jauch selbst hat sich Geprächssperre auferlegt. Bereits im Oktober teilte er lediglich mit: „Die Sendungen werden ordentlich (vor allem in den letzten Wochen mit zum Glück richtig tollen Quoten) zu Ende geführt und dann ist eben Schluss.“ Bei seinem Stammsender RTL seien „keine Besonderheiten“ zu erwarten. Sein Quiz „Wer wird Millionär?“ laufe weiter. Über die beiden anderen Formate („5 gegen Jauch“, „Die 2 – Gottschalk & Jauch gegen alle“) werde man, wie in den vergangenen Jahren auch, etwa Anfang des kommenden Jahres reden. [Carsten Rave/kw]
Bildquelle:
- Inhalte_Fernsehen_Artikelbild: Destina - Fotolia.com